Der harte Weg zurück aufs Parkett: Rachel Howard bangte wegen eines Achillessehnenrisses um ihre Profikarriere

Der harte Weg zurück aufs Parkett: Rachel Howard bangte wegen eines Achillessehnenrisses um ihre Profikarriere
Foto: Marcel Nickels

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Für Rachel Howard verlief ihre erste Profisaison in Contern nicht wie erhofft. Ein Achillessehnenriss ließ sie bangen, doch der schwere Weg zurück aufs Parkett wurde belohnt: Der luxemburgische Verein schenkte ihr für eine weitere Saison das Vertrauen.

Es sollte das erste Highlight der Saison sein. Die Basketballdamen der AB Contern hatten den Sprung ins Pokalhalbfinale geschafft, das traditionell im „Gymnase“ der Coque ausgetragen wird. Vor allem die Damenteams bekommen nur selten die Gelegenheit, vor einem so großen Publikum zu spielen, und Contern durfte sich berechtigte Hoffnungen auf den Einzug ins Finale machen. Doch was am 28. Januar 2018 so hoffnungsvoll begann, entwickelte sich für Profispielerin Rachel Howard zum persönlichen Albtraum.

Es war ein Bild, wie man es nur selten im Basketball zu sehen bekommt. Mit der Pausensirene blieben direkt zwei Conterner Spielerinnen auf beiden Seiten des Parketts liegen. Während sich die Verletzung der Luxemburgerin Julie Mangen als weniger schlimm herausstellte, hatte es die US-Amerikanerin Rachel Howard übel erwischt.

Nicht die erste schlimme Verletzung

Ein erster Verdacht bestätigte sich schnell: Riss der Achillessehne, Zwangspause von mindestens sechs Monaten. Schlimmer hätte die erste Saison als Profispielerin im Ausland für die damals 22-Jährige nicht enden können. In einem sehr schnelllebigen Geschäft, in dem Profis bereits nach einigen schwächeren Leistungen munter ausgetauscht werden, kann eine solche Verletzung fatal sein.

So wundert es auch nicht, dass sich die gebürtige Kalifornierin in dieser Zeit sehr viele Gedanken gemacht hat: „Eine solche Verletzung ist an sich selbst schon beängstigend genug. Es war jedoch nicht meine erste wirklich schlimme Verletzung, denn mit 19 Jahren hatte ich mir bereits die Kreuzbänder gerissen. Dieses Mal war ich besser drauf vorbereitet, was auf mich zukommen würde. Hinzu kam dann aber die Sorge, ob ich einen neuen Vertrag erhalten werde. Denn nach einer solch schlimmen und vor allem langwierigen Verletzung wollen viele Vereine einen nicht direkt wieder verpflichten, da das Risiko zu hoch ist. Ich bin vor allem unserem Coach Louis (Wennig) sehr dankbar, dass er mir das Vertrauen für eine weitere Saison geschenkt hat. Zudem habe ich das Glück, dass er selbst Physiotherapeut ist. Im Moment besuche ich noch immer zweimal die Woche seine Praxis. Mich im letzten Jahr für Contern entschieden zu haben, war im Endeffekt ein wirklicher Glücksgriff.“

Denn die Reaktion von den Verantwortlichen um Teammanager Jean-Lou Margue ist keine Selbstverständlichkeit. Nach der Operation, die in Luxemburg durchgeführt wurde, verweilte Howard weitere zwei Monate in Contern. Für den Verein, der eine neue Profispielerin für den weiteren Saisonverlauf verpflichten musste, bedeutete dies auch zusätzliche Kosten, denn immerhin konnte Howard nicht mehr eingesetzt werden.

