Nur einer wird überleben – und tanzen: Warum das Videospiel Fortnite viele begeistert und manche ängstigt

Nur einer wird überleben – und tanzen: Warum das Videospiel Fortnite viele begeistert und manche ängstigt

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Nach Pokémon Go und Minecraft hat ein neues Spiel zahlreiche Kinder und Jugendliche in seinen Bann gezogen: das Koop-Survival-Game Fortnite, das mit populären „Extras“ aufwartet, ist nicht ganz unumstritten. Erklärungen.

Ein neuer Hype hat die Welt erobert. Nach der Pokémon-Jagd ziehen Kinder und Jugendliche jetzt in den Krieg. Fortnite heißt der neue Spaß, der in den Augen von vielen Eltern gar keiner ist. „Ich verstehe gar nicht, um was es in diesem Spiel geht. Es wird geschossen, getanzt, gebaut …“, sagt Lydia (37). Ihr Sohn Marcel (10) sitzt neben ihr und spielt auf seinem Handy – natürlich Fortnite. Das Spiel ist omnipräsent. Bekannte Fußballstars feiern ihre Tore mit einem Fortnite-Tänzchen, auf den Schulhöfen, in den Vereinen und in den Kinderzimmern ist es das Gesprächsthema Nummer eins. Einige „Gamer“ verdienen mit dem Spiel sogar viel Geld.

Fortnite ist das, was man gemeinhin als Ballerspiel bezeichnet. Es umfasst zwei Spielvarianten: eine kostenpflichtige, bei der man eine Festung bauen muss, um menschliche Überlebende vor Zombies zu schützen, und eine kostenlose namens „Fortnite Battle Royale“, in der frei gespielt wird. Letztere ist wesentlich beliebter. Fortnite ist aber auch ein sogenanntes Koop-Game, das man in einer Gruppe von bis zu vier Personen spielen kann. Mehrere Spieler haben die Möglichkeit, sich via Headset miteinander zu unterhalten und ihre Strategie abzustimmen.

Für viele Eltern taucht hier schon das erste Problem auf. So kommt es nicht selten vor, dass Spieler im „Ingame Chat“ unangenehme Erfahrungen machen müssen. In Chats und Foren wird berichtet, dass Kinder und Jugendliche hier beschimpft, gemobbt oder gar zu sexuellen Handlungen aufgefordert wurden.

„Wenn Marcel (11) da sitzt und sein Headset trägt, wenn er spielt, weiß ich, dass er chattet, höre aber nicht, was gesagt wird. Das finde ich schon besorgniserregend, weil man nie weiß, wer sich am anderen Ende befindet“, ärgert sich Martine (33). Fortnite ist ab zwölf Jahren freigegeben. Um mitzuspielen, muss man einen Account bei Epic Games anlegen und seine E-Mail-Adresse angeben. Es wird jedoch nicht gefragt, wie alt man ist, warnt die Luxemburger Initiative für Netzsicherheit Bee Secure. Das erschwere die Kontrolle.

Der Reiz des Spiels

Aber was macht eigentlich den Reiz dieses Spiels aus? Der Erfolg von „Fortnite Battle Royale“ ergibt sich laut Experten zum Teil aus der Spielidee. Auch wenn es sich um ein sog. „Shooter-Game“ handelt, werden keine großen Gewaltszenen gezeigt. Zudem soll es laut Spielern unter anderem wegen der Tanzeinlagen, die so gar nicht zum Image eines skrupellosen Killers passen, lustig sein.

Die Fortnite-Jubeltänze, die zum Teil aus Filmen, Videos und Fernsehserien stammen, werden „Emotes“ genannt. Da sie recht einfach nachgetanzt werden können, verzücken sie die Massen. Tänze wie „Take the Loser“, „Floss“, „Flapper“, „Dip“ oder „Zany“ werden mittlerweile so ziemlich überall performt. „Das kann schon mal nerven. Viele Schüler wissen nämlich inzwischen nicht mehr, wann sie spielen und wann sie sich auf den Lernstoff konzentrieren sollen“, moniert ein Grundschullehrer. Erst vor kurzem sei ein Schüler während der Schulstunde aufgestanden und habe „geflosst“.

Die Tatsache, dass viele Grundfunktionen gratis sind, trägt auch zum Erfolg bei, so ein IT-Experte. Das Spiel sei einfach zu erlernen – vorausgesetzt man übt ein wenig. Zudem wird es durch Upgrades und zusätzliche Downloads nie langweilig. Schließlich kann es auf PC, Tablet und Smartphone gespielt werden. Das erhöht das Suchtpotenzial.

Aber nicht alle Eltern sind skeptisch. Michel (41) z.B. hat kein Problem mit Fortnite. Sein elfjähriger Sohn habe leidenschaftlich gerne Minecraft gespielt. Dann aber sei es ihm zu langweilig geworden. Jetzt spiele er Fortnite. „Darin wird auch gebaut. Man muss überlegen, welche Taktik man anwendet, wenn man überleben will. Und die Gewaltszenen sind ’soft‘. So fördert das Spiel die intellektuellen Fähigkeiten“, erklärt er.

