Kein Bataclan, keine Politik

Kein Bataclan, keine Politik
(Julien Garroy / EDITPRESS)

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Als wir hörten, dass die Eagles of Death Metal, die Band, bei deren Konzert im Pariser Bataclan am 13. November vergangenen Jahres 89 Menschen starben, nach Luxemburg kommen, fragten wir gleich ein Interview an.

Dienstag 17.45 Uhr: Ich stehe vor dem „Atelier“ und schreite langsam auf und ab, während ich auf meinem Handy noch ein paar letzte Details über die Eagles of Death Metal checke. Am Morgen hatte mich die Pressesprecherin des „Atelier“ angerufen. Ich könne ein Interview haben, allerdings wolle die Band weder über das Bataclan noch über Politik reden. Nach kurzem Zögern sagte ich zu. Ich wollte Jesse Hughes, dem Sänger der Band, trotzdem begegnen. Schon alleine, um mir ein Bild von dem Mann zu machen, bei dessen Konzert 89 Menschen ums Leben kamen. Andererseits hatte ich mir irgendwie erhofft, dass ich trotzdem mit ihm über die Themen sprechen könnte. Eins vorweg: außer ein paar Anmerkungen, kam es nicht dazu. Es lag allerdings nicht an Jesse Hughes.

Hier stehe ich also nun. In einer Viertelstunde soll es losgehen. Vor dem „Atelier“ parkt ein riesiger schwarzer Bus. Der Name der Band steht nicht darauf, doch ein paar Minuten später sehe ich Jesse Hughes aus dem Vorhof des „Atelier“ stürmen. Er nickt mir kurz zu und springt rein. Hinter ihm geht die Tür zu.

Ich gehe Richtung „Atelier“ und stelle mich vor. Ich werde von einem bärtigen Mann, wohl ein Mitarbeiter der Band, die Treppe hochgeführt, bis in einen kleinen Raum im Dachgeschoss. Er erklärt: „Ich muss noch Jesse aus dem Bus holen, wartet einen Moment hier. Wenn ihr was zu trinken wollt, es gibt Cola im Kühlschrank.“ Dann verschwindet er wieder.

„Ich breche ab, wenn es nicht um Musik geht“

Auf den Wänden im „Atelier“ hängen Fotos von Bands, die schon in der Konzerthalle gespielt haben. Der Fotograf, der mich begleitet, fängt an, Testfotos zu machen. Fünf Minuten vergehen, dann zehn. Also fange ich an, mich umzusehen. Auf dem Tisch, neben dem Laptop, steht die Songliste für den Abend. An der Wand hängt ein Zeitplan für die Band. 16.00-17.00 Uhr: Ankunft. 18.00 Uhr: Essen. 19.00 Uhr: Öffnen der Türen. 19.45 Uhr: White Miles. 21.00 Uhr: Eagles of Death Metal. Ich habe erst später in der Redaktion herausgefunden, dass White Miles, die Band, die vor den Eagles im Atelier spielt, auch damals vor den Eagles im Bataclan auftraten.

Ein paar Minuten später kommt ein großer breiter Mann mit rotem T-Shirt die Treppen rauf. Er ist wohl der Manager der Band. Er erklärt in einem trockenen Ton: „Keine Fragen über das Bataclan, sonst breche ich das Interview sofort ab.“ Ich hake nach, ob ich dennoch Fragen über Politik stellen könne. Immerhin gab es eine Polemik rund um Hughes, wegen abfälligen Äußerungen gegenüber Muslimen. In einem Interview hatte er beispielsweise erklärt, er sei schockiert, weil niemand dem Islam die Schuld für die Attacken in Paris gab. Er hatte auch seine Zuneigung für den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump öffentlich gemacht und erklärt, wenn es in Frankreich ein Recht gegeben hätte, Waffen zu tragen, wäre die Nacht im Bataclan anders verlaufen. Doch der Mann im roten T-Shirt erklärt: „Ich will keine Trump-Frage, ich will keine Frage über Waffen und sonst nichts in dem Stil. Ich breche ab, sobald es nicht mehr um Musik geht.“ Ich seufze. Das wird kein leichter Brocken.

Um 17.30 Uhr kommt Jesse Hughes die Treppen hoch. Rote Sonnenbrille im Gesicht, blau-weiße Truckerkappe obendrauf. Er wird seinem Republikaner-Image gerecht. Obwohl die Band eigentlich aus Kalifornien kommt, könnte Hughes genauso gut aus dem tiefsten Texas stammen. Er stellt sich vor und entschuldigt seine Verspätung folgendermaßen: „Sorry Mann, ich war total bekifft im Bus.“ Dann lacht er. Mittlerweile habe ich mir eine Taktik überlegt. Ich will mit ihm über Musik reden, um dann irgendwann auf Politik zu sprechen zu kommen. Wenn er so zurückhaltend bei dem Thema wäre, hätte er sich ja nicht so viel darüber geäußert.

„Ich bin ein Christ, der dem Teufel dient“

Wir nehmen Platz und schon setzt sich der Mann, der mir zuvor die Restriktionen auferlegt hatte, in einen Sessel ein paar Meter weiter entfernt. Ich fluche innerlich. Der Typ sieht so aus, als sei mit ihm nicht zu spaßen. Jesse Hughes scheint im ersten Moment ganz locker zu sein. Fast könnte man seine politischen Ansichten vergessen. Wir reden über die Rock ’n’ Roll-Attitüde, über seinen Drogenkonsum, der, wie er erklärt, „eine Angelegenheit zwischen mir und Gott ist“. Dass Hughes Christ ist, wusste ich schon. Darauf spreche ich ihn also auch an. Ich frage ihn, ob man Rock ’n’ Roll sein kann und gleichzeitig sonntags die Kirche besuchen kann. „Ich bin ein Christ, der dem Teufel dient“, erklärt er. Er wisse selbst, dass das ein seltsames Konzept sei. „Manchmal kann man sich nicht vorstellen, dass etwas existiert, aber man muss einfach akzeptieren, dass es so ist.“

Ich spreche ihn auf ein mögliches neues Album an. Er erklärt, dass eines für das kommende Jahr geplant sei. „Natürlich frage ich mich, wie das Album klingen wird. Es wird wahrscheinlich anders sein, wegen dem was passiert ist. Vielleicht wird es Einflüsse aus dem Mittleren Osten haben, wer weiß“, erzählt er, während er seufzt. Er scheint eigentlich, entgegen den Worten seines Managers, kein Problem zu haben, darüber zu reden. Ein kurzer Blick zum Mann, der ein paar Meter weiter sitzt. Er wirkt abgelenkt. Also versuche ich mein Glück.

„Bevor Sie Musik machten, waren Sie Journalist. Was für einen Job würden Sie machen, wenn jemand Ihnen sagen würde: Sie müssen jetzt mit der Musik aufhören.“ Hughes überlegt kurz, bevor er antwortet: „Ich würde in die Politik gehen.“ Ich blicke rüber, der Große horcht scheinbar auf. „Ich habe das vorher schon gemacht. Ich bin gut darin. Ich kann Reden schreiben, das kann ich wirklich gut“, so Hughes. Der Mann im roten T-Shirt scheint nervös zu werden. Ich hake nach: „Was für Politik würden Sie machen?“ Das scheint das Stichwort gewesen zu sein. Der Mann wirft mir einen wütenden Blick zu. Er wendet sich an Hughes: „Wir müssen losgehen.“ Der Sänger bedankt sich freundlich bei mir und geht mit seinem Mitarbeiter von dannen. Das war’s. Das Interview ist beendet.