„Hauptgrund für den weiteren Aufenthalt war natürlich die Operation. Nach dieser wäre mir nicht wohl gewesen, den langen Flug zurück nach Kalifornien anzutreten. Ich musste diesen speziellen Schuh tragen und für mich stand fest, dass ich erst ins Flugzeug steigen werde, wenn ich diesen los bin. Bei anderen Vereinen, in anderen Ligen wäre das wohl nicht so einfach möglich gewesen. Wenn man dem Klub nichts mehr bringt, dann wird man einfach fallen gelassen. Auch für mich persönlich war es wichtig, ein solch tolles Umfeld zu haben, das sich um mich gekümmert hat. Denn die Familie war doch sehr weit weg.“

Reha an der Universität

Zwei Tage nachdem der Schuh dann ab war, machte sich Howard auf den Heimweg. Aber der lange Weg zum Comeback stand ihr zu diesem Zeitpunkt erst bevor. Etwas mehr als vier Monate nach der OP begann die US-Amerikanerin auf dem AlterG, einem Anti-Schwerkraft-Laufband, wieder mit leichtem Laufen. Anderthalb Monate danach ging es weiter mit intensiverem Lauftraining. Dabei konnte sie die Infrastruktur ihrer alten Universität in San Francisco nutzen, wo sie auch die Reha bestritt.

Das Gefühl, wieder an der University of San Francisco zu sein, dabei auch die Unterstützung ihrer ehemaligen Teamkolleginnen zu erhalten, gab Rachel Howard den nötigen Motivationsschub auf dem beschwerlichen Weg zurück aufs Basketball-Parkett: „Man muss sich nur vorstellen, dass ich vor dem Saisonbeginn in Luxemburg noch nicht einmal Eins-gegen-eins trainiert hatte. Vor der ersten Meisterschaftspartie gegen die Sparta kam ich überhaupt nur in einem Testspiel zum Einsatz. Ich bin froh, dass die Verantwortlichen nach nicht einmal einer Saison in Contern gesehen haben, wie ernst mir dieser Sport ist.“

Auch ihr Studium der Kinesiologie half ihr dabei: „Auch wenn ich später in diesem Bereich keinen Beruf ergreifen möchte – meinen Master habe ich auch in Sportmanagement gemacht –, hilft es mir, meinen Körper besser zu verstehen.“

„How is Germany?“

Der Wille, so hart an ihrem Comeback zu arbeiten, hat letztendlich auch die Verantwortlichen in Contern überzeugt, wie Jean-Lou Margue bestätigte: „Zu dem Zeitpunkt, als sie sich verletzte, gehörte Rachel für mich zu den besten drei Profispielerinnen im Land, zudem war sie zu hundert Prozent ins Team integriert. Wir hatten Kontakt zu den Ärzten hier im Land sowie auch in den USA. Als diese uns bestätigten, dass es durchaus realistisch ist, dass sie im September bereits ein anständiges Niveau erreichen könnte, gab es für uns keine Zweifel mehr. Wir sind uns bewusst, dass wir auch Geduld haben müssen. Es ist logisch, dass sie noch nicht in der Form sein kann wie in der vergangenen Saison. In meinen Augen wird hinsichtlich der Profis heutzutage eh zu schnell gewechselt.“

Basketball-Profi werden, das war schon immer der große Traum der heute 23-Jährigen. Auch ihre Eltern übten die Sportart mit dem orangefarbenen Ball aus, genauso wie ihre sieben Geschwister, wovon neben Rachel nur noch ihre 16-jährige Schwester dabei geblieben ist. Ihren Traum kann das fünfte der insgesamt acht Howard-Kinder nun jedenfalls eine weitere Saison in Luxemburg leben: „Als kleines Kind träumte ich von der WNBA, zu der Zeit hatte ich noch keine Idee davon, welche Möglichkeiten es in Europa gibt. Der Traum entwickelte sich dann auch immer mehr in diese Richtung, auch weil ich bis kurz vor meinen ersten Tagen in Contern noch nie in Europa war. Ich liebe einfach diese generelle Erfahrung.“ Von Luxemburg hatte die Kalifornierin vorher übrigens noch nie etwas gehört: „In den USA fragen mich auch heute noch viele Leute ‚How is Germany‘?“

