Klangwelten: Neues von Calexico (mit Iron & Wine) und den Silversun Pickups

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Jojo left his home

CALEXICO/ IRON & WINE: Years To Burn

Calexico tun sich zum zweiten Mal mit Sam Beam alias Iron & Wine zusammen und nehmen ein ziemlich schmalziges, countrylastiges Album auf. Geschmackssache!

Hätte man mir beim letzten Musikquiz die Vorabsingle dieses Albums, „Father Mountain“, vorgespielt, hätte ich vermutlich auf Crosby, Stills & Nash oder die Eagles getippt, vielleicht sogar auf John Denver, der einen Carpenters-Song covert.

Wahrscheinlich werden viele Menschen dieses Album mögen und sie haben mit Sicherheit gute Gründe dafür, denn es gibt hier jede Menge wohlklingender Harmonien und hübsch formulierter melancholischer Texte zu entdecken, die passend zum Woodstock-Jubiläum zumeist um Berge, Wasser, Bäume und Blumen kreisen. Leider kann ich persönlich nichts mit den Songs dieses Albums anfangen. Schlimmer noch: Meine Stimmung schlägt um und spätestens beim dritten Lied beginne ich aufzustöhnen, als ob mir jemand körperliche Qualen zufügen würde.

Müsste ich eine Musikrichtung nennen, die ich wirklich hasse, dann wäre das Country-Musik und müsste ich ein Instrument nennen, bei dem mich das kalte Grausen packt, dann wäre das die Pedal-Steel-Gitarre. Da Calexico ihrer Musik bislang immer nur eine minimale Dosis Country verpassten und stattdessen ganz andere Elemente ihren Sound prägten, wie zum Beispiel die unwiderstehlichen Tex-Mex-Mariachi-Rhythmen sowie eine gehörige Portion Indie-Rock oder -Folk, hat die Mischung bislang stets gepasst.

Einige Mitglieder der wunderbaren Truppe aus Tucson, Arizona haben sich nach einer gemeinsamen EP im Jahre 2005 heuer erneut mit Iron & Wine zusammengetan, das Album „Years To Burn“ in Nashville (wo sonst?) eingespielt und diese Truppe wird anschließend gemeinsam auf Tournee gehen. Die Musiker beider Lager werden allabendlich nicht nacheinander, sondern miteinander auf der Bühne stehen, so auch am 6. November im Atelier. Leider ist Multi-Instrumentalist und Cumbia-Meister Sergio Mendoza bei diesem Projekt nicht am Start, sodass meines Erachtens ein zentraler Bestandteil des Calexico-Universums fehlt.

Allerdings entschädigt die achtminütige, aus drei Teilen bestehende „Bitter Suite“ für vieles. Ein einziges Mal hat man Paul Niehaus den Saft an der Pedal Steel abgedreht und stattdessen Rob Burger am Vibraphon und am Akkordeon den Vortritt gelassen, es erklingen ineinander verwobenes klassisches Gitarren-Picking und spanischer Gesang, Jacob Valenzuela spielt endlich Trompete. Wie schön! Vielleicht werde ich mir doch eins der Konzerte ansehen. Gil Max

Wertung: 8/10


„Growing old is getting old“

SILVERSUN PICKUPS – Widow’s Weed

Mit ihrem fünften Album finden die Silversun Pickups wieder zu einem organischeren Sound. An die Qualität der ersten zwei Platten kann die Band allerdings nur bedingt anknüpfen.

Seit jeher werden die Silversun Pickups mit den Smashing Pumpkins verglichen. Da wäre nicht nur das Akronym – SP –, das die beiden Bands sich teilen, sondern auch und vor allem eine gemeinsame Liebe für geschliffenen Indie-Rock, der von einer seidigen, androgynen Stimme getragen und von ordentlich verzerrten Gitarren untermalt wird. Auch bei den Silversun Pickups trifft Shoegaze auf hymnische Melodien in oftmals ausufernden, wohlstrukturierten Tracks.

Zwei Alben lang war die Band der neue Hoffnungsträger des Indie-Rocks, mit Tracks wie „Lazy Eye“, „Panic Switch“ oder „Growing Old Is Getting Old“ setzte man auf Atmosphäre, Spannungsaufbau und kurze Eclats und schrieb vor allem Indie-Rock-Hymnen, die sowohl Ohrwurmpotenzial wie auch Tiefgang hatten. Das dritte Album „Neck Of The Woods“ sollte sich thematisch an Horrorfilmen orientieren, die Qualität der Songs blieb größtenteils hervorragend, nur wagte man sich produktionstechnisch an ein weniger warmes Klangbild, was der verstärkten Präsenz elektronischer Elemente geschuldet war. Auf „Better Nature“ fehlte es erstmals einigen Songs an zündenden Ideen, an Tiefgang und an dieser brodelnden Atmosphäre, die die ersten Platten auszeichneten.

 

Für „Widow’s Weed“ arbeitete die Band nicht mehr mit Jacknife Lee, der die letzten beiden Platten produziert hatte und für seine relativ glatten Produktionen bekannt ist, sondern mit Butch Vig, der für das Klangbild von Nirwanas „Nevermind“ verantwortlich zeichnete. Der Sound der Platte ist deswegen wieder organischer, neben den Synthies, deren Klangteppich sich vor allem im tollen Opener „Neon Wound“ ausbreitet, machen sich an vielen Stellen akustische Gitarren bemerkbar.

Mit „It Doesn’t Matter Why“ schreiben die Silversun Pickups einen Track, der mit starkem Chorus und intelligentem Spannungsaufbau an die alten Tage der Band erinnert. Im Allgemeinen gilt: Die Songs sind wieder ideenreicher, mitreißender, das Melodiegefühl und das Gespür für Struktur scheinen intakt, auch wenn die Platte in der Mitte mit eher wenig zwingenden Tracks (das namensgebende „Widow’s Weed“, das etwas daherplätschernde „Straw Man“) auskommt.

„Widow’s Weed“ ist ein erster Schritt aus der kreativen Sackgasse, kann es aber nicht mit den tollen beiden ersten Alben aufnehmen. Bleibt zu hoffen, dass der Band nicht das Schicksal der Pumpkins – das Abdriften ins Selbstplagiat und die Irrelevanz – blüht. Jeff Schinker

Wertung: 7/10