Wenn Spinner ernst genommen werden: Schwere Haftstrafen wegen Hochverrats in Österreich

Wenn Spinner ernst genommen werden: Schwere Haftstrafen wegen Hochverrats in Österreich
Ein Screenshot von YouTube zeigt eine der Verurteilten.

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Mit Haftstrafen bis zu 14 Jahren endete am Freitag ein in der österreichischen Nachkriegsgeschichte einzigartiger Prozess gegen „Staatsverweigerer“.

Von unserem Korrespondenten Manfred Maurer, Wien

Lange wurden sie nur als Spinner belächelt. Medien brachten eher zur Unterhaltung gedachte Reportagen über die bizarren Hirngespinste der meist gescheiterten Existenzen, die den Staat, vor allem dessen Exekutivgewalt, negieren und sich ihre eigene krude Welt ohne Steuern, Kreditrückzahlungszwang oder sonstige lästige Bürgerpflichten konstruieren.

Die in Gruppierungen wie „Freemen“, „Reichsbürger“ „Souveräne“ oder dem „Staatenbund Österreich“ organisierten Sektierer wurden als psychopathologisches Phänomen wahrgenommen, deren wahnhafte Ideen Kopfschütteln auslösten, aber den verschmähten Staat nicht wirklich schreckten.

Das änderte sich schlagartig im Oktober 2016, als im bayerischen Georgensgmünd ein „Reichsbürger“ einen Polizisten erschoss und zwei schwer verletzte, als diese illegale Waffen beschlagnahmen wollten. Das löste auch in Österreich Alarm aus. Diese Spinner können offenbar doch brandgefährlich werden. In der Steiermark hatte der „Staatenbund Österreich“ seit dem Jahr 2015 seine skurrilen Aktivitäten entfaltet. Eine damals 39-jährige Frau scharte eine Gruppe Staatsverdrossener um sich, um einen neuen, ihren eigenen Staat zu gründen, in dem sie die Präsidentin sein sollte.

Mit allerlei Weltverschwörungstheorien und nicht zuletzt der Aussicht auf grenzenlosen Wohlstand gelang es der „Präsidentin“ auf ihren Touren durch die Dorfwirtshäuser, gar nicht so wenige Steirer für diesen imaginären Staat zu begeistern. 2.700 sollen es gewesen sein.

Geld im Überfluss im neuen Staat

Die ehemalige FPÖ-Kommunalpolitikerin erzählte davon, dass von der Republik ausgestellte Steuerbescheide, Verwaltungsstrafen oder sonstige Forderungen ignoriert werden könnten, wenn man nicht mehr ein „versklavter Bürger“ der Republik Österreich, sondern Bürger ihres neuen Staates sei.

Der „Euro“ wurde, weil nur „Privatgeld eines Freimaurerunternehmens“, in „Österreicher“ umbenannt. Geld sollte es künftig im Überfluss geben. Denn man schrieb alle Behörden und Banken an, um diesen mitzuteilen, dass sie hiermit aufgelöst seien und ihr Vermögen in das des „Staatenbundes“ überzugehen habe.

Es gab weder Antworten noch Überweisungen. Keiner nahm die Spinner ernst. Also musste dieser fiktive Staat so wie jeder andere Staat auch eigene Einnahmequellen erschließen. Gegen Gebühr gab der „Staatenbund“ Führerscheine oder die sogenannten „Lebenderklärungen“ als Ersatz-Pendant zur herkömmlichen Geburtsurkunde aus.

Der harte Kern der „Staatenbündler“ nahm die Sache und sich selbst wirklich sehr ernst. Und so landeten auf dem Schreibtisch von Othmar Commenda, dem Generalstabschef des Bundesheeres, nicht weniger als 100 „Haftbefehle“, die der Staatenbund gegen führende Politiker vom Bundespräsidenten abwärts ausgestellt hatte. Der höchste Militär der Republik nahm die neue Möchtegern-Staatsführung auch nicht für ganz voll. Er habe „schon ein wenig geschmunzelt“, als er die Haftbefehle im Mai 2018 wenige Wochen vor seiner Pensionierung erhielt. Aber er leitete sie weiter an das Heeres-Abwehramt, wo man die Sache gar nicht lustig fand.

Die Ermittlungen mündeten in eine Anklage wegen Hochverrats und Bildung einer staatsfeindlichen Vereinigung. Seit Mitte Oktober wurde der „Präsidentin“ und 13 ihrer Getreuesten deswegen im großen Schwurgerichtssaal des Grazer Straflandes der Prozess gemacht. Der erste Hochverratsprozess in der Geschichte der Zweiten Republik fand übrigens genau dort statt, wo die „Staatenbündler“ ihr Strafverfahren gegen Bundespräsident Alexander Van der Bellen und die Regierung geplant hatten.

Gescheiterte Biografien

Die Verteidigung versuchte, den Geschworenen genau das zu vermitteln, was viele über die Staatsverweigerer denken: Spinner, aber im Grunde harmlos. Das Verhalten der Hauptangeklagten, die das Gericht konsequenterweise nicht anerkennt, sei „grober Unfug“ gewesen, aber eben „nicht gefährlich“, argumentierte der Verteidiger, während der Staatsanwalt von der versuchten Bildung einer „militärischen Übergangsregierung“ und „Mord am Rechtsstaat“ sprach.

Die psychiatrische Gutachterin qualifizierte die Angeklagten als unreife, enttäuschte Menschen mit gescheiterten Biografien, die „eine Position in der Welt nicht am Ende der Hühnerleiter“ suchten. Dass die Truppe nicht wirklich ungefährlich ist, war an den Sichtschutzwänden vor der Geschworenenbank zu ersehen, die im Gerichtssaal aufgestellt worden waren, nachdem einige Laienrichter auf offener Straße von Anhängern des „Staatenbundes“ attackiert worden waren.

Am Freitag endete der Prozess mit einer Serie von Schuldsprüchen und harten Strafen. Die Hauptangeklagte wurde in allen angeklagten Punkten – unter anderem auch des Betruges – für schuldig befunden und zu 14 Jahren Haft verurteilt. Ein 71-jähriger Ex-Gendarm, der als eine Art Sicherheitsminister der verhinderten Staatschefin fungiert hatte, erhielt 10 Jahre. Er hatte in einem – ebenfalls unbeantwortet gebliebenen – Brief den russischen Präsidenten Wladimir Putin um Anerkennung des „Staatenbundes Österreich“ ersucht. Die übrigen Angeklagten müssen für neun Monate bis drei Jahre, teilweise bedingt, hinter Gitter.

Die doch sehr hohen, noch nicht rechtskräftigen Strafen wurden auch im Sinne der Generalprävention ausgesprochen. Die Richterin setzte ein „Signal, dass staatsfeindliche Taten nicht toleriert werden“. Endlich wurden die Spinner also einmal wirklich ernst genommen. Doch die oberste Staatenbündlerin (hier einer ihrer „Vorträge“ bei YouTube) wacht auch nach der Urteilsverkündung nicht auf. Ihren Einspruch gegen das Urteil begründet sie so: „Es handelt sich hier um Völkermord.“

xxl
27. Januar 2019 - 22.44

Dieser souveräne Mensch sollte sich mal im Spiegel sehen. Die Ernüchterung käme subito.

J.C.KEMP
27. Januar 2019 - 15.53

Solche Leute gehören wohl zusätzlich zur Haft in die (geschlossene) Psychiatrie.