Froome-Freispruch: „Eine Bankrotterklärung“

Froome-Freispruch: „Eine Bankrotterklärung“

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Nach knapp zehn Monaten ist die Affäre um die auffällige Dopingprobe von Chris Froome beendet. Der Weltradsportverband hat den amtierenden Tour-Sieger freigesprochen. Für den deutschen Anti-Doping-Experten Fritz Sörgel ist es die „Bankrotterklärung der Welt-Anti-Doping-Agentur“.

Willy Voet ist gerade auf dem Weg nach Calais, von wo er die Fähre nach Großbritannien nehmen will. Es ist der 8. Juli 1998, in drei Tagen soll in Dublin der Start der Tour de France erfolgen. Auf der D78 in Neuville-en-Ferrain, nahe der belgisch-französischen Grenze, wird der Wagen von Voet vom Zoll angehalten. Der Belgier ist Betreuer des Festina-Teams. In seinem Auto werden 400 Ampullen EPO und Anabolika sichergestellt.

Damit löste er vor fast genau 20 Jahren den bis dahin größten Dopingskandal der Geschichte aus. Nach der Festina-Affäre wurde so einiges ins Rollen gebracht. Eine direkte Folge: die Gründung der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA). Ein Meilenstein im Kampf gegen das Doping. Nun, 20 Jahre später, steht die WADA unmittelbar vor der Tour de France im Fokus. Auf ihre Einschätzungen stützt sich der Weltradsportverband nämlich bei seinem Freispruch von Chris Froome.

Beim vierfachen Tour-Sieger wurde am 7. September, im Anschluss an die 18. Etappe der Vuelta, ein erhöhter Wert des Asthmamittels Salbutamol festgestellt. Dieser lag bei 2.000 Nanogramm pro Milliliter Urin. Erlaubt sind 1.000 Nanogramm.

Es folgte ein langer Rechtsstreit, den der Weltradsportverband UCI am Montag mit dem Freispruch des Briten beendete. Zufällig einen Tag, nachdem der Organisator der Tour de France, die Amaury Sport Organisation, erklärt hatte, Froome nicht bei der „Grande Boucle“ starten zu lassen. Es hätten eine Reihe von „spezifischen Faktoren“ gegeben, die den erhöhten Wert erklären würden, so die Argumentation der WADA, auf deren Einschätzung sich die UCI beruft. Dehydratation, Müdigkeit und eine Infektion, wegen welcher der diesjährige Giro-Sieger noch andere Medikamente benutzte, hätten zu diesem hohen Wert geführt.

Eine Erklärung, die der deutsche Pharmakologe und renommierte Anti-Doping-Experte Prof. Dr. Fritz Sörgel im Gespräch mit dem Tageblatt so nicht gelten lassen will. „Immer wieder wird bei auffälligen oder positiven Dopingproben auf Infektionen hingewiesen. Wenn er wirklich an einer so schlimmen Infektion gelitten hat, wie kann er dann noch mit den besten Radprofis den Berg hochfahren? Und wenn sein Asthma durch die Infektion verstärkt wurde, dann hätte er ja nur ein Attest vom Arzt benötigt, die eine stärkere Medikation gerechtfertigt hätte.“ Im Anschluss an die 18. Etappe, in der Froome übrigens noch versuchte, zu attackieren und seine Konkurrenten loszuwerden, erklärte der Brite zudem, dass er sich wesentlich besser gefühlt habe als die Tage zuvor.

Ein weiterer Tiefpunkt

Während Froome seinen Freispruch am Montag als „großen Moment für den Radsport“ beschrieb, sieht Sörgel darin einen weiteren „Tiefpunkt“. Der Anti-Doping-Experte vermisst vor allem eine detaillierte Begründung vonseiten der Welt-Anti-Doping-Agentur.
Wie die Times bereits im Mai berichtete, würde sich das Verteidigerteam von Froome vor allem auf eine rezente Studie basieren. Diese soll belegen, dass das Nachweisverfahren für Salbutamol ungenau ist. Laut der Studie der Human Drug Research im niederländischen Leiden sind in 14,5 Prozent der untersuchten Fälle meist höhere Werte im Urin gemessen worden und das, obwohl lediglich die von der WADA erlaubten 1.000 Nanogramm verabreicht worden sind.

