Die Mühle in Kleinbettingen mahlt und mahlt und mahlt

Die Mühle in Kleinbettingen mahlt und mahlt und mahlt

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„Das Wandern ist des Müllers Lust“, heißt es. Die bekannte Gedichtzeile gilt aber im klassischen Sinne nicht für die Familie Muller aus Kleinbettingen. Sie betreibt nämlich schon seit fast 100 Jahren die Anlage an der luxemburgisch-belgischen Grenze – und das mit wachsendem Erfolg. Das Tageblatt stattete der Mühle einen Besuch ab und sprach mit dem Betreiber.

Bei Jean Muller ist der Name Programm. Er ist in der vierten Generation stolzer Betreiber der „Moulins de Kleinbettingen“. Seit sein Vater im Jahre 2017 im wohlverdienten Ruhestand ist, leitet der Sohn die Geschicke der Firma.

Firmenchef Jean Muller

Die Mühle ist alt. Die Anlage selbst hat jedoch mit der von vor 100 Jahren nichts mehr gemein. Imposant, modern thront sie im Tal. „Die alte Mühle existiert aber noch. Dort wurden die Büros eingerichtet. Wir haben versucht, das Gebäude so weit in seinem Ursprungszustand zu belassen wie möglich“, erklärt Jean Muller. Und wirklich, wenn man vor dem „Werk“ steht, bemerkt man schnell den Unterschied zwischen der ehemaligen und der neuen Mühle. „Wir konnten die alte Anlage aus Sicherheitsgründen nicht mehr weiterbetreiben. U.a. zu viel Holz. Das erhöht die Brandgefahr. Heutzutage wird bei der Mehlherstellung Inox vorgeschrieben“, so Muller.

Der Besitzer der größten Mehlproduktionsanlage Luxemburgs ist mit der Mühle groß geworden, auch wenn er als Kind nur selten in der Anlage zu finden war. „Mein Vater kam nach der Arbeit immer nach Hause und wirkte so zufrieden“, erzählte der Sohn. Das habe ihn beeindruckt.

Studium in der Schweiz

Er schloss seine Schule hierzulande ab und begann zu studieren. „Mein Vater drängte mich und meine zwei Schwestern nicht. Wir waren frei, zu entscheiden, was wir mit unserem Leben anfangen wollten“, erzählt der Firmeninhaber. Also studierte Jean Muller Management im schweizerischen Lausanne. Nach seinem Studium am Genfer See arbeitete er eine Zeit lang in einer Consulting-Firma in Zürich. „Dort bestand meine Aufgabe u.a. darin, Firmen in Not bei ihrer Restrukturierung zu unterstützen. Aber schnell war mir klar, dass ich die Geschicke des Familienbetriebs leiten wollte“, so der Müller. Folglich absolvierte er in Sankt Gallen, ebenfalls in der Schweiz, eine Lehre zum Müllermeister. Im Rahmen seiner Ausbildung machte er ein sechsmonatiges Praktikum im Heimatbetrieb in Kleinbettingen.

2010 fragte Muller senior seinen Sohn, ob er bereit sei, den Betrieb zu übernehmen. Er war es. Und leitet die Mühle jetzt schon seit über acht Jahren. Für die Nachfolge hat der 36-Jährige auch schon gesorgt: Seine Frau ist im fünften Monat schwanger. „Es soll ja auch eine 5. Generation von Muller als Müller geben“, scherzt der werdende Papa, der seit 2014 mit seiner Jugendliebe verheiratet ist. Aber er will, wie sein eigener Vater, seine Kinder nicht unter Druck setzen. Wie er sollen sie die Vorzüge des Müllerberufs schätzen und lieben lernen und wenn sie alt genug sind selbst entscheiden, was sie tun wollen.

Ganz alleine ist Jean Muller nicht bei der Leitung der Mühle. „Ich kann mich auf loyales und fachkundiges Personal stützen. Das ist wichtig. Wir sind hier des Weiteren eher eine Familie als ein Unternehmen“, so Muller. „Mein Vater lebt immer noch in der Nähe der Mühle. Er steht uns noch mit Rat und Tat zur Seite, auch wenn er jetzt als Präsident des Verwaltungsrates weniger im Alltagsgeschäft eingreift“, ergänzt er.

Kein Anzugträger

Der Unternehmer ist froh, dass er jetzt meist ohne Anzug und Krawatte zur Arbeit gehen kann. „Die Tage sind manchmal lang und immer verschieden“, so der Firmenchef. Sie hätten viele verschiedene Projekte am Laufen oder in Vorbereitung. „Stillstand ist in unserem Metier tödlich, denn die Konkurrenz schläft nicht“, hebt Muller hervor.

Farin’UP, Biozertifizierung, die Entwicklung und Vermarktung neuer Produkte – das alles sei sehr zeitintensiv. Dazu kämen ehrgeizige internationale Projekte wie die Gründung einer Firma in Ruanda für die Herstellung von Qualitätsweizen, Jean Muller kümmert sich im Unternehmen vor allem um den Einkauf des Rohmaterials. Aber auch die Betreuung der Kunden und das Vorantreiben der Zukunftspläne stehen ganz oben auf der „To do“-Liste des Direktors.

Jetzt, wo er Vater wird, will Jean Muller aber auch mehr Freiraum für seine Frau und sein Kind im gemeinsamen Domizil in Luxemburg-Stadt schaffen. Um abzuschalten, hat der Unternehmer auch ein Rezept: Wandern – also doch ein wenig „Müllers Lust“ – und Bergsteigen. Ersteres tut er am liebsten mit der Familie, das Zweite eher mit Freunden. „Benita, meine Frau, und ich treiben im Allgemeinen gerne Sport“, berichtet der Firmenchef.

Sorgen über Platzmangel muss sich Jean Muller nicht machen. Will er expandieren, steht ihm ein etwa drei Hektar großes Gelände gleich neben der bestehenden Mühle zur Verfügung. „Das reicht völlig. Eine Mühle benötigt nicht viel Platz“, erläutert der Müller. Auch ist er der Übernahme einer weiteren Mühle oder dem Bau einer zweiten Anlage nicht abgeneigt. „In den letzten zehn Jahren entwickelte sich unser Betrieb rasant weiter. Wir stehen und fallen mit unserem Ruf. Deshalb setzen wir auf eine optimale Produktion, Qualität und Dienstleistung“, betont Muller. Es werde penibel auf die Hygiene, die Nachhaltigkeit und den Umweltschutz geachtet. Und ja, beim Streifzug durch das Werk fällt einem neben dem freundlichen Personal vor allem die Sauberkeit der Anlage auf. Auch der Hof ist picobello. Und trotz der vielen Maschinen, die im Inneren der Mühe laufen, hört man draußen fast nichts.

Auf jeden Fall blickt der Jungunternehmer zuversichtlich in die Zukunft. Angst hat er nur vor einem Feuer: „Wenn es brennt, liegt unsere Existenz am Boden.“