StaatsschuldenEZB verstärkt Kampf gegen Ausverkauf am Anleihenmarkt

Staatsschulden / EZB verstärkt Kampf gegen Ausverkauf am Anleihenmarkt
Die Lichter der Frankfurter Bankenskyline und der Europäischen Zentralbank (EZB) spiegeln sich im Main. Mit der Ankündigung von höheren Zinsen werden die Schuldenstände der Länder wieder zum Thema. Foto: Boris Roessler/dpa

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Die EZB verstärkt ihren Kampf gegen einen Ausverkauf von Staatsanleihen südlicher Euro-Länder. Die jüngsten Verwerfungen an den Anleihemärken hatten Sorgen vor einer erneuten Euro-Schuldenkrise aufkommen lassen.

Die Renditen für Schuldenpapiere der Euro-Länder waren zuletzt kräftig gestiegen – die der südlichen Länder dabei aber besonders stark. Ohnehin schon von hohen Schuldenständen geplagte Staaten wie Italien kommen dadurch noch mehr unter Druck, da sich ihre Finanzierungskosten erhöhen. Dagegen will die EZB jetzt einschreiten, wie sie am Mittwoch nach einer Sondersitzung des EZB-Rats ankündigte. Dabei stellten die Währungshüter auch ein neues geldpolitisches Werkzeug in Aussicht.

An den Anleihemärkten sorgte die Ankündigung für etwas Beruhigung. Die Rendite der zehnjährigen italienischen Staatsanleihe sank auf 3,92 Prozent – ein Minus von 0,30 Prozentpunkten im Tagesverlauf. Die Rendite griechischer zehnjähriger Staatstitel verringerte sich auf 4,308 Prozent, ein Rückgang von 0,35 Prozentpunkten. Der Dax baute nach einem kurzen Durchhänger seine Gewinne aus.

Die wichtige Nachricht sei, dass die EZB etwas präsentieren wolle, kommentierte Zinsstratege Antoine Bouvet vom Bankhaus ING. „Was zählt, ist, dass etwas kommt, und das gibt potenziellen Verkäufern italienischer Anleihen zumindest die Gewissheit, dass es für die Ausweitung der Renditeabstände eine Grenze gibt.“ Jörg Angele, Volkswirt beim Schweizer Bankhaus Bantleon, merkte an: „Wir gehen davon aus, dass das neue Instrument binnen weniger Wochen eingesetzt werden kann.“

Die Währungshüter beschlossen auf ihrer Sondersitzung unter anderem, bei der Wiederanlage der Gelder aus auslaufenden Anleihen höher verschuldeten Euro-Ländern besonders unter die Arme zu greifen. Bei den anstehenden Reinvestitionen der Gelder aus dem jüngst beendeten billionenschweren Krisen-Anleihenkaufprogramm PEPP sollen diese Länder nun verstärkt berücksichtigt werden. Der EZB werde hier Flexibilität walten lassen. Zudem wurden die Notenbank-Ausschüsse beauftragt, rasch ein neues Instrument zu erschaffen, mit dem das Auseinanderdriften der Renditen von Staatsanleihen bekämpft werden kann. Wie das Werkzeug aussehen soll, sagten die Währungshüter allerdings nicht.

Laut dem niederländischen Notenbankchef Klaas Knot ist das neue Instrument für den Fall gedacht, dass die Umleitung der Reinvestitionen in Richtung Anleihen südlicher Euro-Länder nicht genügt. „Wir wissen nicht, ob das ausreicht, das hängt von der Antwort der Märkte ab“, sagte das EZB-Ratsmitglied auf einer Konferenz. „Aber wenn das nicht ausreicht, seien Sie versichert, dass wir bereitstehen“, fügte er hinzu. Laut seinem EZB-Ratskollegen Peter Kazimir, dem Notenbankchef der Slowakei, ist es derzeit noch zu früh, wie das neue Werkzeug gestaltet sein werde.

Erinnerung an die Euro-Schuldenkrise

Der Renditeabstand (Spread) zwischen den Staatsanleihen Deutschlands und den Staatsanleihen höher verschuldeter Euro-Länder im Süden wie Italien war zuletzt nach oben geschossen. Am Dienstag war der Renditeabstand auf über 2,50 Prozentpunkte gestiegen – der höchste Abstand seit 2020. Darin kommt auch die Sorge von Investoren zum Ausdruck, dass die EZB im Zuge ihrer angekündigten Zinserhöhungen die besonderen Bedürfnisse der südlichen Länder aus dem Blick verlieren könnte.

Die Ratingagentur Fitch rechnet für Italien für dieses Jahr mit einem Schuldenberg von 160 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Die von der EU erlaubte Obergrenze liegt bei 60 Prozent der Wirtschaftsleistung. Zum Vergleich: Die deutsche Schuldenquote lag 2021 bei 69,3 Prozent.

EZB-Direktorin Isabel Schnabel hatte bereits am Dienstag gesagt, die Geldpolitik müsse reagieren, wenn die Risikoaufschläge am Anleihenmarkt durch die Decke gingen und dies die Preisstabilität und die Maßnahmen der Notenbank durchkreuze. Die jüngsten Ausschläge dort wecken Erinnerungen an die Euro-Schuldenkrise vor einem Jahrzehnt. Damals konnten die Finanzmärkte erst beruhigt werden, als der damalige EZB-Chef Mario Draghi versprach, die Zentralbank werde alles innerhalb ihres Mandats tun, um den Euro zu retten („whatever it takes“). Auf das Versprechen hin folgte die Entwicklung des Anleihenkaufprogramms OMT, mit dem die Notenbank gezielt unbegrenzt Staatsanleihen betroffener Länder aufkaufen kann. Das Programm wurde allerdings bislang noch nie umgesetzt. Allein die Ankündigung reichte damals aus, um die Renditeanstiege einzudämmen.

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