Erste ReaktionenWelchen Einfluss die Deutschland-Wahl auf Luxemburg hat – die Meinungen gehen auseinander

Erste Reaktionen / Welchen Einfluss die Deutschland-Wahl auf Luxemburg hat – die Meinungen gehen auseinander
 Fotos & Collage: Editpress

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Auch Luxemburgs Politiker blickten am Sonntag gebannt auf die Wahlen in Deutschland. Wir haben Mitglieder der außenpolitischen Kommission der Chamber um eine erste Reaktion gebeten. 

Yves Cruchten, LSAP

„Über Twitter habe ich Olaf Scholz und der SPD schon gratuliert. Zusammen mit Georges Engel war ich beim Wahlkampfauftakt der SPD in Berlin. Das war im Frühling – und damals lagen sie bei 15 Prozent. Wenn es jetzt 25 oder 26 werden, ist das ein Riesenerfolg.

Yves Cruchten, LSAP
Yves Cruchten, LSAP Foto: Editpress

Sollte die SPD eine Regierung stellen können, würde das auch einen Wechsel für Europa bedeuten, wo immer mehr Sozialisten und Sozialdemokraten Regierungsverantwortung übernehmen. Für die Europäische Volkspartei wäre es ein Debakel, sollte die CDU nicht den nächsten Kanzler stellen. Wenn Deutschland da wegfällt, bleibt Europas Konservativen eigentlich nur noch Sebastian Kurz aus Österreich. Sonst muss man bis nach Griechenland oder Zypern schauen, um einen EVPler zu finden.

Wie es jetzt ausschaut, ist in Deutschland eine Dreierkoalition aus SPD, Grünen und Liberalen möglich. In Luxemburg fahren wir gut mit einer solchen Konstellation, und das seit acht Jahren. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass das auch in Deutschland funktionieren würde.“

Claude Wiseler, CSV
Claude Wiseler, CSV Foto: Editpress

Claude Wiseler, CSV

„Für die Unionsparteien ist es ein enttäuschendes Resultat. Die Frage jetzt ist auch, wie dieses historisch schlechte Ergebnis zu erklären ist. Der Merkel-Bonus war weg, einerseits. Andererseits gab es auch viele Reibereien und Unruhe in der CDU in den vergangenen Jahren. Das ist nie gut für eine Partei. Auch wurde Armin Laschet – im Gegensatz zu Olaf Scholz – von seiner Partei im Wahlkampf nicht richtig zur Geltung gebracht. Die Grünen sind wohl hinter ihren Erwartungen zurückgeblieben, die FDP hat recht gut abgeschnitten.

Jetzt geht es darum, eine stabile Mehrheit in Deutschland herzustellen – weil Europa ein stabiles, ein europafreundliches Deutschland braucht. Von den Parteien, die für eine Regierung infrage kommen, garantieren das alle. Das beruhigt mich, weil es für Rot-Rot-Grün nicht zu reichen scheint.

Rückschlüsse von der CDU auf die CSV in Luxemburg, von einem Land ins andere also, will ich keine ziehen. Da gibt es zu viele Differenzen, wir sind ja schon lange in der Opposition – und ob die Union in der Opposition landet, muss sich erst noch zeigen. Was die Wahl jetzt erneut untermauert, ist die Schwäche der Volksparteien, die nicht mehr zu alter Stärke zurückfinden.“

Stéphanie Empain, „déi gréng“
Stéphanie Empain, „déi gréng“ Foto: Editpress

Stéphanie Empain, „déi gréng“

„Ich bin etwas zwiegespalten, ein bisschen mehr hatte ich mir schon erhofft. Aber trotzdem wird es ja sehr wahrscheinlich zu einer Regierungsbeteiligung der Grünen kommen. Das wäre auch für Europa enorm wichtig.

Bereits jetzt zeigen grüne Parteien dort, wo sie mitregieren, dass sie erfolgreiche Politik machen können. Kommt es nun auch in Deutschland dazu, wäre das ein weiterer wichtiger Impuls für grüne Politik in Europa. Was eine künftige Koalition angeht, gibt es glaube ich mehr Affinitäten von grüner Seite aus zur SPD als zur CDU. Trotzdem sollte man sich nicht verschließen. Weder CDU noch SPD haben in Sachen Klimaschutz geglänzt. Beide Parteien müssen sich hier neu erfinden, sonst geht es nicht.

Sollten die Grünen künftig in Deutschland mitregieren, wird dies Auswirkungen auch auf uns in Luxemburg haben, weil es diese auf ganz Europa geben würde. Es geht nicht nur um das Wahlergebnis, sondern darum, dass die Grünen dann in Regierungsverantwortung zeigen könnten, welche Politik möglich ist. Der ganzen grünen Bewegung in Europa würde das viel mehr Sichtbarkeit verschaffen. Wir erwarten uns, dass in der Klimapolitik, aber auch im Sozialen die Grundsteine neu gelegt werden.“

Gusty Graas, DP
Gusty Graas, DP Foto: Editpress

Gusty Graas, DP

„Die Prognosen haben sich für einmal mehr oder weniger erfüllt: Die CDU ist der klare Verlierer, die SPD der klare Gewinner. Für mich drängt sich eine Gambia-Koalition unter Führung der SPD fast schon auf. Die Koalitionsverhandlungen werden nicht einfach, aber eine solche Konstellation würde dem Wahlergebnis Rechnung tragen.

