EditorialJustiz und Menschlichkeit: Zur Bedeutung des neuen Jugendstrafrechts

Editorial / Justiz und Menschlichkeit: Zur Bedeutung des neuen Jugendstrafrechts
Gefängnis taugt nichts für junge Straftäter Foto: Editpress-Archiv

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Wer bedroht, überfallen und dabei gar verletzt wird, dem ist es wahrscheinlich egal, ob es sich beim Täter um ein Kind oder einen Erwachsenen handelt. In der subjektiven Wahrnehmung bleibt es eine Straftat. Objektiv betrachtet macht das Alter dann aber doch einen Unterschied. Unter anderem, wenn es darum geht, als Gesellschaft, Staat und Justiz auf die Tat zu reagieren – menschlich, verständnisvoll und zukunftsorientiert. 

Diesem Unterschied wird in Luxemburg nun mit einem separaten Strafrecht für Minderjährige Rechnung getragen. Gute Entscheidung, sagt die Menschenrechtskommission, die sich der Genfer Kinderrechtskonvention verbunden fühlt und viel Empathie für Kinder und Jugendliche zeigt. Gut ist ihrer Meinung nach aber noch nicht gut genug. Aus gutem Grund.

Verständnis ist ein oft gebrauchtes Wort. Passend zu: „Es geht um unsere Kinder.“ Dass einige diesen Satz nicht mehr hören wollen, ist verständlich. Denn würde es wirklich um das Wohl der Kinder gehen, müsste einiges eigentlich ganz anders sein. Auch, aber nicht nur, in den Augen der Justiz.

Vor dem Jugendstrafrecht sollte jedenfalls unbedingt vollumfänglich ein antizipierender Jugendschutz stehen. Besonders dann, wenn Kinder durch die Unzulänglichkeiten ihrer Erziehungsberechtigten alleingelassen und auf sich gestellt das Leben zu meistern versuchen – ohne Erfahrung und ohne Perspektiven.

Wenn Kinder und Jugendliche kriminell werden, ist das bedauerlich, oft aber leider auch nachvollziehbar. Es liegt meistens am Umfeld, in dem sie aufwachsen. Wobei es nicht wirklich wichtig ist, ob dieses Milieu wohlhabend ist oder nicht. Ausschlaggebend ist die soziale Wärme, die zu Hause im familiären Austausch fehlt.

Wenn sich dann solch junge Menschen in der Realität des Alltags nicht zurechtfinden, ist das nicht gut. Wenn sie dann mit der Justiz in Berührung kommen, müssen Alarmglocken läuten. Anwälte, Richter und Staatsanwälte sollen sich dann an ihre Jugend erinnern und bei der Beurteilung bzw. Verurteilung möglichst jenes Verständnis aufbringen, welches sie in jungen Jahren erwartet, aber vielleicht nicht bekommen haben.

Ja, ein Jugendstrafrecht muss sein. Dabei sollte die Betonung aber auf Jugend und nicht auf Strafe liegen. Und wenn Strafe, dann mehr Hilfe als Strafe, sinnvoll und nachhaltig, und auch für jene, die einer kriminellen Jugend aus welchem Grund auch immer den Weg bereitet haben. Aufgabe der Justiz und des Staates muss es sein, dauerhaft zu helfen.

Wenn die Trennung zwischen Strafrecht für Erwachsene und Minderjährige etwas deutlich zeigen muss, dann, dass Repression nichts taugt. Dass sich Menschen, Jugendliche oder Erwachsene auf ihrem Lebensweg verirren, muss man nicht gutheißen. Verurteilen sollte man es nicht, auch nicht versuchen, es politisch auszuschlachten.

Unabhängig von der Diskussion, ab wann welches Strafrecht gelten soll, geht es doch eigentlich darum, wie die Justiz mit Menschen jeden Alters umgehen soll, wenn es gilt, sie zurück auf einen besseren Pfad zu bringen. Jede Maßnahme ist immer nur so gut, wie sie verhindert, dass es zu weiteren Straftaten kommt. Die beratende Menschenrechtskommission hat dazu eine klare Meinung. Man muss sie nur hören – wollen.