Als California Girl in Luxemburg

Dass sie sich dann schlussendlich für einen Verein im Großherzogtum entschied, ging auf ihre Agentin und einen in Luxemburg alten Bekannten zurück: Jerome Gumbs – ehemaliger Profispieler in Düdelingen und Walferdingen. „Es gab noch zwei weitere Angebote. Doch meine Agentin war überzeugt, dass Luxemburg die richtige Wahl für eine erste Auslandssaison sei. Als Jerome, der an der USF für mich eine Art Mentor war, gehört hatte, dass ich ein Angebot aus Luxemburg hätte, meinte er, dass ich das auf jeden Fall annehmen soll. Auch wenn ich als typisches California Girl den Strand vermisse (lacht), war es die richtige Entscheidung. Ich möchte dennoch nicht ausschließen, irgendwann auf einem höheren Level spielen zu wollen.“

Am heutigen Mittwoch steigt Contern in den Pokalwettbewerb der Saison 2018/19 ein. Gegen den Zweitligisten Racing wäre alles andere als ein souveränes Weiterkommen eine große Überraschung. An den 28. Januar denkt Howard dabei nicht mehr zurück: „Der Pokal erinnert mich an die March Madness in den USA. Es kommt auf dieses eine Spiel an, verliert man, ist man raus. Deswegen gefällt mir dieser Wettbewerb auch sehr. Ich kann nicht in der Vergangenheit verweilen, war gezwungen, nach vorne zu schauen, und bin glücklich, dass ich wieder auf dem Parkett stehen darf. Zu sehr denke ich somit auch nicht mehr an den einen Moment zurück. Dies könnte natürlich anders aussehen, wenn ich wieder in die Halle komme, in der es passiert ist. Denn seitdem war ich nicht mehr in der Coque.“

Sollte Contern das Achtelfinale heute überstehen, würde noch ein Sieg fehlen, um dies erneut zu erreichen. Und vielleicht meint es das Schicksal ja dann besser mit Rachel Howard, die mit dem Pokalwettbewerb noch eine Revanche offen hat. Und dann könnte vielleicht auch ihre Schwester dem Spiel beiwohnen, die sie eigentlich noch an dem Tag der schweren Verletzung in Zürich besuchen wollte: „Meine Schwester war für ein paar Tage dort und ich wollte direkt nach dem Spiel losfahren. Doch anstatt in die Schweiz ging es für mich dann auf direktem Weg ins Krankenhaus. Doch vielleicht ergibt sich ja noch einmal eine zweite Chance.“


„Menschlich und spielerisch die erste Wahl“

„Mit keiner anderen US-Spielerin haben wir uns als Team bisher so gut verstanden wie mit Rachel. Deshalb wollten wir sie unbedingt zurückhaben“, erklärte Mannschaftskapitänin Lou Mathieu, die sich deshalb auch wenig überrascht davon zeigte, dass auch die Vereinsverantwortlichen Howard erneut das Vertrauen schenkten: „Menschlich wie auch spielerisch war sie auf jeden Fall die erste Wahl. Nach ihrer Verletzung hat sie gezeigt, dass sie ein richtiger Teil des Teams ist, als sie noch zwei Monate da war und uns stets motivierte.“

An den 28. Januar kann sich Mathieu noch genau erinnern: „Zuerst habe ich gar nicht mitbekommen, wie schlimm die Verletzung eigentlich war. Erst nach dem Spiel habe ich das realisiert und mich richtig erschrocken.“ Für das Team somit auch ein Grund, es in diesem Jahr wieder in die Coque zu schaffen: „Rachel wird von Woche zu Woche besser. Ich finde es klasse, dass sie sich dieser Herausforderung noch einmal stellt, und ich hoffe, dass wir das auch für sie schaffen können.“