„Es ist immer ein Risiko“ – Wie ein Luxemburger ein neues Radrennen zum Erfolg führen will

„Es ist immer ein Risiko“ – Wie ein Luxemburger ein neues Radrennen zum Erfolg führen will
Einen Zielsprint wie bei der Tour de France in diesem Jahr könnte es am Freitag auch in Trier geben. Foto: Jeff Lahr

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Der Luxemburger Claude Rach arbeitet bei der Amaury Sport Organisation. Er ist eine Art Zukunftsplaner, der neue Märkte erschließen soll. Am Donnerstag startet sein neuestes Projekt, die Deutschland-Tour. Hier geht es nicht um einen neuen Markt, sondern darum, einen alten Markt zurückzugewinnen.

Es sind derzeit stressige Tage für Claude Rach. Am Donnerstag beginnt, nach zehnjähriger Pause, die Deutschland-Tour. Der Luxemburger arbeitet als stellvertretender Direktor der Abteilung „Stratégies et développement“ bei der Amaury Sport Organisation (ASO), dem Ausrichter des größten Radrennens der Welt, der Tour de France, und nun auch der Deutschland-Tour, für die Rach als Geschäftsführer verantwortlich ist.

Radsport im Aufschwung

Der Radsport befindet sich auf der anderen Seite der Mosel momentan im Aufschwung. Nachdem sich die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten nach zahlreichen Dopingskandalen im Profi-Radsport zurückgezogen hatten, war die ARD vor zwei Jahren wieder in die Übertragung der Tour de France eingestiegen.

Claude Rach

„Und nun, bei der Deutschland-Tour, wird das ZDF die Etappe am Samstag übertragen“, freut sich Rach, für den die Rundfahrt durch Deutschland nicht das erste Rennen ist, das er ins Leben ruft. Er hat auch das Arctic Race of Norway, ein Etappenrennen um den Polarkreis, aus der Taufe gehoben und war bereits an Projekten in der ganzen Welt beteiligt. Zu seinen Hauptaufgaben zählt es, neue Märkte für seinen Arbeitgeber zu erschließen. Rach ist sozusagen der „Zukunftsplaner“ der ASO, wie das Tageblatt den Luxemburger bereits im vergangenen Jahr betitelte.

Einfaches Profi-Rennen reicht nicht aus

Die Deutschland-Tour soll zwar keinen neuen Markt erschließen, dafür aber einen verlorenen zurückholen. Die Radrennen in den unterschiedlichsten Ländern sollen vor allem einen Zweck erfüllen: das Interesse an der Tour de France, der Vorzeigeveranstaltung der ASO, zu fördern. Und da gibt es im bevölkerungsreichsten Land der EU noch großes Potenzial. „Der Grand Départ vergangenes Jahr in Düsseldorf war trotz miserablem Wetter ein großer Erfolg. Es kamen richtig viele Zuschauer an die Strecke“, blickt Rach zurück. Er weiß auch, dass das noch lange keine Garantie dafür ist, dass die Fans auch an die Strecke der Deutschland-Tour strömen werden. „Bei einem neuen Radrennen weiß man das nie im Voraus. Bei einem Fußballspiel sieht man bereits am Vorverkauf, ob das Stadion gut gefüllt sein wird oder nicht. Im Radsport ist das halt anders.“

Etappenplan

Morgen, 1. Etappe
Koblenz – Bonn (157 km)
Freitag, 2. Etappe
Bonn – Trier (196 km)
Samstag, 3. Etappe
Trier – Merzig (177 km)
Sonntag, 4. Etappe
Lorsch – Stuttgart (207,5 km)
Gesamtlänge
737,5 km
Weitere Infos
www.deutschland-tour.com

Und so ist es verständlich, dass der gebürtige Escher immer wieder nervös ist, bevor ein neues Rennen startet. „Mit jedem neuen Event geht man ein Risiko ein.“ Die Deutschland-Tour wurde deshalb bereits lange im Vorfeld geplant. „Vor drei, vier Jahren haben wir damit begonnen, uns Gedanken über eine neue Rundfahrt in Deutschland zu machen“, sagt Rach. Nicht zuletzt hat die neue Generation der deutschen Profis um Marcel Kittel, John Degenkolb und Tony Martin den Weg geebnet.

