KlimawandelDas „Haut comité pour l’industrie“ wird wieder aktiviert

Klimawandel / Das „Haut comité pour l’industrie“ wird wieder aktiviert
Wirtschaftsminister Franz Fayot und Fedil-Präsidentin Michèle Detaille. Die Regierung will der Industrie zuhören und ihre Probleme beim Wandel in Richtung von mehr Nachhaltigkeit verstehen.  Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Um zum Kampf gegen den Klimawandel beizutragen, soll Luxemburgs Industrie sich verändern. Das geht jedoch nicht einfach nur mit staatlichen Vorschriften, sondern benötigt eine Abstimmung mit dem Sektor. Aus diesem Grund wird das „Haut comité pour l’industrie“ reaktiviert.

„Luxemburgs Industrie hat sich in der Krise als resilient erwiesen“, lobte Wirtschaftsminister Franz Fayot das produzierende Gewerbe am Montag vor Journalisten. Die Industrie sei fähig, sich umzustellen und habe beispielsweise schnell Produkte herstellen können, die im Kampf gegen die Covid-Pandemie benötigt werden. Mit dazu zählen die Herstellung spezialisierter Kühlschränke zum Transport von Impfstoffen durch B Medical Systems in Hosingen oder das Entwerfen von Maschinen zur Herstellung von selbstdesinfizierenden Gesichtsmasken durch MPG.

Gleichzeitig habe der Sektor jedoch auch mit einer Reihe von Schwierigkeiten zu kämpfen, unterstrich Franz Fayot weiter. Er erwähnte Schwachpunkte bei den globalen Lieferketten, Engpässe bei Baumaterialien, fehlende Chips und die Abhängigkeit von China. „Es stellen sich sehr viele Fragen“, so der Minister. Zudem müsse der Sektor in den kommenden Jahren seinen Energieverbrauch – im Kampf gegen den Klimawandel – umstellen, erinnerte Fayot. Dieser Wandel müsse ernst genommen werden. Doch es sei ein sehr kapitalintensives Geschäft, und auch international müsse der Bereich ja wettbewerbsfähig bleiben. „Es gibt bei uns den starken Willen, die Industrie zu stabilisieren, sie zu stärken, und weiter auszubauen“, so der Minister. 

Um ein Gremium zu haben, in dem sich die Industrie und der Staat austauschen können, hat er dem „Haut comité pour l’industrie“ (HCI) neues Leben eingehaucht. Das HCI war im April 2013 mit dem Ziel gegründet worden, der Luxemburger Industrie einen neuen Elan zu geben, die bestehenden Fabriken und Jobs zu erhalten, neue Nischen zu finden, industrielle Kompetenzen fördern und die Innovation zu unterstützen.

Michèle Detaille, Präsidentin des Unternehmensverbandes Fedil, gibt sich zufrieden mit dieser Vorgehensweise. „Wir haben bereits viele Ideen und glauben an die Rolle des Komitees“, sagte sie am Montag. „Wir wollen unsere Expertise einbringen.“ Ob die Regierung den Ratschlägen dann folgen werde, müsse sie danach jedoch selber entscheiden. Man sehe die großen Ziele, wisse aber noch nicht, wie der Weg dorthin aussehen werde, so Detaille. Es müsse beispielsweise aufgepasst werden, dass die Vorgaben nicht zu sehr zu steigenden Preisen – und somit zu einem zu starken Rückgang der Kaufkraft führen würden, warnte sie. Das sei nicht gut für die Stabilität im Lande. „Es ist ein sehr kompliziertes Thema. Aber die Fedil hat viel dazu beizutragen.“ Man habe sich bereits Gedanken über eine Strategie gemacht.

Ein gemeinsamer Fahrplan bis 2023

Eine erste Diskussionsrunde im Rahmen des HCI hat bereits am vergangenen Freitag stattgefunden. Man habe sich auf vier große Themenbereiche geeinigt, in denen Arbeitsgruppen eingesetzt werden, so der Minister. Alle drei Monate sollen sie dem Gremium dann Bericht erstatten. Innerhalb von zwei Jahren soll ein gemeinsamer Fahrplan in Richtung nachhaltige Industrie ausgearbeitet sein. Der im Juni vorgestellte Plan „Ons Wirtschaft vu muer“ gebe zum Teil bereits eine Richtung vor, so Fayot. Auch die Ende letzten Jahres neu gegründete Abteilung im Wirtschaftsministerium „Luxembourg Stratégie“ soll zu den Arbeiten beitragen.

Die neuen Mitglieder des Gremiums wurden zusammen mit der Fedil genannt. Mit dazu zählen beispielsweise je ein Vertreter der Unternehmen ArcelorMittal, Ceratizit, Moulins de KleinbettingenEncevo, IEE und Dupont. „Alle Sparten der Industrie sind vertreten“, so Detaille. Jedoch würden die Personen nicht nur für ihr Unternehmen sprechen, sondern für den gesamten Sektor, fügte sie hinzu.

Zu den vier ausgewählten Themenbereichen zählen erstens die Dekarbonisierung der Industrie und zweitens die Industrie 4.0. „Themen wie Digitalisierung und Robotisierung spielen eine zentrale Rolle bei der Re-Industrialisierung Europas und bei der Planung der Lieferketten“, so Fayot. Eine dritte Arbeitsgruppe macht sich Gedanken zum Weg weg von der Wegwerfgesellschaft und hin zur Kreislaufwirtschaft. Die vierte Arbeitsgruppe sucht nach Wegen, um die Industriezonen des Landes effizienter zu gestalten. „Wir brauchen mehr als nur Strom, Wasser und Gas“, so Michèle Detaille. Gedacht wird etwa an das Zur-Verfügung-Stellen einer gemeinsamen Kantine, eines gemeinsamen Parkplatzes oder gemeinsam nutzbarer Tagungsräume.

„Damit die Industrie nachhaltiger wird und trotzdem in Luxemburg und Europa bleiben kann, müssen wir sie schützen“, betonte Franz Fayot. „Der Wandel geht nur zusammen mit der Industrie, nicht gegen sie“, schlussfolgerte er.

In den letzten Jahren hat das Gewicht der Industrie in Luxemburg abgenommen. Stand sie 1990 noch für 14,9 Prozent der Wirtschaftsleistung, so waren es Ende letzten Jahres noch 5,6 Prozent. In keinem anderen europäischen Land hat sie weniger Gewicht. Auch ihr Anteil an der Beschäftigung war zwischen 1995 und 2020 rückläufig: von 16,7 auf 7,9 Prozent. Im Jahr 2020 hat sich der Schrumpfungsprozess derweil  beschleunigt. Die Zahl der Arbeitsplätze ist nicht mehr nur im Vergleich zu anderen Bereichen, sondern insgesamt zurückgegangen. Sieht man einmal ab von der Wasser- und der Energiewirtschaft, hat das verarbeitende Gewerbe im Laufe des Jahres 2020 etwa 700 Arbeitsplätze abgebaut. In den ersten sechs Monaten des Jahres 2021 schrumpfte sie um weitere 200 Stellen, auf nunmehr 32.500 Arbeitsplätze, wie neue Zahlen von Statec zeigen.

Grober J-P.
5. Oktober 2021 - 9.24

" In keinem anderen europäischen Land hat sie weniger Gewicht." Vielleicht in Andorra und Monaco. So wollen wir doch werden, wie Monaco, oder irre ich schon wieder. Ohne produzierende Industrie keine Zukunft für das kleine Land, sich auf Finanzindustrie zu verlassen wird am Ende zum Kollaps führen, wetten?