Von Bourscheid nach Burscheid: Mit Städtepartnerschaften die europäische Idee leben

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Quasi alle Gemeinden in Luxemburg haben eine oder gar mehrere Partnerstädte in der Europäischen Union. Was bedeutet eine solche Partnerschaft für die betroffenen Gemeinden? Wo kommt die Idee der „Jumelages“ her? Das Tageblatt hat bei Gérard Koob nachgefragt. Er ist Sekretär des Gemeindesyndikats Syvicol.

Tageblatt: Wie definieren Sie eine Städtepartnerschaft?
Gérard Koob: Jean Bareth, ein französischer Politiker, der 1951 maßgeblich an der Gründung des Rats der Gemeinden und Regionen Europas (RGRE) beteiligt war, definierte die Städtepartnerschaften bereits in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg als „die Zusammenkunft zweier Gemeinden, die erklären wollen, dass sie sich zusammenschließen, um in einer europäischen Perspektive zu handeln, ihre Probleme zu bewältigen und zwischen ihnen immer engere Freundschaften zu entwickeln“.
Diese Definition gibt der Partnerschaft eine bestimmte Form – sie wird durch eine offizielle Erklärung besiegelt – und fasst ihre Ziele zusammen. Sie ist heute genauso gültig wie damals.

Wie äußert sich solch eine Partnerschaft im Alltag?
Eine Partnerschaft kann in der Praxis viele Formen annehmen (siehe Kasten).

Was ist der Sinn und Zweck einer „Jumelage“?
Wie bereits erwähnt, ist die Idee der Städtepartnerschaften aus dem Wunsch entstanden, die Bürger verschiedener Länder einander näherzubringen und grenzüberschreitende Freundschaften zu schließen. Zu den Schwerpunkten der Partnerschaftsbeziehungen zählen oft kulturelle oder sportliche Aktivitäten sowie der Austausch zwischen Kindern und Jugendlichen. Darüber hinaus kann eine Partnerschaft dazu dienen, Erfahrungen auszutauschen, die beiden Seiten bei der Bewältigung ihrer täglichen Aufgaben von Nutzen sind.

Manchmal ist eine „Jumelage“ auch die Grundlage für eine ganz konkrete Zusammenarbeit in einer der Partnergemeinden, zum Beispiel durch Hilfeleistung nach einer Naturkatastrophe (siehe das Beispiel von Bartringen).

Einige Gemeinden haben keine Partner, andere nur ein paar, andere wiederum mehrere: Was ist besser?
Manche Gemeinden unterhalten eine Partnerschaft mit einer einzigen ausländischen Kommune, andere mit zwei oder drei, wieder andere gleich mit über 20. Der Kontakt mit vielen Gemeinden in unterschiedlichen Ländern kann sehr bereichernd sein, bringt aber auch einiges an personellem und finanziellem Aufwand mit sich.
Wichtig ist im Endeffekt weniger die Zahl der Partnerschaften als die Qualität des Austauschs. Wie regelmäßig hat man Kontakt oder trifft man sich? Wie viele Einwohner und welche Bevölkerungsschichten beteiligen sich an der Partnerschaft und profitieren davon? Welche gemeinsamen Projekte werden umgesetzt?

Wie kommt eine Städtepartnerschaft zustande? Gibt es Kriterien?
Oft stellt die Unterzeichnung eines formellen Partnerschaftsabkommens den Abschluss eines langen Prozesses dar, der durch persönliche Kontakte zwischen Einwohnern beider Gemeinden begann. Auch die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Vereinen, z.B. im sportlichen oder kulturellen Bereich, kann der Auslöser für eine Partnerschaft sein.
Städte und Gemeinden, die spontan eine Partnerschaft eingehen möchten, können online fündig werden. Die Seite www.twinning.org des RGRE bietet die Möglichkeit, aus einer Vielzahl von Anzeigen aus ganz Europa die richtige Partnerstadt oder -gemeinde zu finden.

Seit wann gibt es „Jumelages“?
Der Ursprung der Städtepartnerschaften geht auf das Ende des Zweiten Weltkriegs zurück. Oberstes Ziel war es damals, die Bürger vormals verfeindeter Staaten einander näherzubringen, um so zu verhindern, dass es jemals wieder zu einem ähnlichen Krieg kommt.

In diese Zeit fällt auch die Gründung des bereits erwähnten Rats der Gemeinden und Regionen Europas, der die Förderung der Partnerschaften zu einer seiner wichtigsten Aufgaben machte und so für einen rapiden Anstieg der Anzahl der „Jumelages“ sorgte.
Werden Städtepartnerschaften gefördert? Wie und durch wen?

Es gehört zu den statutarischen Aufgaben des Gemeindeverbands Syvicol, die grenzüberschreitende und internationale Zusammenarbeit der luxemburgischen Gemeinden durch Partnerschaften mit ausländischen Gebietskörperschaften zu fördern.
In diesem Zusammenhang führen wir ein Verzeichnis der von den luxemburgischen Gemeinden geschlossenen Partnerschaften, das auf unserer Webseite einsehbar ist. Dort finden die Gemeinden auch weiterführende Informationen, insbesondere im Hinblick auf die Kofinanzierungsmöglichkeiten.