Allerdings wurde die Studie an Hunden durchgeführt und anschließend auf den Menschen umgerechnet. „In so einer sensiblen Materie die Entlastung aufgrund eines Modells zu verwenden, das vom Hund stammt, das ist schon mutig“, so die Einschätzung des Pharmakologen. Aber Sörgel geht noch weiter. „Simulationen sind wie Wettervorhersagen, manchmal stimmen sie, meistens liegen sie aber zu weit daneben. Eine einzige Modellrechnung, ohne Kontrollrechnung von weiteren Experten, das ist unglaublich.“
Sörgel wirft den Wissenschaftlern vor, dass sie zu sehr in ihre eigenen Daten verliebt seien. Der Leiter der Studie war übrigens Jules Heuberger, ein Doktorand, der vor einem Jahr eine Arbeit publizierte, die belegen sollte, dass EPO keine signifikante Leistungssteigerung bewirke.

Auch wenn die oberste Dopingbehörde Froome nun recht gegeben hat, erklärte der wissenschaftliche Direktor der Welt-Anti-Doping-Agentur, Olivier Rabin, gegenüber der französischen Sportzeitung L’Equipe, dass der Grenzwert von 1.000 Nanogramm pro Milliliter Urin nicht in Frage gestellt werde, da man jeden Fall einzeln begutachten müsse. Sörgel sieht das etwas anders: „Wenn die WADA nicht in der Lage ist, eine Modellrechnung ohne reale Daten vom Menschen mit einzubeziehen, dann soll sie zumachen. Es kann doch wohl nicht sein, dass man einen Grenzwert ausgesucht hat, der nicht mal einer Modellrechnung standhält! Das ist eine Bankrotterklärung.“

Der Leiter des Instituts für biomedizinische und pharmazeutische Forschung in Nürnberg wirft zudem die Frage auf, wieso die WADA nicht in der Lage war, aufgrund der zahlreichen Tests auf Salbutamol nachzuweisen, dass Froome nicht auf „natürliche Weise“ zu diesem Wert kam. In der Vergangenheit wurden unter anderem die beiden Radprofis Alessandro Petacchi und Diego Ulissi aufgrund eines erhöhten Salbutamol-Wertes gesperrt. Dabei lag der Wert bei den beiden Italienern jeweils deutlich unter dem von Chris Froome.
Die Vorgehensweise sei sinnbildlich für die oberste Anti-Doping-Behörde. Die WADA greife nicht auf externe Experten zurück, die den Fall leicht ins rechte Licht gerückt hätten. „Auf der Welt gibt es derzeit mindestens 1.000 hoch kompetente Kollegen, die so etwas nach allen Regeln der Kunst zerpflückt hätten.“

So aber wirke das Ganze wie ein abgekartetes Spiel. „Die Tour droht – die UCI liefert mit Hilfe der WADA.“ Für Sörgel katapultiert der Freispruch von Froome den Radsport wieder zurück in die Nuller-Jahre um Lance Armstrong und Jan Ullrich, die Generation, die nach dem Festina-Skandal für einen sauberen Radsport stehen sollte.


Die Zehn-Millionen-Euro-Verteidigung

Chris Froome und sein Team Sky scheuten keine Kosten und Mühen für einen Freispruch. Die Verteidigung des britischen Radstars soll Medienberichten zufolge zehn Millionen Euro gekostet haben. Vertreten wurde Froome von Staranwalt Mike Morgan, der 2017 zum Sportanwalt des Jahres ausgezeichnet wurde.