Wenn man heutzutage Erfolg haben will, reicht ein einfaches Profi-Rennen nicht mehr aus. „Immer mehr Leute nutzen das Fahrrad als Fortbewegungsmittel. Auch in deutschen Städten ist dieser Trend zu erkennen. Zwar sind diese Leute nicht unbedingt am Profiradsport interessiert, dennoch besteht die Chance, dass wir sie durch ihr Interesse fürs Fahrradfahren für uns gewinnen können.“ So wundert es nicht, dass das Rahmenprogramm der Deutschland-Tour recht abwechslungsreich ist. Bei der ASO begnügt man sich nicht mit einem einfachen Jedermannrennen. In Koblenz, Bonn, Trier und Stuttgart werden im Rahmen des Profirennens auch Fahrradtouren durch die Stadt organisiert. Um teilnehmen zu können, braucht man nicht einmal ein Rennrad, sämtliche Fahrräder sind zugelassen. „Als Rennorganisator ist es unsere Pflicht, das Fahrrad auch als Fortbewegungsmittel zu fördern.“

Keine Eintagsfliege

Die Deutschland-Tour soll keine Eintagsfliege bleiben. Die ASO hat sich die Rechte an der Rundfahrt für die kommenden zehn Jahre gesichert. „Spätestens am Sonntag, nach der letzten Etappe, werden wir schon jede Menge Ideen für die kommende Ausgabe gesammelt haben“, ist sich Rach sicher.

Momentan wird die Rundfahrt von der UCI in der Klasse 2.1 geführt, doch auch das könnte sich schnell ändern. Ganze elf WorldTour-Mannschaften gehen an den Start, darunter Sky mit Tour-de-France-Sieger Geraint Thomas und Sunweb mit Tom Dumoulin, Zweiter bei der „Grande boucle“. Bei der höher eingestuften Tour de Luxembourg, zum Vergleich, war dieses Jahr keine WorldTour-Mannschaft am Start. „Wir erhoffen uns Einschaltquoten in Deutschland von rund zehn Prozent. Das wäre ein großer Erfolg.“ Damit hätten Rach und die ASO den deutschen Markt definitiv zurückerobert, was sich auch positiv auf die Tour de France auswirken würde.


Zur Person

Claude Rach im Gespräch mit dem großherzoglichen Ehepaar während der Tour-Etappe in Mondorf

Claude Rach arbeitet als stellvertretender Direktor der Abteilung „Stratégies et développement“ bei der Amaury Sport Organisation (ASO). Der 31-jährige Escher hat seine Studien in Lausanne begonnen und dort seinen Bachelor gemacht, bevor er in London und auf der HEC in Paris noch Masterstudiengänge im Management-Bereich dranhängte. Der Kontakt zu seinem aktuellen Arbeitgeber ASO kam auf einer Jobmesse zustande. Rach absolvierte erst ein Praktikum und wurde später als Projektmanager angestellt. Dabei suchte er nicht einmal unbedingt nach einer Arbeit im Sportbereich, wenngleich der Sport immer eine Leidenschaft von ihm war. So spielte er unter anderem Volleyball in Esch.


Tour-Sieger Thomas übernachtet in Luxemburg

Die Deutschland-Tour wird zum großen Teil in der nahen Grenzregion ausgetragen und im Anschluss an die zweite Etappe, die am Freitag in Trier ankommt, werden viele Teams in Luxemburg übernachten. Der Sky-Rennstall mit Tour-de-France-Sieger Geraint Thomas wird genauso wie BMC im Hotel Sofitel auf Kirchberg übernachten. Bahrain-Merida, Leopard, Lotto-Soudal und das Team Sauerland haben sich das Novotel ausgesucht, Ag2r – La Mondiale und Lotto Kern-Haus schlafen im NH Luxemburg, während sich Quick-Step Floors, Bora-Hansgrohe, Israel Cycling Academy und Dimension Data das Alvisse Park Hotel als Quartier ausgesucht haben.

roger wohlfart
25. August 2018 - 9.51

Der Radsport ist ein wunderbarer Sport, der viele Menschen begeistert und Menschenmassen anzieht. Die Tour de France ist das jährliche Sportevent schlechthin, wenn nicht gerade auch Olympische Spiele, Europa- oder Weltmeisterschaften gleichzeitig stattfinden. Die Renaissance der Deutschland-Tour ist sehr begrüssenswert und füllt im Profiradsport eine Lücke aus. Allerdings hat der Radsport, durch die immer wiederkehrenden Dopingfälle, an Glaubwürdigkeit verloren und z.T. auch an Interesse eingebüsst. Die Zuschauer sind misstrauisch geworden, denn es besteht ein permanenter Zweifel an der Art und Weise wie ein Sieg zustande kommt. Das ist schade, ist einerseits berechtigt und verständlich, andererseits aber auch ungerecht, weil man nicht alle Fahrer über denselben Kamm scheren soll. Man kann Claude Rach mit seinem neuen Projekt nur viel Erfolg und Genugtuung wünschen.