Fessenheim arbeitet nicht

Fessenheim arbeitet nicht

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Die im elsässisch deutsch-schweizerischen Grenzgebiet liegende Kernkraftanlage Fessenheim ist derzeit völlig abgeschaltet.

Das Atomkraftwerk besteht aus zwei Blöcken zu je 900 Megawatt Leistung. Die Anlage ist die älteste arbeitende in Frankreich. Laut Aussage der atomaren Sicherheitsbehörde soll sie die sicherste sein. Block eins der Anlage ist seit vergangenem Samstag abgeschaltet. Hier findet der Austausch eines Drittel der Brennstäbe statt. Die Abschaltung wird gleichzeitig zu Routine-Untersuchungen genutzt.

Die Situation des zweiten Reaktors ist ungleich schwieriger. Er ist abgeschaltet, weil die Dampfturbine Unregelmäßigkeiten aufweist. Die Dampfturbinen in den französischen Kernkraftwerken wurden von dem atomaren Zulieferkonzern Areva geliefert, der Milliardenverluste aufweist und mit Milliarden Aufwand saniert werden muss. Der Stromkonzern EDF hat die Atomsparte von Areva für 2,5 Milliarden Euro übernommen, benötigt aber selber eine Kapitalspritze von vier Milliarden Euro.

Areva stellte die Dampfturbinen in seinem Werk in Le Creusot her. In Le Creusot wurde mit falschen Angaben gearbeitet. Deckel und auch der Reaktorbehälter zum Beispiel des neuen Reaktortyps EPR in der Normandie weisen Schwächen in der Stahlkomposition auf. Der Anteil an Kohlenstoff ist zu hoch. Das macht sie anfällig bei physischen und thermischen Schocks. Derselbe Fehler ist nach Reihenuntersuchungen in der Dampfturbine in Fessenheim festgestellt worden, die in Le Creusot hergestellt wurde. Nach Feststellung des Fehlers wurde der zweite Reaktor in Fessenheim abgeschaltet. EDF teilt derzeit mit, dass er zu Beginn 2018 wieder arbeiten könne.

Fessenheim – in Deutschland und in der Schweiz umstrittener Reaktor – soll im Rahmen der Umstellung der französischen Energiepolitik als erster Reaktor abgeschaltet werden. Allerdings erst dann, wenn in der Normandie der Reaktor EPR in Betrieb genommen ist. Frankreich würde daher nicht zwingend die atomare Stromproduktion reduzieren. Das französische Energie-Transitionsgesetz sieht aber eine Umstellung der Stromproduktion vor. Die Energieproduktion soll nur noch zu 50 Prozent aus der Kernenergie kommen.

Das Erreichen des Zieles ist zweifelhaft. In Fessenheim stehen beispielsweise über 2.000 Arbeitsplätze auf dem Spiel. Sowohl der französische Rechnungshof als auch die atomare Sicherheitsbehörde gehen davon aus, dass 17 Kernkraftwerke abgeschaltet werden müssen. Das würde 34.000 Arbeitslätze direkt und zusätzlich eine ähnliche Zahl bei den Zulieferern bedeuten. Fessenheim produziert überdies 68 Prozent des im Elsass verbrauchten Stroms. Außerdem gelten Kernkraftwerke in Frankreich als „sauber“, weil die Umweltpolitik sich überwiegend auf die Bekämpfung des Ausstoßes von Kohlenstoffdioxid und Feinstaub bei Dieselmotoren bezieht.