Vorsicht ist geboten

Psychologen warnen aber vor dem Spiel. Zum einen könnten die realistischen Darstellungen der Waffen und das „Geballere“ vor allem junge Spieler überfordern. Zum anderen birgt Fortnite – wie andere Spiele auch – Suchtpotenzial. Auch vor der Möglichkeit der In-App-Käufe wird gewarnt. Mit einer virtuellen Währung, den „V-Bucks“, können Outfits, neue Siegestänze oder ein Zugang zu wöchentlichen Herausforderungen gekauft werden. So soll es schon mal vorgekommen sein, dass Jugendliche erhebliche Summen in das Spiel investiert haben, und das sehr zum Unmut der Eltern.

Psychologen und Pädagogen raten den Eltern nichtsdestotrotz davon ab, ihrem Nachwuchs das Spiel zu verbieten. Das sei kontraproduktiv, weil es eine Trotzreaktion hervorrufen könne. Durch den Hype sei es zudem sowieso quasi unmöglich, seine Kinder davon abzuhalten, Fortnite zu spielen. Diese können nämlich dann auch einfach bei Freunden oder unbemerkt auf dem Handy spielen. Oder eine weitere Alternative: Sie können sich auch einfach „Let’s Plays“ von anderen Spielern ansehen.

Es bringe im Augenblick auch nichts, sich dem Spiel zu entziehen, erklärt Mehdi (14), ein weiterer Fortnite-Fan. Wolle man in sein, dann müsse man mindestens wissen, worum es bei Fortnite geht, und die Grundlagen kennen.

Seit der Veröffentlichung des Spiels ist ein gewisser Gruppenzwang entstanden. Weiß man in der Schule nicht, was Fortnite ist, dann kann man schnell in die Rolle des Außenseiters schlüpfen – mit allen Konsequenzen wie z.B. Isolation, Mobbing usw. Laut dem Entwickler des Spiels, Epic Games, zählt Fortnite mittlerweile schon über 140 Millionen Downloads und 130 Millionen Spieler weltweit. Vor kurzem wurde sogar ein Rekord gemeldet: Zwei Millionen Spieler haben zur selben Zeit gespielt.

Einige Ratschläge

Erwachsenen raten Experten sogar, mitzuspielen und mit dem Nachwuchs über das Spiel zu reden. „Dann versteht man die Motivation des Kindes und das Spiel im Allgemeinen und kann besser vor den Gefahren warnen.“ Bee Secure haut in dieselbe Kerbe, rät aber zusätzlich auch dazu, Übergriffe von Spielern, die sich unangemessen verhalten, sofort zu melden. Im Spielmenü gebe es hierfür die Möglichkeit. Außerdem sei es immer ratsam, besonders Kindern ein Zeitlimit zu setzen und die Prioritäten klar zu definieren – nach dem Motto: zuerst die Arbeit sprich die Hausaufgaben, dann das Vergnügen.

Bei Fortnite gibt es ein weiteres Phänomen, das bei anderen Spielen nicht so ausgeprägt ist: der Voyeurismus. So verbringen Kinder und Jugendliche inzwischen Stunden vor dem PC oder dem Fernseher und schauen anderen Spielern zu. Auch tauchen z.B. auf Youtube immer mehr Videos auf, in denen ganze Familien bei „Fortnite Dance Challenges“ usw. mitmachen. „Es interessiert mich, wie die anderen Spieler überleben“, erklärt Sven (9) diesbezüglich. Und die Tanzmoves, die man durch die Videos lernt, kämen in der Schule oder im Verein auch immer gut an.

Fortnite wird die Welt auf jeden Fall noch einige Zeit in Atem halten, auch wenn die anfängliche Begeisterung nach einiger Zeit etwas abebben wird. Das war auch bei anderen Spielen wie Pokémon Go oder Minecraft der Fall. Diese Spiele sind aber deswegen noch lange nicht tot.


Was ist Fortnite?

Das Prinzip des Spiels ist recht einfach. Auf einem sich stetig verkleinernden Spielfeld werden 100 Spieler abgesetzt. Sie müssen sich bekämpfen, bis es nur einen Überlebenden gibt. Jeder Spieler entscheidet dabei selbst, wo er abspringt.

Waffen, Fallen, Heiltränke usw. finden sie in Häusern und Truhen, die überall verteilt sind. Sie können auch etwas wie Rampen, Verstecke, Bunker, Brücken, Festungen usw. bauen. Hierfür müssen sie mit Axt, Spitzhacke oder Hammer auf Bäume und Felsen einschlagen, um Baumaterialien zu erhalten. Die Spieler müssen hierbei allerdings stets auf der Hut sein, denn hinter jeder Wand und jedem Baum oder auch in jedem Graben können stark bewaffnete Mitspieler lauern. Auch wenn es viele Tote gibt, Blut fließt in dem Spiel nicht: Niedergeschossene Gegner leuchten kurz auf, dann verschwinden sie einfach in einem blauen Lichtkegel. Eine Partie dauert in der Regel maximal 30 Minuten.