Das Innenministerium stellt jährlich einen bestimmten Betrag in Form eines staatlichen Zuschusses für „Jumelage“-Aktivitäten zur Verfügung, der vom Syvicol an die Gemeinden verteilt wird, die während des Vorjahres entweder neue Partnerschaften geschlossen oder interessante Aktivitäten im Rahmen bestehender Partnerschaften organisiert haben.

Des Weiteren ist eine Kofinanzierung im Rahmen des EUProgramms „Europa für Bürgerinnen und Bürger“ möglich. Kontaktstelle in Luxemburg ist das Zentrum für politische Bildung.


„Douzelage“ und Konsorten

„Douzelage“ ist eine Vereinigung von jeweils einer Kommune eines jeden Landes der Europäischen Union. Der Begriff setzt sich aus „douze“ (französisch: zwölf) und „Jumelage“ (französisch: Städtepartnerschaft) zusammen. Obwohl jetzt mehr als zwölf Gemeinden der Vereinigung angehören, wurde der Name beibehalten. „Douzelage“ entstand 1989 durch die Partnerschaft der Städte Sherborne (Großbritannien) und Granville (Frankreich). 1991 trafen sich Delegationen aus allen zwölf EU-Staaten in Granville, um „Douzelage“ offiziell ins Leben zu rufen.

Die Vereinigung will den schulischen, sportlichen und kulturellen Austausch fördern und allgemein die Zusammenarbeit zwischen den Städten und Gemeinden verbessern. Zweimal im Jahr findet ein Treffen der Mitglieder statt, um Projekte zu initiieren und sich auszutauschen. Für die Verständigung werden Englisch und Französisch benutzt. „Douzelage“ wird von einem Präsidenten und zwei Vizepräsidenten geleitet. Sie werden für eine Dauer von drei Jahren gewählt.

1993 wurde „Douzelage“ von der Europäischen Kommission als herausragendes Partnerschaftsprojekt mit den „Goldenen Sternen der Städtepartnerschaften“ ausgezeichnet.

Luxemburg ist Gründungsmitglied und mit der Gemeinde Niederanven dort vertreten.
Die weiteren Mitglieder sind: Altea (Spanien), Bad Kötzting (Deutschland), Bellagio (Italien), Bundoran (Irland), Granville (Frankreich), Holstebro (Dänemark), Houffalize (Belgien), Meerssen (Niederlande), Preveza (Griechenland), Sesimbra (Portugal), Sherborne (Großbritannien), Oxelösund (Schweden), Judenburg (Österreich), Güns (Ungarn), Schüttenhofen (Tschechien), Königsberg in der Neumark (Polen), Segewold (Lettland), Turgel (Estland), Altsohl (Slowakei), Prenen (Litauen), Marsaskala (Malta), Sereth (Rumänien), Agros (Zypern), Trjawna (Bulgarien), Bischoflack (Slowenien), Ruwein (Kroatien) und Asikkala (Finland).

„European Charter – Villages of Europe“

Im gleichen Jahr wie „Douzelage“ wurde die „European Charter – Villages of Europe“ ins Leben gerufen. Dabei handelte es sich ebenfalls um eine Gruppe ländlicher Gemeinden aus allen EU-Staaten. Die Idee zu diesem Zusammenschluss entstand in Cissé (F). Beim jährlichen Treffen der Gemeinden nimmt aus Luxemburg ein Vertreter aus Ulflingen teil.
In Esch (NL) gründete sich 1996 indes der Freundeskreis Europa als „Friends of Europe“. Im Augenblick sind zehn Gemeinden Mitglieder des Vereins, der vor allem Austausch-Initiativen von Schulen, Sportvereinen und Privatleuten unterstützt. Luxemburg ist hier jedoch mit keiner Gemeinde vertreten.


Beispiele für Städtepartnerschaften

Eine „Jumelage“ kann viele Formen annehmen. Hier einige Beispiele aus dem Jahr 2017, wie sich eine Städtepartnerschaft konkret gestalten kann:

Consdorf: Unterzeichnung der Partnerschaftsdokumente mit Nazaré (P) im Rahmen eines mehrtägigen Besuchs vor Ort.

Esch/Alzette: Feier des 60. Jubiläums der Partnerschaft mit Mödling (A), Offenbach am Main (D), Puteaux (F), Velletri (I) und Zemun (SRB) mit Schwerpunkt Jugend und Gründung eines gemeinsamen Jugendrats.

Grevenmacher: Besuch von Musikschülern aus der Partnergemeinde Aubière (F) und drei gemeinsame Konzerte.

Schifflingen: Integrationsfest im Beisein einer Delegation der Partnerstadt Drusenheim (F).