Ich bin froh, dass die AfD, nicht dazugewonnen hat. Die Linke, von der ich als Liberaler kein Freund bin, hat dramatisch verloren. Sollte Olaf Scholz Bundeskanzler werden, wonach es ausschaut, würde das eine gewisse Kontinuität für Europa bedeuten. Natürlich wird es eine gewisse Kurskorrektur geben, aber das ist gut für Deutschland.

Wir haben das in Luxemburg ja gesehen. Die CSV war in Luxemburg zu lange in Regierungsverantwortung – und jetzt kann wohl auch die CDU den Weg in die Opposition antreten. Programmatisch hat sich die CDU, wie die CSV in Luxemburg, entleert. Sie suchen spürbar nach Themen, die sie früher automatisch besetzt hätten. Nun sind neue politische Felder aufgegangen, die aber bereits von anderen viel glaubwürdiger vertreten werden. Den Einfluss auf Luxemburg würde ich nicht unterschätzen. Wenn eine Koalition aus SPD, Grünen und FDP zustande kommt, ist das ein Zeichen, dass Gambia auch in einem großen Land wie Deutschland Erfolg haben kann.“

Fernand Kartheiser, ADR
Fernand Kartheiser, ADR Foto: Editpress

Fernand Kartheiser, ADR

„Eine Rot-Rot-Grüne Koalition hätte starke Auswirkungen auf Europa gehabt und damit auch auf Luxemburg. Dazu scheint es nicht zu kommen. Mit den nun wahrscheinlichen Koalitionen wird sich europapolitisch nicht viel ändern. Luxemburg braucht sich demnach kaum auf größere Veränderungen einzustellen.

Da es aber viele Parallelen und enge Kontakte zwischen den Parteien in Deutschland und Luxemburg gibt, lohnt sich auch dieser Blick. Die LSAP, die CSV und die Grünen erwarten sich einen Einfluss auf ihr eigenes Profil. Wie die luxemburgische CSV ist auch die deutsche CDU inzwischen profillos. Ein Impuls der Stärkung ist demnach nicht zu erwarten. Die Grünen in Luxemburg dürften sich jetzt weiteren Rückenwind erwarten. Die LSAP scheint mit internen Problemen zu kämpfen, während die SPD in Deutschland vielleicht den kommenden Kanzler stellen kann.

Im Wahlkampf wurden fast ausschließlich nationalpolitische Themen aufgegriffen, Weltpolitik oder Europapolitik fanden quasi nicht statt, sieht man mal vom Klima ab. Das zeigt auch, wie wenig Verantwortung Deutschland weltpolitisch noch übernehmen will – sie haben sich mit sich selbst beschäftigt. Wir bei der ADR sind Souveränisten und mischen uns nicht in die inneren Angelegenheiten anderer Länder ein – trotzdem würde ich persönlich vor einer Jamaika- oder einer Ampelkoalition eine große Koalition aus SPD und Union bevorzugen, um eine möglichst moderate, pragmatische und rationale Regierung in Deutschland zu bekommen.

Nathalie Oberweis, „déi Lénk“
Nathalie Oberweis, „déi Lénk“ Foto: Editpress

Nathalie Oberweis, „déi Lénk“

„Es ist noch früh für eine Analyse. Aber trotzdem sehen wir leider, dass die Partei Die Linke verloren hat. Das hat viel damit zu tun, dass die Wahlen sehr stark personalisiert waren. Das ist ein Trend, den wir als Linke grundsätzlich nicht gut finden.

Es ging viel zu sehr um die drei Kandidaten und viel zu wenig um Programme. Dass die AfD gestoppt wurde und die FDP stagniert, sind gute Nachrichten aus unserer Sicht. Im Großen und Ganzen ist das linke, progressive Lager dank der SPD und auch der Grünen gestärkt worden. Für die linke Bewegung und uns als Linke ist das eine positive Entwicklung. Zuletzt wurde die Karte mit dem Schreckensgespenst eines angeblichen Linksrutschs gespielt – und das leider erfolgreich. Das ist ein Klassiker und kehrt immer wieder.“

Sven Clement, Piraten
Sven Clement, Piraten Foto: Editpress

Sven Clement, Piraten

„Das Wahlresultat war größtenteils zu erwarten. Die SPD hat stark dazugewonnen. Ob sie ihren historischen Trend nach unten bremsen kann, müssen aber die nächsten Wahlen zeigen. Die Grünen blieben klar unter den eigenen Erwartungen.

Was sich klar zeigt und was wir in Luxemburg schon kennen, ist das heraufziehende Ende der großen Koalitionen. Der Trend weg von den Volksparteien hat sich bestätigt. Für Luxemburg bedeutet das, dass wir mit unserem Wahlresultat kein Zufall auf dem Radar waren.

Für Luxemburg ist eine Regierungsbildung in Deutschland auf jeden Fall sehr spannend. Eine große Koalition wäre eine Bekannte gewesen, jetzt kommt es vermutlich anders. Das wahrscheinlichste wäre eine SPD-geführte Gambia-Regierung, was die Deutschen Ampelregierung nennen. Für unsere Regierungsmitglieder würde das den Zugang zur deutschen Regierung vereinfachen, verschiedenes könnte so vielleicht auf dem kurzen Dienstweg gelöst werden. Interessant wird, wer sich am Ende durchsetzt. Europapolitisch und für Luxemburg wird sich vermutlich nicht viel ändern.“