„Family Offices“ für den Finanzplatz

„Family Offices“  für den Finanzplatz
(Tageblatt-Archiv)

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Der Finanzplatz ist auf der Suche nach neuen Geschäftsmodellen, um für das Wachstum der Zukunft zu sorgen. Eine Möglichkeit mit großem Potenzial sind die sogenannten „Family Offices.“

Von ihrem Ausbau würde der gesamte Standort profitieren, ist man beim Beratungsunternehmen Deloitte in Luxemburg überzeugt. Doch was ist eigentlich ein „Family Office“ (FO)? Die Definition ist sowohl klar als auch verschwommen. Es handelt sich um „die Erfüllung aller Bedürfnisse und Erwartungen der betroffenen Familien“, so Pascal Rapallino, seit acht Monaten Tax Partner bei Deloitte. Er leitet mit Ruth Bültmann, Consulting Partner, den Bereich FO Services.

Ruth Bültmann (Bild: Tageblatt/Alain Rischard)

In anderen Worten: Ein FO ist ein Dienstleister für wohlhabende Familien. Er verwaltet das gesamte Vermögen der Familie. Dazu zählen Aufgaben in den Bereichen Steuer, Beratung und Kontrolle.

Doch, die FO kümmern sich nicht einfach nur um Finanzen, der Aufgabenbereich ist viel breiter. „Es geht nicht nur darum, den höchst möglichen Gewinn zu erwirtschaften“, so Ruth Bültmann. Die FO können die Familien auch bei der Ausbildungswahl der Kinder beraten, oder ihnen bei Philanthropie-Projekten zur Seite stehen. Daneben können die FO sich ebenfalls um den Unterhalt von Wohnungen und Feriendomizilen kümmern. Ruth Bültmann vergleicht die Rolle eines FO mit der Rolle eines Orchesterchefs, der aus einer Hand die Koordination übernimmt.

Bisher gibt es weltweit noch kein Land – abgesehen von einem Versuch in den USA – das „Family Offices“ per Gesetz reguliert hat.

Dienstleister für wohlhabende Familien

Die Luxemburger Regierung sei jedoch dabei, ein Gesetzesprojekt auszuarbeiten, so Pascal Rapallino, und hofft, dass das Parlament bis zum Sommer diesen Jahres darüber abstimmt. Der Finanzplatz dürfe dann davon profitieren, dass Luxemburg das erste Land wäre, in dem die Branche geregelt ist, ist er überzeugt.

Diese Meinung wird aber nicht von jedem geteilt. Es gibt in Luxemburg zwei verschiedene Vereinigungen, die im Namen der Branche sprechen wollen. Die eine Vereinigung wünscht sich eine spezifische Regulierung, während die andere sich gegen „mehr“ Regulierung wehrt.

Das vorliegende Gesetzesprojekt sieht vor, dass Unternehmen, die sich FO nennen sich auch als solches registrieren sollen. Zudem stellt es Regeln auf, die eingehalten werden müssen, um diesen Status zu erhalten. Anwälte, Vermögensverwalter oder Banker können bereits FO Services erbringen, da sie einer anderen Zulassung unterliegen. Die FO-Tätigkeiten sind für sie häufig nur akzessorisch. Neue Family Offices, die für mehrere Familien tätig werden, müssten dann zukünftig einen eigenen neuen PSF (regulierte Gewerbetreibender des Finanzsektors) gründen.

Die Deutsche Ruth Bültmann und der Franzose Pascal Rapallino sehen viel Potenzial für Luxemburg in der neuen Branche. „Die Gewinnmargen auf den klassischen Bank-Aktivitäten gehen zurück. Einige Kunden verlassen den Platz. Der Finanzplatz muss neue, zusätzliche Dienstleistungen anbieten“, so Rapallino. Es handle sich um „strategische Überlegungen für die Zukunft“, so Bültmann. „Wir müssen die Kunden überzeugen, hierzubleiben, indem wir ihnen mehr bieten.“
Dennoch ist klar: Nicht jeder Mensch kann Kunde bei einem FO werden. Pascal Rapallino ist überzeugt, dass der Kunde über mindestens fünf bis zehn Millionen Euro verfügen müsse, sonst werde es schwierig, solche persönlichen Leistungen anzubieten.

Gesetzesprojekt ist unterwegs

Dass die Luxemburger Regierung an einem Gesetz arbeitet, finden beide Fachexperten gut. „Dabei geht es auch um das Marketing des Finanzplatzes“, so Bültmann. Das Gesetzesprojekt sieht Regeln für die Berichterstattung und die interne Kontrolle vor. Das Gesetz erfüllt eine Schutzfunktion „und liegt damit im europaweiten Trend, mehr zu regulieren“, unterstreicht Bültmann.
Wie viele FO es derzeit in Luxemburg gibt, sei schwierig zu sagen, so Rapallino. Deloitte schätzt die Anzahl der Firmen auf etwa 50. Sie haben im Schnitt fünf bis zehn Mitarbeiter. Die Mehrheit dieser Firmen betreuen mehrere Familien gleichzeitig. Die anderen FO, die sich nur um eine einzige Familie kümmern, werden auch nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes unreglementiert bleiben.

Und Luxemburg sei sehr gut positioniert, um sich in dieser Branche durchzusetzen, sind die beiden Experten überzeugt. Theoretische Konkurrenten Luxemburgs könnten Belgien, Großbritannien, die Schweiz oder Singapur sein. Doch, „was die Möglichkeit von Vermögens-Strukturierungen angeht, da gibt es in Europa keine Konkurrenz für Luxemburg“, so Rapallino. Luxemburg liegt in Europa, alle Dienstleister sind hier und das Land hat viele internationale Abkommen unterzeichnet. Nun müsse Luxemburg das nur noch ordentlich vermarkten. „Luxemburg muss der Welt mitteilen, was hier möglich ist.“

Ein weiterer Aspekt, mit dem sich FO auseinandersetzen, ist der „bestmögliche“ Wohnort der wohlhabenden Familien. „Die Familie muss überlegen, in welchem Land sie ihr Kapital strukturiert – aber auch, wo sie wohnen will“, so Bültmann.

Luxemburg sehr gut positioniert

Luxemburg habe dabei den Vorteil, ein europäisches Land zu sein, ist sie überzeugt, auch wenn es weder Küsten noch Berge im Land gibt. „Die Schweiz wird im Vergleich immer teurer“, und im Vergleich zu anderen Ländern verfüge Luxemburg über beständige Besteuerungsgrundlagen. Luxemburg biete Stabilität, Sicherheit und ein multikulturelles Umfeld. Zudem seien Paris und Brüssel leicht zu erreichen.
„Wenn Luxemburg seine Karten gut spielt, dann können alle Sektoren des Finanzplatzes davon profitieren“, schlussfolgert sie.