„Arbeitslosigkeit ist das Problem“

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Der Euro ist eine Konstruktion, die im Detail mit Fehlern behaftet ist. Europa hat kein Problem mit Inflation sondern steht vor einer Deflation. Der Wirtschaftsnobelpreisträger 2001 ging mit Europa nicht zärtlich um.

Die BIL lädt seit Jahren Persönlichkeiten der Welt zum Besuch nach Luxemburg ein. Unter anderen den Ex-Chef der Sowjetunion Michael Gorbatschow. Am Montag Abend war Joseph Stiglitz zu Gast. Der Wirtschaftsnobelpreisträger des Jahres 2001 hat im vergangenen Jahr sein viel beachtetes Buch „Der Preis der Ungleichheit“ veröffentlicht. Im Gespräch mit Journalisten geht er teilweise darauf ein. Im Wesentlichen aber setzt er sich kritisch mit Europa auseinander.

Das fängt mit dem Euro an. Er gibt zu, dass es ein interessantes Konzept sei, Europa als einen einzigen monetären Markt zu machen. Aber im Detail sei der Euro nicht richtig konzipiert worden. „Die Ausrichtung des Denkens und der Struktur der Europäischen Zentralbank ist nicht die richtige Sichtweise“, sagt er auf Tageblatt Frage. Die USA hätten den Focus auf die Arbeitslosigkeit gelegt und stünden derzeit mit einer Arbeitslosigkeit von 7,2 Prozent da.“ Es sei richtig, gibt Stiglitz zu, dass einige Länder in Europa, wie Deutschland, gut da stünden, aber ansonsten könne er der Politik der Europäischen Zentralbank, wenig abgewinnen. Die auf Inflationsbegrenzung abzielende Politik sei nicht richtig.

Geld für Aktivitäten

Es sei zu beobachten, dass den Banken viel Geld gegeben worden sei, um die Wirtschaft mit Krediten anzukurbeln und die Arbeitslosigkeit zu senken. Genau das aber täten die Banken nicht. Die Kreditvergabe läge derzeit um 20 Prozent unter der Zeit vor der Krise. Die Banken würden derzeit mehr Geld mit Aktivitäten außerhalb des normalen Bankgeschäfts machen. Das eigentliche Problem sei die Arbeitslosigkeit. In den USA würde der Markt mit Geld geflutet, um die Wirtschaft zu stimulieren. Wenn daraus wirklich Inflation entstehen würde, dann könnten die Zentralbanken sie schnell in den Griff bekommen.

In den USA hätte die Regierung den Banken Rückendeckung gegeben. Geld sei aus Europa wie zum Beispiel Spanien abgezogen und in den USA platziert worden. „Das ist normal“, sagt Stiglitz in einem selbstverständlichen Ton. „Geld wandert aus einem schwachen Land in ein starkes Land ab.

Europa hat versagt

Die Tageblatt-Argumentation, dass Irland und Spanien die Krise hinter sich ließen, Italien einen strukturell ausgeglichenen Haushalt vorweisen könne, lässt er nicht gelten. „Ich kann den Optimismus nicht eilen“, sagt er und lenkt ab. „Wir haben in den USA eine Arbeitslosigkeit von 7,2 Prozent und in Spanien von 25 Prozent. Darauf kommt es an“. Stiglitz ist damit wieder bei dem Thema angekommen, das seine gesamte Argumentation durchzieht: Die Arbeitslosigkeit. Und hier, macht er wiederholt deutlich, hat Europa versagt, während die USA mit der Geldüberflutung und Stimulierung des Arbeitsmarktes die Arbeitslosigkeit gesenkt hätten.

Nicht gelten lässt Stiglitz auch die Argumentation, dass sich in den USA und in Europa nach der Finanzkrise 1930 unterschiedliche Philosophien ausgebildet hätten: In den USA die Angst vor einer Rezession, die zur Überflutung es Marktes mit Geld geführt habe und in Europa die Angst vor der Inflation. Er sei kein Historiker, antwortet er und fügt an, dass Europa kein Problem mit Inflation sondern eines mit Deflation habe.

Geldüberflutung

Die Gefahr der Bildung einer Blase durch die Geldüberflutung des Marktes erkennt er an. Auch das Problem, das durch die Geldüberflutung etwa in Ländern wie Brasilien entsteht, sieht er. Allerdings glaubt er nicht, dass es zum Platzen einer Blase kommen wird. Stiglitz meint auch, dass Schwellenländer, in die sich der Dollar nun hineinflüchtet, nicht gefährdet werden, wenn die Zinsen steigen und das Geld aus dem Markt gezogen wird.

Aber dann kommet er wieder auf Europa zurück. Die Globalisierung zwinge Europa, der Entwicklung zu folgen. Man könne hierzulande nicht mit hohen Zinsen arbeiten wenn in den USA und in Japan die Zinsen niedrig seien. Allerdings lässt Stiglitz offen, wer hier in der Globalisierung den Ton angibt, dem die anderen zu folgen hätten.

Kritik

Kritisch geht der Nobelpreisträger auch mit seinem eigenen Land um. „Es heißt zwar, dass in den USA die dinge besser werden“, sagt er. „Aber: Seit 2009 sind die Einkommenssteigerungen dem einen Prozent in der Spitze zugute gekommen. Das mittlere Einkommen ist in diesem Jahr gesunken. Arbeiter erhalten ein niedrigeres Einkommen als 40 Jahre zuvor“. Die Banken nähmen in den USA das Geld den wenig Begüterten aus der Tasche um es in Richtung Begüterte zu lenken. Und man möge bitte darüber nachdenken, dass ein Präsidentschaftskandidat vor einem Jahr noch zugegeben hätte, sein Vermögen aus den USA auf eine OFF Shire Insel gebracht zu haben.

Stiglitz findet zum Schluss des Pressegespräches sein Grundthema Jugend und Arbeitslosigkeit wieder: „Es gibt keine 60 Prozent Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen, weil die Schüler und Studenten eine schlechte Leistung erbringen. Wenn die Gesellschaft keine Arbeit für ihre Jugend fände, „dann geht sie ein hohes Risiko ein. Und dann besteht Gefahr für diese Länder in der Zukunft“.