Er hatte unter anderem den spanischen Radprofi Alberto Contador und den ehemaligen Teammanager von Lance Armstrong, Johan Bruyneel, verteidigt.
In beiden Fällen konnte er eine Sperre nicht abwenden. Dafür verteidigte er die Teamkollegin von Christine Majerus, Lizzie Deignan, erfolgreich. Sie hatte drei Dopingtests verpasst und hätte daraufhin eigentlich gesperrt werden müssen. Mit der Hilfe von Morgan entging sie einer Sperre und durfte an den Olympischen Spielen in Rio teilnehmen. Auch Tennisspielerin Maria Scharapowa und Fußballprofi Mamadou Sakoh griffen auf die Dienste von Morgan zurück.

Das Froome-Lager spielte erst einmal auf Zeit und stellte ein 1.500-seitiges Dossier zusammen. Die beiden Radprofis Diego Ulissi und Alessandro Petacchi, die genau wie Froome bei einer Dopingkontrolle einen zu hohen Salbutamolwert aufwiesen, plädierten ebenfalls darauf, dass spezifische Faktoren für die hohe Konzentration verantwortlich gewesen seien. Beide wurden allerdings gesperrt – und das, obwohl ihr Wert wesentlich niedriger war als der von Froome. „Sportler müssen gleichbehandelt werden, ansonsten ist das Anti-Doping-System sinnlos“, meint Professor Fritz Sörgel dazu. Petacchi sieht im Froome-Urteil eine späte Genugtuung.

Bei der am Samstag startenden Tour de France könnte Chris Froome seinen fünften Gesamtsieg holen und würde somit in den erlesenen Kreis der Rekordsieger um Jacques Anquetil, Eddy Merckx, Bernard Hinault und Miguel Indurain aufsteigen.

roger wohlfart
4. Juli 2018 - 17.54

Klar, dass Froome freigesprochen wurde. Er hat schliesslich den diesjährigen Giro gewonnen und ist Verteidiger des gelben Trikots der kommenden TdF. Jeder weiss, was da gespielt wird. Es hätte zu einem Eklat geführt wenn die Verantwortlichen der Frankreichrundfahrt den Briten nicht hätten starten lassen. Froome ist als Asthmatiker für den Hochleistungssport nicht geeignet. Aber es scheint zweierlei Sorten von Asthmatikern zu geben. Das ganze ist eine Farce, ein Skandal!

Jacques Zeyen
4. Juli 2018 - 14.53

Ohne ihren Text fertig zu lesen: Das war gewusst. Man nimmt keinen Tour-Sieger oder ein Gelbes Trikot aus dem Rennen.Dafür steht zuviel Geld auf dem Spiel. Die WADA soll einfach einpacken und die Sportler machen lassen was sie wollen.Jeder ist seines Glückes Schmied. Armstrong hat uns gezeigt was möglich ist und die WADA hat uns gezeigt was nicht möglich ist. Entweder sie haben einen Test der an Ort und Stelle den Täter überführt oder sie haben keinen Test. Aber nicht Überführung nach zwei Jahren nach Öffnen eines B-Tests. Das ist Verarschung und Verschleierung und wie oben erwähnt,eine Bankrotterklärung. Die Organisatoren der Tour können Froome sofort in Paris auf's Treppchen stellen,das erspart viel Mühe und die Zeit der Zuschauer.Die Tour ist dann so spannend wie die deutsche Fußballmeisterschaft: Bayern und fertig.

Josy Miersch Junior
4. Juli 2018 - 14.05

In der entscheidenden Bergankunft der letzten Vuelta hatten die anderen Fahrer keine Chance gegen den Asthmatiker der es mit Sulbutamol übertrieben hatte, das ist Fakt ! Man könnte auch als Witz behaupten, FROOME hätte mit sehr viel Geld das Verfahren gegen die "Gedopten" von der WADA und UCI fallen lassen ! Chris FROOME wird sicherlich ein Schutzengel brauchen um die bervorstehende TdF zu fahren ! So dumm sind die Radsportanhänger und Leute wirklich und definitif nicht !