Luxemburgs Cricket strebt nach mehr

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In Indien oder Pakistan der Nationalsport, steckt Cricket trotz seiner 40-jährigen Luxemburger Geschichte hierzulande noch immer in den Kinderschuhen. An diesem Wochenende steigt in Walferdingen das erste internationale Turnier, bei dem es für ein multikulturelles Team neben der Steigerung des Bekanntheitsgrades auch um die Anerkennung des ICC (des internationalen Cricketverbandes) geht.

Die Popularität der Randsportart hielt sich nämlich über 40 Jahre bei der einheimischen Bevölkerung – gelinde ausgedrückt – in Grenzen. Stattdessen prägte die Expansion großer ausländischer Unternehmer den Werdegang der Sportart: Paypal, ArcelorMittal oder bedeutende Experten im Finanzbereich gehören im übertragenen Sinne zu den Gründern der Luxemburger Cricketkultur. In den letzten zehn Jahren stampften die zugewanderten Businessleute nicht weniger als sechs Klubs aus dem Boden. Der erste Verein, der Walferdinger „Optimists Cricket Club“, wurde bereits 1976 von englischen „Expats“ gegründet, die in den Aufbau diverser EU-Institutionen involviert waren.

Noch ungewöhnlicher ist die Geschichte um den Kapitän der Nationalmannschaft, Tony Whiteman. Der gebürtige Neuseeländer lebt bereits seit den Neunzigern in Luxemburg. 1993 begab er sich auf eine schicksalshafte Reise: Auf Anfrage des Rugby Club Luxembourg packte er die Koffer, akzeptierte das dazugehörige Jobangebot und begann einen neuen Lebensabschnitt in Europa. Die Dinge nahmen ihren Lauf, denn Ehefrau und Kinder rundeten die erfolgreiche Auswanderung ab. Der ehemalige Rugby-Nationalspieler, der als Jugendlicher auch mit Cricket in Kontakt gekommen war (immerhin Volkssport Nummer zwei in Neuseeland), wechselte nach dem altersbedingten Rugby-Karriereende die Sportart und ist heute Mitglied der ersten Garde des „Heritage Cricket Club“.

Enorme Erwartungen

Schnell avancierte er auch dort und in der Nationalmannschaft zu einer Führungspersönlichkeit. Im Geländewagen trifft der mittlerweile 49-Jährige eine halbe Stunde vor Trainingsbeginn auf der einzigen Cricketanlage des Landes ein. Sein Blick wandert gleich zum Spielfeld. Ein Prunkstück in Europa, wie er erklärt. Der Kapitän wirkt ein wenig gestresst und entschuldigt sich prompt: Mit seinem Auto fährt er den „Wicket“ (die drei Stöcke, auf die gezielt wird) zum anderen Ende des Platzes. Bis zum ersten internationalen Cricketturnier in Luxemburg verbleibt wenig Zeit und die Erwartungen an das eigene Team sind enorm.

Während er über die Qualität des Platzes spricht, trainieren sieben Mannschaftskollegen im Hintergrund. Zwei mit Schutzkleidung im Käfig („Batsman“), alle anderen werfen die Baseball-ähnliche Kugel in Richtung „Wicket“. Davor steht der „Batsman“, dessen Rolle es ist, den Ball mit voller Wucht wegzuschleudern, damit das „Wicket“ ganz bleibt.
Es wird gelacht und gescherzt – auf Englisch. Die Besetzung des Nationalteams lässt sprachlich gesehen wenig Spielraum. Ihre Puzzleteile stammen aus Indien, den Niederlanden, England oder Neuseeland, doch auf dem Platz bildet diese Gruppe ein Team. „Man muss nicht zwingend im Besitz der Luxemburger Staatsangehörigkeit sein. Der internationale Cricketverband verlangt jedoch, dass man mindestens drei Jahre in dem Land gelebt hat, für das man antritt, oder dort geboren wurde“, erklärt Whiteman die Nominierungskriterien.

Besonders stolz ist der Verband auf seine „hausgemachten“ Nationalspieler: Jungs, die das Cricketspiel in Luxemburg erlernt und alle Jugendkategorien durchlaufen haben. Rund 60 Kinder trainieren jeden Sonntagmorgen im „Oval Pierre Werner“. Drei dieser Sportler schafften kürzlich den Sprung in den aktuellen Nationalkader. „In zwei Jahren dürfte die Hälfte der Nationalmannschaft aus Spielern bestehen, die hier in Luxemburg angefangen haben“, fährt der Kapitän fort.

Auch an einer Kooperation mit der Universität wird derzeit gebastelt – im September soll die erste Studentenauswahl im Ligabetrieb an den Start gehen.