Meinrad Rombach
29. Juli 2017 - 9.46

Nein, die Sicherheitsbehörde hat nicht behauptet, die Reaktoren in Fessenheim seien die sichersten von Frankreich. Das war die Betreiberfirma EDF. Die Atomaufsicht hat lediglich gesagt, dass der Reaktorblock 1 noch sicher genug ist, dass man ihn weiter betreiben kann, allerdings nur im Schongang. Wie viele eigentlich nicht mehr sichere Reaktoren, die wegen schleichtem Stahl anfällig für thermische Schocks sind, muss auch in Fessenheims Block1 ab jetzt das Kühlwasser für Notfälle aufgeheiz werden. Das wird jetzt während der Abschaltung im August nachgerüstet und getestet, also nicht nur "Routine-Untersuchungen". Leider ist das nicht die einzige schlecht recherchierte Information: "Dampfturbinen" LOL Ich gebe gerne etwas allgemeinverständliche Nachhilfe zur der Technik, damit der Artikel nicht noch mehr Verwirrung in der Leserschaft stiftet. In einem Kernkraftwerk vom Typ Fessenheim gibt es zwei Wasserkreisläufe, um die Wärme raus zu kriegen, die Radioaktivität aber drinnen zu halten. Das geschieht mit so genannten Wärmetauschern, quasi mt nuklearem Heißwasser geheizte Wasser-Boiler,die die Hitze des Reaktorkern aus dem ersten Kreislauf übertragen, indem sie im zweiten Kreislauf aus kaltem Wasser Dampf erzeugen. Die heißen im französischen "generateur vapeur" also Dampfgeneratoren. Die in diesem Dampf steckende Energie wird zum Teil durch Dampf-Turbinen in Strom verwandelt, zum anderen Teil durch eine Kühlanlage nach draußen abgegeben in den Fluss oder in die Luft, wenn das Kraftwerk einen Kühlturm hat. Die Dampfgeneratoren sind riesige Metall-Kolosse, die größten Bauteile in so einem Reaktor. Die müssen natürlich aus mehreren Stücken zusammen geschweißt sein und haben innen drin hunderte von Röhren, die alle 100% dicht bleiben müssen, damit die Radioaktivität nicht in den zweiten Kreislauf aus tritt. Da es mit zunehmendem Alter immer mehr kleine Undichtigkeiten gibt durch Rosten, ist der zweite Kreislauf, den man "nicht-radioaktiv" nennt, eigentlich eher "kaum-radioaktiv". Gleiches gilt für den Dampf, der beim Abschalten des Reaktors häufig in die Umweltgeblasen wird. Das ist kein Problem für die Sicherheitsbehörde, solange die freigesetzte Radioaktivität unter dem genehmigten Grenzwert liegt. Ein ernstes Problem sieht die Sicherheitsbehörde jedoch darin, wenn schon bei der Herstellung eines Dampfgenerators so mit der Stahlqualität geschlampt wird, dass der an einer Stelle platzen kann. Dann läuft das Wasser in dem betroffenen Kreislauf aus, die nukleare Hitze des Reaktorkerns wird nicht mehr nach außen in den Fluss oder in die Luft transportiert und es kommt deshalb zu einer Kernschmelze, bei der der Reaktor so kaputt geht, dass sich Teile des des besonders gefährlichen Atommülls im Reaktor in der Umwelt verteilen. Beim Block 2 von Fessenheim ist schon klar, an welcher Stelle der Dampfgenerator platzen wird, weil das aus den gefälschten Unterlagen der französischen Stahlfirma ersichtlich ist. Diese Unterlagen waren Beweis genug, dem Dampfgenerator die Erlaubnis zu entziehen, und deshlab steht nun der ganze Reaktorblock 2 still. Austauschen will man so ein Reisenbauteil aber nicht so gerne (es kostet ca. 50 Mio Euro). Der Stahlskandal betrifft aber nicht nur eine französische Firma, wie der Artikel behauptet. Die Franzosen haben sich teilweise auch beliefern lassen von einer japanischen Stahlfirma, die unter anderem auch den Teile des Reaktorkessels beim Neubau in Flamaville beliefert hat., Dort wurden ähnliche Materialfehler gefunden, nämlich zuviel Kohlenstoff im Stahl . Ein Glück, dass man so einen neuen Reaktor heutzutage etwas genauer untersucht als früher, bevor der eine Betriebserlaubnis kriegt. So kam jetzt erst raus, dass die Franzosen solche minderwertigen japanischen Stahlteile leider in viele Dampfgeneratoren eingebaut,auch an einer besonders kritischen Stelle, wo der Reaktorkern an den Dampferzeuger angeschlossen ist. Darum hat die Sicherheitsbehörde letzten Winter weitere 12 Reaktoren in Frankreich untersucht und rausgefunden, dass der Block 1 in Fessenheim in allen Dampfgeneratoren diesen minderwertigem Stahl hat, also mit viel weniger Sicherheit läuft als bisher angenommen. Meine Meinung zu dem Stahlskandal und seinen Folgen Für Frankreich ist das ein Dilemma, weil man eigentlich etliche der teuren Dampfgeneratoren und den Reaktorkesse des Neubaus in Flamaville auswechseln müsste, wenn man weiterhin auf die volle Sicherheit pocht, die man bisher nur vermeintlich hatte. Die Stromerzeugung in Frankreich wäre massiv gefährdet. Darum eiert die Sicherheitsbehörde jetzt gerade rum, dass man auch mit weniger Sicherheit gut leben könnte, wenigstens so lange, bis einem was besseres einfällt.

Gustav Rosa
26. Juli 2017 - 0.09

Liebe Nachbarn aus Luxemburg, ihr seid weit weg vom Elsass und von Südbaden. Darum kriegt ihr auch nicht alle Fakten haargenau mit. Im AKW Fessenheim arbeiten weniger als 800 feste Mitarbeiter. Davon wird kein einziger entlassen. Sie besitzen einen mit Deutschland vergleichbaren Beamtenstatus und werden schlimmstenfalls versetzt. Auch dauert es ein paar Jahre, bis mit dem Rückbau begonnen werden kann und dann weitere Jahrzehnte, bis alles wieder zur grünen Wiese wird. Auch das wird sehr viele Arbeitskräfte benötigen und auch die gesamte Infrastruktur in der Region aufrecht erhalten. Sowohl die Abschaltbegründungen (en vacance...) sowie auch die Einschalttermine variieren - je nach Quelle. Das AKW Fessenheim schreibt schon lange rote Zahlen (areva ist praktisch Pleite und die Aktienkurse der EdF sinken in den Keller. Laut Aussage der Aufsichtsbehörde ASN sind alle Atomkraftwerke in Frankreich die sichersten. Darum konnte Greenpeace 2014 relativ gemütlich den Zaun übersteigen und die Kuppel eines Reaktors erklimmen. Und die unzähligen Pannen, deren Brisanz teilweise erst Jahre später bekannt wurde... Im Hintergrund laufen intensive Gespräche zwischen der Regierung und dem Betreiber. Es geht um konkrete Größen von Entschädigungssummen udgl. Und Präsident Macron zeigt (anders als sein Vorgänger) scharfe Kante. Mit Umweltminister Hulot an seiner Seite lässt er keine Zweifel aufkommen: Das Energiegesetz soll und wird umgesetzt werden! Also bitte gründlich recherchieren und alle Fakten zusammentragen. Beide Reaktoren im ältesten Atomkraftwerks Frankreichs sind seit dem 22.07.2017 abgeschaltet. Weder im Elsass noch in Südbaden noch sonstwo in Europa sind deswegen irgend welche Lichter ausgegangen. Alles sind nach endgültiger Stilllegung aus - und das ist gut so!