Angst um den Frieden

Angst um den Frieden
(Mary Altaffer)

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Regulär endet in diesem Jahr die Präsidentschaft von Joseph Kabila im Kongo. Die Opposition klagt über massive Einschüchterung. Experten sehen den Frieden im Land in Gefahr.

Joseph Kabila könnte in diesem Jahr Geschichte schreiben: Im Dezember endet seine zweite Amtszeit als Präsident der Demokratischen Republik Kongo – sollte er tatsächlich abtreten, wäre dies der erste friedliche Machtwechsel im Land seit der Unabhängigkeit im Jahr 1960. Im Moment stehen die Zeichen allerdings schlecht. Gegner des Staatschefs geraten Berichten zufolge zunehmend unter Druck. Eine freie und faire Wahl soll offenbar frühzeitig ausgeschlossen werden. Dies könnte wiederum neue Unruhen heraufbeschwören, möglicherweise mit verheerenden Folgen für die gesamte Region.

Die USA drohen bereits mit Sanktionen gegen jeden, der die Demokratie und die Sicherheit im Kongo untergräbt. Bisher scheinen sich Kabila und seine Leute davon aber nicht beeindrucken zu lassen. Die Organisation Human Rights Watch hat Dutzende Fälle von willkürlichen Festnahmen und rechtswidrigen Inhaftierungen dokumentiert. In einem Brief an den kongolesischen Botschafter in Washington beklagte der US-Senator John McCain, dass Gegner Kabilas von den Behörden des afrikanischen Landes mit dem Tode bedroht worden seien. „Die Lage ist wirklich brenzlig“, sagt McCain.

„Er hat das Wahlverfahren sabotiert“

Eine Delegation kongolesischer Oppositionspolitiker war diese Woche in die US-Hauptstadt gereist, um auf die Situation in ihrem Land aufmerksam zu machen. „Präsident Kabila hat vorsätzlich das Wahlverfahren sabotiert“, sagte der Abgeordnete und frühere Planungsminister Olivier Kamitatu. Er habe ein politisches Klima geschaffen, das von „Chaos und Angst“ geprägt sei. Die diplomatische Vertretung des afrikanischen Landes in Washington weist die Vorwürfe zurück. „Kabila kann nicht die Verfassung ändern, um an der Macht zu bleiben“, sagt Botschafter François Balumuene. „Das ist unmöglich.“ Die Regierung in Kinshasa sei entschlossen, gerechte und friedliche Wahlen stattfinden zu lassen. Zunächst müssten allerdings verschiedene logistische und finanzielle Probleme gelöst werden.

Dass die organisatorische Herausforderung groß ist, steht außer Frage. Das Land ist zwar reich an Rohstoffen, die Infrastruktur ist jedoch überwiegend miserabel, ein großer Teil der fast 80 Millionen Einwohner lebt in Armut. Hinzu kommen etliche gewaltsame Konflikte, vor allem in den östlichen Regionen. Fast 2,7 Millionen Kongolesen sind nach Angaben der Vereinten Nationen innerhalb des Landes, das mehr als sechsmal so groß wie Deutschland ist, auf der Flucht vor bewaffneten Milizen. Die Zeit des offenen Bürgerkriegs, in den auch mehrere Nachbarstaaten verwickelt waren, ist zwar seit 2002 vorbei. Experten warnen jedoch davor, dass es in der Region leicht erneut zu einer Welle der Gewalt kommen könnte – und ein erbitterter Machtkampf in Kinshasa wäre ein möglicher Auslöser.

Vorbild für afrikanische Politiker?

Am Rande eines UN-Treffens im April mahnte US-Außenminister John Kerry den kongolesischen Präsidenten daher persönlich, frühzeitig die Voraussetzungen für eine friedliche Wahl zu dem in der Verfassung festgelegten Termin zu schaffen. Kabila wäre nicht der erste afrikanische Staatschef, der sich nach Ablauf einer regulären Regierungszeit weigert, die Macht wieder abzugeben. Gleichzeitig ruhen viele Hoffnung auf den mit 44 Jahren noch recht jungen Präsidenten. Mit Kabila bestehe die Chance, dass dieses Muster endlich einmal durchbrochen werde, sagte der US-Sondergesandte für die Region der Afrikanischen Großen Seen, Thomas Perriello, Anfang des Jahres im Senat in Washington. Der Kongolese könnte damit zu einem Vorbild für andere afrikanische Politiker seiner Generation werden.

Joseph Kabila ist seit 2001 in Kinshasa an der Macht. Er übernahm das Amt des Staatschefs von seinem Vater Laurent Kabila, der im Präsidentenpalast von einem Leibwächter erschossen worden war. Nach dem Friedensabkommen von 2002 wurde Kabila bei den ersten freien Wahlen im Land 2006 und ein zweites Mal dann 2011 als Präsident bestätigt. Da eine dritte Amtszeit laut Verfassung nicht möglich ist, endet seine Regierungszeit offiziell im Dezember.

Gefahr eines gewaltsamen Aufruhrs

„Die allgemeine Einschätzung, dass Präsident Kabila sich an der Macht festklammern wird, hat die sehr reale Gefahr eines gewaltsamen Aufruhrs oder gar eines erneuten Krieges geschaffen“, warnte der demokratische US-Senator und Afrika-Experte Edward Markey im Februar in einem Schreiben an Kerry. In einer Anhörung am 10. Mai forderte Markey das Weiße Haus auf, Sanktionen gegen Kabila und weitere Personen aus dessen engstem Umfeld in Erwägung zu ziehen. Mögliche erste Maßnahmen wären das Einfrieren von Bankkonten oder Einreiseverbote.

Nach Angaben von Linda Thomas-Greenfield, die im Außenministerium in Washington als stellvertretende Staatssekretärin für afrikanische Angelegenheiten zuständig ist, prüft die US-Regierung „sehr, sehr aktiv die Möglichkeit von Sanktionen gegen Personen, die mit Gewalt in Verbindung stehen“. Dass Sanktionen allerdings kein Allheilmittel sind, zeigt das Beispiel Simbabwe. Wegen Menschenrechtsverstößen und Wahlfälschung bestehen hier seit 2003 US-Sanktionen gegen Präsident Robert Mugabe, seine Frau und mehrere Mitglieder seiner Regierung. Dennoch ist Mugabe, im Alter von inzwischen 92 Jahren, noch immer an der Macht.

Die kongolesische Opposition hofft dennoch auf ein schnelles internationales Eingreifen, damit noch genügend Zeit für die Vorbereitung einer regulären Wahl bleibt. „Wenn wir es Joseph Kabila jetzt erlauben, die Macht zu behalten, dann wird er für den Rest seines Lebens Präsident bleiben“, sagt Francis Kalombo. Der Politiker ist zwar selbst Mitglied der kongolesischen Regierungspartei. Wegen seiner öffentlichen Ablehnung einer dritten Amtszeit Kabilas hat er aber aus Angst um seine Sicherheit das Land verlassen.