Professionalisierung

Denn wie in allen Sportarten führt der Weg zum Erfolg über die Professionalisierung. Beim Cricketverband setzt man auf Jugendarbeit und sucht gezielt Kontakte im Ausland. Einer der Söhne von Manager Graham Cope spielt bereits in einem englischen Regionalteam. Noch werden die „Roten Löwen“ nicht in den offiziellen Weltranglisten geführt und auch nicht als eingetragenes Nationalteam vom ICC angesehen. „Es muss unser Ziel sein, in diesem Ranking geführt zu werden. Wir sind auf einem guten Weg und erfüllen bereits einige Kriterien. Normalerweise muss man über mehrere Spielfelder verfügen, aber daran sollte es nicht scheitern. Zudem muss man eine gewisse Anzahl an Spielern in den Reihen haben und sich für die Förderung der Jugend- und Damenmannschaften einsetzen“, so Whiteman weiter.

Ein kleiner Schritt in diese Richtung ist eben genau dieses Turnier, das ab Freitag stattfindet: Der nationale Verband hat auf eigene Faust zwei Teams eingeladen, die sich in ähnlichen Lagen befinden. „Ich wäre sehr enttäuscht, wenn wir diese Premiere nicht gewinnen würden“, gibt der „Senior“ im Team die Marschroute vor. „Die Tschechische Republik ist vom ICC anerkannt, dieses Team zu schlagen wäre also schon Mal ein klarer Wink. Der ICC hat zwar nicht die finanziellen Ressourcen, um uns bei der Organisation zu helfen, aber sie sind über dieses Turnier informiert.“

Immerhin. Doch die Schere zwischen einem indischen oder englischen Spitzenteam und der Amateur-Truppe ist enorm: „Es liegen Welten dazwischen. Das sind alles Profis“, bringt es Whiteman auf den Punkt. „Als würde Luxemburg im Fußball auf Frankreich treffen.“ Es ist nicht der einzige Vergleich, der etwas mit dem Sport Nummer eins hierzulande zu tun hat: „Im Cricket kann man sich als einzelner Spieler nicht verstecken. Im Fußball kann man kurz untertauchen, aber hier steht man permanent im Fokus. Das ist es, was den Reiz des Cricket ausmacht. Es ist eine Kombination aus dem eigenen Talent und Können sowie dem Mannschaftsgeist. Ein weiterer Vorteil ist, dass Cricket keine gefährliche Sportart ist.“
Whiteman muss unterbrechen: Ob man mit den roten oder rosa Bällen spielen wird, ist die Frage eines Mitspielers. Wahrscheinlich rosa, „die sieht man besser“. Er schnappt sich die Kugel und schmettert sie in Richtung „Wicket“. Und „over“ (Serie von sechs Würfen). Mit einem knappen „wir haben das Zeug, diese Gegner zu schlagen“, verabschiedet sich der erfahrene Werfer in die Abschlusstrainingseinheit.


„Viele beneiden uns“

Alle 25 nationalen Cricket-Ligaspiele (bei 6 Klubs) finden auf dem Walferdinger Spielfeld statt. Das gilt auch für die Begegnungen der zwei dominierenden Vereine (die Walferdinger „Optimists“ und „Heritage“), die zusätzlich in der belgischen Meisterschaft eingetragen sind und ihre Heimspiele hierzulande austragen. Und die Gäste aus dem Ausland verschlägt es gerne ins Zentrum Luxemburgs: „In ganz Europa beneidet man uns für diese Anlage. Die Gemeinde hat viel investiert, die Entwässerungsanlagen sind optimal und der Rasen ist deshalb auch immer, wie er sein sollte. In Belgien ist es dagegen manchmal sehr gefährlich …“, erklärte Luxemburgs Kapitän Tony Whiteman mit einem Schmunzeln. Über die Wintermonate wird übrigens Hallencricket ausgetragen. Bei den beiden letzten Ausgaben sicherte sich „Heritage“ den Titel.


Die Luxemburger Nationalmannschaft: Graham Cope (Teammanager), Tony Whiteman (Kapitän, Heritage), Richard Neale (Vizekapitän, Optimists), Tim Barker (Communities), Atif Kamal (Optimists), Vikram Vijh (Heritage), James Barker (Communities), Reinhardt Heyns (Optimists), Girish Venkateswaran (Warriors), Mohit Dixit (Optimists), Suhail Sadiq (Heritage), Pankaj Malav (Optimists), Aanand Pandey (Heritage), Ben Embleton (Optimists), Joost Mees (Optimists)