Bettemburg: Teilnahme an Feierlichkeiten in den jeweiligen Partnergemeinden, Teilnahmen eines luxemburgischen Künstlers an einer Ausstellung in Flaibano (I) sowie Jugendlicher aus Flaibano und Valpaços (P) an einem internationalen Pfadfinder-Zeltlager.

Petingen: Feier des 25. Jubiläums der Partnerschaft mit Schio (I) und Maribor (SLO).

Bartringen: Besuche von Kindern und Erwachsenen in Santa Maria Nuova (I), Schenkung von Computern an eine erdbebengeschädigte Schule, Fotoausstellung, Teilnahme am italienischen Nationalfeiertag.


Rekord: Niederanven unterhält 27 Partnerschaften

Niederanven ist die Gemeinde Luxemburgs, die die meisten Städtepartnerschaften abgeschlossen hat. Der Grund: Sie ist Gründungsmitglied der Vereinigung „Douzelage“. „Die Grundidee bei der Gründung von ‚Douzelage‘ im Jahr 1989 war es, die zwölf damaligen EU-Länder zusammenzubringen“, erklärte Jean Schiltz, der für die Städtepartnerschaften verantwortliche Schöffe der Gemeinde, dem Tageblatt.
1991 wurde die Charta unterzeichnet. „Wir fanden die Initiative eine gute Idee und wollten u.a. unsere Aktivitäten in den Bereichen Schule, Kultur, Sport und Tourismus besser koordinieren“, so Schiltz. Hierfür fanden zwei Treffen im Jahr statt.

„Am Anfang funktionierte es gut, dann aber kam die ‚Ausdehnung‘ – und mit ihr Verständigungsprobleme, immer größere Distanzen zu den Partnergemeinden und sogar teilweise Geldprobleme, da einige Partnergemeinden nicht alle Aktivitäten finanzieren konnten.“ So wurde „Douzelage“ laut Jean Schiltz zu einer Vereinigung „à plusieurs vitesses“. Der Austausch zwischen mehreren Partnern brach im Laufe der Zeit ab oder findet leider nur noch sporadisch statt. Regelmäßigen Kontakt pflegt Niederanven nur noch zu den Gemeinden der Beneluxländer. Hier findet einmal im Jahr ein Meeting statt. „Ob ein Austausch stattfindet und wie oft, hängt aber auch von den lokalen Vereinen und der Initiative von Privatleuten ab“, erörterte Schiltz.

Im Haushalt der Gemeinde sind 2018 insgesamt 5.000 Euro für Aktivitäten vorgesehen, die im Rahmen der „Jumelages“ organisiert werden.


Keine „Jumelages“

Einige Städte oder Kommunen sind Partner einer oder mehrerer Gemeinden im Ausland. Einige Ortschaften hierzulande verzichten aber auf eine „Jumelage“. Das prominenteste Beispiel hierfür ist sicherlich Luxemburg-Stadt. Diese ist aber Mitglied mehrerer internationaler Gruppierungen wie der „Union des capitales de l’Union européenne“ (seit 1961), der „Association internationale des maires francophones“ (1979 gegründet), der „Organisation des villes du patrimoine mondial“ (seit Dezember 1994, als Luxemburg „Patrimoine mondial“ wurde), QuattroPole (2000 ins Leben gerufen), des Klimabündnisses (seit 2000) und des „Réseau des villes fortifiées de la Grande Région“ (2007 gegründet).
Mit der tschechischen Hauptstadt Prag besteht eine historische Verbindung. Daher gab es zwischen 1968 und 1983 einen Kooperationsvertrag, der alle zwei Jahre erneuert wurde. Auch heutzutage besteht noch eine enge Verbindung zwischen beiden Städten, eine offizielle Partnerschaft hat es bisher jedoch noch nicht gegeben. Es werden aber regelmäßig gemeinsame Events organisiert (z.B. Ausstellungen, Konferenzen, Einweihungen von Plätzen, Straßen und Reliefs).
Von ihrer Mitgliedschaft in den internationalen Gruppierungen erwarten sich die Verantwortlichen in Luxemburg-Stadt einen Austausch mit den Entscheidungsträgern anderer Städte, eine größere Sichtbarkeit Luxemburgs sowie die Schaffung von Synergien.

roger wohlfart
14. August 2018 - 9.32

Diese Partnerschaft unter europäischen Gemeinden ist wichtig für die Völkerverständigung, fördert das zwischenmenschliche Miteinander und Verständnis , ist interessant für den kulturellen Austausch. Eine sehr begrüssenswerte Initiative! Leider sind nicht alle Gemeinden dafür offen oder dazu bereit. Da gibt es welche, die sich früher über ihre "Commune d'Europe" lustig gemacht haben und heute als verantwortlicher Bürgermeister, der in " seiner " Gemeinde Kultur ganz gross schreibt, sich nicht traut oder dazu imstande ist einen solchen Jumelage einzugehen.