Gemeindewahlen mal andersJoel Biwer führt auf Facebook den Einweihungsmarathon ad absurdum

Gemeindewahlen mal anders / Joel Biwer führt auf Facebook den Einweihungsmarathon ad absurdum
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In gut einer Woche sind Gemeindewahlen. Der Einweihungsmarathon hat das Land fest im Griff. In dieser Hinsicht besonders emsig sind die Escher Gemeindeverantwortlichen, die – überspitzt formuliert – seit Wochen schon alles einweihen, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Das hat den Escher Joel Biwer zur Nachahmung inspiriert. Auf Facebook postet er fast täglich neue Einweihungsfotos aus seinem Alltag und führt das momentane Gebaren der Lokalpolitiker ad absurdum.   

Allein am Mittwochmorgen erreichten binnen einer Stunde vier Einladungen der Stadt Esch das Mail-Postfach der Tageblatt-Redaktion: Zwei Einweihungen, eine Bilanz und eine Konferenz werden kommende Woche organisiert. Später kam dann noch die Vorstellung der neuen CHEM-App in Präsenz des Verwaltungsratspräsidenten und Bürgermeisters in Personalunion, Georges Mischo (CSV), hinzu. 

 Screenshot Facebook

Und so geht das schon seit Wochen. Es ist rekordverdächtig, was in der „Minettemetropole“ vor den Gemeindewahlen so alles eingeweiht wurde und wird, die Palette reicht vom Sonnencremespender bis zum Piratenschiff. Dazu gesellen sich etliche Grundsteinlegungen, Baumpflanzungen, Bilanzen und Aktionsplan-Vorstellungen. Ganz offensichtlich will der Schöffenrat den Bürgern kurz vor den Wahlen demonstrieren, welch gute Arbeit er geleistet hat und wie viel sich in Esch in dieser Legislaturperiode verändert hat. Nachzuschauen ist das in schönen Bildern in den Internet- und Social-Media-Kanälen der Stadt, in denen die Grenze zur Wahlpropaganda für die Mehrheitsparteien schon lange überschritten ist.

Esch steht beileibe nicht allein da, in zahlreichen Gemeinden läuft dasselbe Spielchen. Doch nirgendwo wird das Einweihen so auf die Spitze getrieben wie in Luxemburgs zweitgrößter Stadt. Das kann interessante Reaktionen hervorrufen. Wie die des Eschers Joel Biwer, der auf seinem Facebook-Account die Wahlkampf-Methoden der Lokalpolitiker ad absurdum führt und fast täglich ein neues Einweihungsfoto postet, stilecht mit rotem Bändchen und Schere. Keinen Halt macht er vor dem Glas Bier, einer Portion Spargel oder aber einer Orange. Sogar die Liaison Micheville hat Biwer schon vorab eröffnet und einen symbolischen ersten Spatenstich in einem 1,1-kg-Joghurtbecher durchgeführt. Das Tageblatt hat mit dem „Einweihungsprofi“, der leider am 11. Juni nicht zur Wahl steht, ein (nicht sehr ernsthaftes) Gespräch geführt.  

Tageblatt: Joel Biwer, Sie sind mittendrin in Ihrem Einweihungsmarathon. Seit Tagen schon sieht man Sie in den sozialen Medien unermüdlich im Dienst der Sache Bändchen durchschneiden, Futter an die bedürftigen Familienmitglieder auf vier Beinen verteilen oder erste Spatenstiche in Joghurtbechern durchführen. Noch ist es eine gute Woche bis zu den Wahlen, es liegt also noch einige Arbeit vor Ihnen. Müssen sich die Tageblatt-Leser in Anbetracht dieses Dauerstresses Sorgen um Ihre Gesundheit machen?

 Screenshot Facebook

Joel Biwer: Nein, gesundheitlich stecke ich die Strapazen von einer Einweihung zur nächsten, von Termin zu Termin relativ gut weg. Alles eine Frage von guter Organisation. Ich gebe zu, dass mein Terminkalender im Moment schon sehr gefüllt ist und alles zusammen mit der Arbeit unter einen Hut zu bekommen anstrengend ist, gesundheitlich habe ich aber im Moment keine Beschwerden.

Gibt es eigentlich eine spezielle Technik beim Bändchen-Durchschneiden und falls ja, wie sieht Ihr Training dafür aus?

Ich achte sehr auf einen sauberen Schnitt, das Bändchen sollte schon beim ersten Schnipp getrennt sein, spätestens aber beim ersten Schnapp. Die Qualität der Schere spielt dabei eine wichtige Rolle. Wenn diese dann auch noch besonders schön anzusehen ist, steht einer perfekten Durchtrennung nichts mehr im Weg. Besonderes Training? Regelmäßiges rhythmisches Fingerschnippen zur Lieblingsmusik hilft beim Aufbau der beanspruchten Muskulatur.

Haben Sie nach Ihren Erfahrungen der letzten Zeit vielleicht einen Tipp an die Escher Kandidaten, wie sie mit dem Wahlkampf- und Eröffnungsstress umgehen können?

Mein Geheimtipp: Immer schön lächeln. Gute Laune ist die beste Waffe gegen Stress. Außerdem sollte man abends dann den Tag mit einem kühlen Blonden, einem trockenen Roten oder warum nicht einmal mit einem frischen Wässerchen ausklingen lassen. Und sollte am Ende des Wahlkampfs das gewünschte Ziel nicht erreicht worden sein, dann einfach an folgende Worte eines großen Philosophen denken, dessen Name mir gerade nicht einfällt: „Heute ist nicht alle Tage, ich komm’ wieder, keine Frage!“

Sie machen das alles ja nicht aus Jux und Tollerei. Welche Gegenleistung erwarten Sie sich vom Wähler am 11. Juni?

Ich erwarte, dass die Wähler am Stichtag die richtigen Entscheidungen treffen, sprich richtigen Kreuzchen machen, um ihrem Gewissen gerecht zu werden. Und wenn sie sich dann nach dem 11. Juni noch daran erinnern, wer was wo wie und wann eingeweiht, gepflanzt und verteilt hat, dann habe ich mein Ziel erreicht. Denn dann werden erfahrungsgemäß eine ganze Weile bedeutend weniger Bändchen, Scheren, Spaten und Sektgläser zu sehen sein.

 Screenshot Facebook

Werden Sie selbst Ihre Stimme denjenigen geben, die besonders viele Bändchen in letzter Zeit durchschnitten haben?

Ich achte weniger auf die Anzahl der durchtrennten Bändchen, sondern viel mehr auf die Qualität der Schere!

Als ein nun über die Stadtgrenzen hinaus anerkannter Experte der Einweihungspolitik, welcher Lokalpolitiker hat Ihrer Meinung nach die beste Figur beim Bändchen-Durchschneiden gemacht und verdient demnach auch am meisten Wählerstimmen?

Da möchte ich mich jetzt noch nicht festlegen, da uns ja bestimmt noch einige Einweihungen bevorstehen bis zum Tag der Wahl. 

Spannen Sie uns bitte nicht weiter auf die Folter. Verraten Sie den Tageblatt-Lesern doch, was noch alles bis zum 11. Juni durch Sie eingeweiht wird?

Allzu viel will ich noch nicht verraten, nur so viel: Das Pflanzen eines Bäumchens steht noch bevor.

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