Alain spannt den BogenEs geht wieder los in der Philharmonie!

Alain spannt den Bogen / Es geht wieder los in der Philharmonie!
Im Konzertsaal wird wieder klassische Musik gespielt  Foto: Alfonso Salgueiro

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Auftritt mit zwei Metern Abstand: Die Musiker haben in der Luxemburger Philharmonie wieder losgelegt. Das Haus hat ein Zweimonatsprogramm aufgestellt.

Anlässlich der dem ersten Konzert der neuen Spielzeit vorausgegangenen Pressekonferenz verströmten sowohl der Generaldirektor der Philharmonie, Stephan Gehmacher, wie auch Jo Kox vom Kulturministerium einen gesunden Optimismus hinsichtlich der aktuellen Situation und der immer wieder wechselnden Covid19-Bestimmungen. Man habe alles getan, um den Konzertablauf so angenehm wie möglich zu gestalten und dabei allen Sicherheitsvorkehrungen zu entsprechen. 

Im Gegensatz zu Deutschland, wo man einen Abstand von anderthalb Metern einhalten muss, müssen die Musiker hier in Luxemburg sogar zwei Meter voneinander entfernt sitzen. Im Saal wird jede zweite Reihe besetzt, zwischen Fremden gibt es einen Abstand von zwei Sitzen. Optisch sieht das natürlich nicht sehr schön aus, man erhält den Eindruck eines schlecht besuchten Konzertes. Stimmung will auch nicht so recht aufkommen, die Leute eilen schnell zu ihren Plätzen und sind nach dem Konzert auch schnell wieder verschwunden.

Gehmacher wies auch darauf hin, dass man so gut wie möglich versuche, das Programm wie geplant durchzuziehen, aber es sei jetzt schon sicher, dass im Laufe der Spielzeit Konzerte kurzfristig abgesagt werden müssten. Deshalb gelte nicht das offizielle Jahresprogramm, sondern das ab jetzt erscheinende Zweimonatsprogramm. Und hier findet man hochkarätige Konzerte wie die fünf Klavierkonzerte von Beethoven mit Krystian Zimerman und dem OPL unter Gustavo Gimeno, ein spannendes Programm mit Teodor Currentzis und Patricia Kopachinskaja, Beethovens Violinsonaten mit Frank Peter Zimmermann und Martin Helmchen sowie einen Liederabend mit dem vielversprechenden Tenor Benjamin Bernheim.

Krystian Zimermans wunderbarer Beethoven

Den Auftakt am 17. September machte das Orchestre Philharmonique du Luxembourg unter der Leitung von Gustavo Gimeno. Es war auch der Auftakt der Gesamtaufführung aller Beethoven-Klavierkonzerte mit Krystian Zimerman. An diesem Abend spielte die polnische Pianisten-Legende die Konzerte Nr. 2 & 1 in chronologisch richtiger Reihenfolge (Nr. 2 entstand vor Nr. 1), dazwischen hörte das Publikum Anton Weberns 5 Sätze op. 5 (in der Fassung für Streichorchester). Auch in den kommenden Konzerten wird ein direkter Bezug zwischen Beethoven, dem Vertreter der ersten Wiener Schule, und (nach Webern) Schönberg und Berg, den Vertretern der zweiten Wiener Schule, hergestellt.

Das Publikum erlebte an diesem Donnerstag ein hochrangiges Konzert, bei dem ein gutgelaunter Pianist und ein dynamischer Dirigent hervorragend miteinander harmonierten. Das klassisch besetzte OPL nahm trotzdem durch die Abstandsforderungen die ganze Bühne ein und brillierte mit einem dadurch begünstigten sehr räumlichen und durchhörbaren Klang. Gimeno dirigierte präzise und flüssig, sodass Zimerman sein kongeniales, feines und immer sehr elegantes Spiel voll entwickeln konnte. Überhaupt lebte Zimermans Interpretation von einer fast philosophischen Schönheit, die immer der Musik diente.

Statt eines akzentreichen und markanten Spiels standen oft lyrische und melodische Gesten mit langem Atem im Mittelpunkt. Auch kam die neue Sitzordnung dem komplexen op. 5 von Webern sehr entgegen, denn durch die Räumlichkeit und einen dadurch begünstigten sehr offenen Klang erschien das Werk eingängiger und man konnte Weberns Strukturen bestens heraushören. In dem Sinne freuen wir uns nicht nur auf die weiteren Konzerte mit Krystian Zimerman, sondern auch auf Schönbergs Verklärte Nacht (am 2.10.) und auf drei Stücke aus der Lyrischen Suite von Alban Berg (am 23.10.).

Welturaufführung von Catherine Kontz‘ The Waves

Am kommenden Abend spielten dann auch die Solistes Européens Luxembourg unter Christoph König ihr erstes Konzert. Als Auftragswerk des Kulturministeriums eröffnete The Waves (nach Virginia Woolfs gleichnamigen Roman) von der in London lebenden luxemburgischen Komponistin Catherine Kontz das Konzert. Das rund zehn Minuten dauernde Stück konnte in allen Hinsichten überzeugen. Vor allem Kontz’ musikalische Sprache war äußerst interessant und bestens getimt.

Spannung und Entspannung wechselten sich ab, die Modernität war moderat und die Instrumentation vorzüglich und abwechslungsreich. Christoph König gelang es zudem, das Farbenspektrum und die innere Dynamik des Stückes bestens darzustellen, was an diesem Abend auch nicht schwerfiel, präsentierten sich die SEL doch in bester Verfassung und guter Spiellaune.

Die Violinistin Arabella Steinbacher war die Solistin in Bachs 1. Violinkonzert BWV 1041 und in Arvo Pärts beliebtem Werk Fratres für Violine, Streicher und Schlagzeug. Und mit dem Violinkonzert kehrten die SEL dann wieder zu ihren Ursprüngen zurück und präsentierten einen eigentlich sehr romantischen und flüssigen Bach, der stilistisch näher an Richter, Rilling oder Karajan war als an Harnoncourt, Gardiner oder Pinnock. Trotzdem gefiel Königs schöne Interpretation, bei der sich Arabella Steinbacher von ihrer besten Seite zeigen konnte.

Sekundenlange Stille gab es nach Fratres, das die Interpreten in einer vollendeten Wiedergabe erklingen ließen und das durch Steinbachers wunderbares Spiel noch veredelt wurde. Nach so viel schönen Klängen hatten die SEL dann etwas Schwierigkeiten, in die kraftvolle und rhythmisch prägnante Welt von Beethoven einzusteigen. Ein etwas zögerliches Musizieren machte sich im Kopfsatz breit, der richtige Klang wollte sich nicht so recht einstellen. Erst ab dem 2. Satz, einem Allegretto und zudem einem der außergewöhnlichsten Sätze des Komponisten, fanden König und seine Musiker zu einem engagierten und dynamischen Spiel zurück, das natürlich nach einem spritzigen Presto seine Apotheose in einem vorwärtsdrängenden, allerdings nie überzogenen Allegro con brio fand.

Diese beiden Konzerte fanden, wie auch die noch kommenden, ohne Pause statt. Und dies hatte den Vorteil – so zumindest erlebte ich es – dass sowohl die Präsenz, die Dynamik und die Wachheit der OPL- und der SEL-Musiker in den Schlusswerken sehr geschärft waren.