Zwischen Vision und Utopie

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(dpa)

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Es gibt weltweit rund 15 000 Atomwaffen, die im Besitz von höchstens neun Staaten sind. Wenn am Montag die Verhandlungen über ein Verbot der tödlichsten aller Waffen beginnen, ist keines dieser Länder dabei. Was soll das Ganze dann?

Chemische und biologische Waffen sind seit langem geächtet, Streubomben auch. Nur die tödlichsten aller Massenvernichtungswaffen, die Atomwaffen, sind noch nicht per internationalem Abkommen verboten.

An diesem Montag starten nun in New York Verhandlungen über einen Verbotsvertrag der Vereinten Nationen. Sie werden von 123 der 193 Mitgliedstaaten getragen. Es ist aber keiner der höchstens neun Staaten dabei, die im Besitz von Atomwaffen sind. Deswegen gibt es Zweifel, ob sich der Versuch überhaupt lohnt.

Wie sind die Verhandlungen zustande gekommen?

Initiiert wurden sie 2014 von einer kleinen Staatengruppe, zu der unter anderen die EU-Mitglieder Österreich und Irland zählen. Im vergangenen Dezember stimmte die UN-Vollversammlung mit Zwei-Drittel-Mehrheit dafür. Die Verhandlungen finden nun in zwei Etappen im UN-Hauptquartier in New York statt: vom 27. bis 31. März und vom 15. Juni bis 7. Juli. Die ersten Zwischenergebnisse werden dann im September der UN-Vollversammlung vorgelegt.

Was ist das Ziel?

Der Vertrag soll Atomwaffen für illegal erklären und allen Unterzeichnern verbieten, Atomwaffen zu entwickeln, besitzen, lagern, stationieren oder zu finanzieren.

Warum nehmen die Atommächte nicht teil?

Sie stehen weiter zum Prinzip der nuklearen Abschreckung. Danach soll der Besitz von Atomwaffen davor schützen, selbst mit Massenvernichtungswaffen angegriffen zu werden. Die USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich können sich darauf berufen, dass es schon einen internationalen Vertrag über atomare Abrüstung gibt, den sogenannten Atomwaffensperrvertrag von 1968. Er soll die Ausbreitung von Atomwaffen verhindern und beinhaltet eine Verpflichtung zur Abrüstung – aber kein Verbot.

Die Atommächte Indien und Pakistan gehören allerdings nicht zu den Vertragsparteien. Auch Israel und Nordkorea sind nicht dabei. Israel hat den Besitz von Atomwaffen nie zugegeben, aber auch nicht dementiert. Wie weit Nordkorea bei der Entwicklung von Atomwaffen ist, ist unklar.

Reicht der Atomwaffensperrvertrag nicht aus?

Die Gegner eines Verbots wollen auf der bisherigen Grundlage weiter über schrittweise Abrüstung reden und meinen sogar, eine neue Initiative könnte den alten Vertrag entkräften. Die Befürworter des Verbots verweisen darauf, dass die atomare Abrüstung ins Stocken geraten ist und deswegen ein neuer Impuls notwendig sei.

Hatte nicht ein US-Präsident die Vision einer nuklearwaffenfreien Welt?

Ja. Barack Obama formulierte sie 2009 in einer der wichtigsten Reden seiner Amtszeit in Prag und bekam dafür den Friedensnobelpreis. 2016 bekräftigte er die Vision bei seinem historischen Besuch in Hiroshima, wo er als erster US-Präsident der Opfer des Atombombenabwurfs von 1945 gedachte.

Was ist daraus geworden?

Nicht viel. Fast alle Analysten sind enttäuscht über fehlende Fortschritte. Die Zahl der nuklearen Sprengköpfe weltweit ist zwar seit dem Beginn von Obamas Amtszeit 2009 von 23.300 auf heute rund 15.000 gesunken – zu Zeiten des Kalten Krieges waren es noch rund 70 000. Gleichzeitig investierten aber die USA massiv in die Modernisierung ihrer Atomwaffen.

Wie verhält sich Obamas Nachfolger Donald Trump?

Er will die Rüstungsausgaben massiv erhöhen und die führende Position der USA bei den Atomwaffen festigen. „Es wäre wunderbar, es wäre ein Traum, wenn kein Staat Atomwaffen hätte“, sagte er kürzlich in einem Reuters-Interview. „Aber solange Staaten Atomwaffen haben, werden wir im Rudel ganz oben stehen.“