Chaos und Gewalt in Tunesien: Nach der überstürzten Flucht von Präsident Zine el Abidine Ben Ali ins Exil bemühen sich die neuen Machthaber und das Militär, die Lage unter Kontrolle zu bringen.
Unruhen hatten die ersten Stunden nach dem Ende der Ära Ben Ali geprägt, der sich nach Protesten gegen sein hartes Regime nach Saudi Arabien abgesetzt hatte. Auch am Sonntagnachmittag fielen noch Schüsse im Zentrum der Hauptstadt Tunis. Seit Beginn der Proteste starben weit mehr als 130 Menschen. Binnen 24 Stunden hatte das Mittelmeerland drei Präsidenten. Tausende Urlauber mussten Hals über Kopf in die Heimat zurückreisen.
Armee gegen Leibgarde
In Tunis ging die Armee gegen Mitglieder der Leibgarde von Ben Ali vor. Nach unbestätigten Berichten wurde der Chef der Leibgarde festgenommen. Augenzeugen berichteten immer wieder von Plünderungen und verschärften Kontrollen des Militärs. Im Zentrum standen am Sonntag weiter Panzer auf den Straßen. Seit der Flucht von Ben Ali gilt in Tunesien der Ausnahmezustand. Auch der Luftraum war zwischenzeitlich gesperrt.
Mit einem Kraftakt holten die Reiseveranstalter am Wochenende tauesende Urlauber aus Tunesien nach Hause. Am Sonntagabend kamen auch die letzten 116 Urlauber nach Luxemburg zurück.
Neuwahlen in Kürze
Übergangspräsident Foued Mebazaa soll nun schnell Neuwahlen vorbereiten. Der 77-Jährige war schon der zweite Übergangspräsident, der nach der Flucht von Ben Ali ernannt worden war. Nachdem sich der Langzeit-Präsident ins Exil abgesetzt hatte, war zunächst Ministerpräsident Mohamed Ghannouchi mit den Amtsgeschäften betraut worden. Ghannouchi soll im Auftrag von Mebazaa nun in Gespräche mit der bisher kaum formierten Opposition treten.
Mehrere Kritiker des alten Regimes erklärten am Sonntag, sie seien mit den Beratungen über die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit nicht zufrieden. Einige von ihnen sagten in Interviews mit arabischen Fernsehsendern, Ghannouchi sei Teil des alten Systems von Ben Ali. Mit ihm sei ein Neuanfang deshalb nicht möglich. Andere erklärten, einige vormals illegale Oppositionsparteien seien zu den Gesprächen nicht eingeladen worden. Diese hätten aber auch ein Recht, mit am Tisch zu sitzen.
Opposition nicht handlungsfähig
Die Aussicht auf baldige Neuwahlen ist für manche Tunesier allerdings auch Anlass zu Sorge. „Wenn jetzt schnell eine Wahl organisiert wird, kann die Opposition sich nicht organisieren“, kommentierte der 25-jährige Elias Nefzaoui in Tunis.
Bei einem Gefängnisbrand im Küstenort Monastir starben nach Angaben von Ärzten bis zu 60 Menschen. Nach ersten Erkenntnissen wollten die Häftlinge fliehen und hatten ihre Matratzen in Brand gesteckt. Die Flammen hätten dann schnell auf das gesamte Gebäude übergegriffen. Auch in der Stadt Kasserine stand ein Gefängnis in Flammen.
Gaddafi kritisiert Proteste
Libyens Staatschef Gaddafi kisierte die Proteste im Nachbarland. Zu den neuen Machthabern, die Ben Ali nach 23 Jahren im Amt ablösten, sagte er: „Ich kenne diese neuen Leute nicht, aber wir alle kennen Ben Ali und die Veränderungen, die in Tunesien erzielt wurden. Warum zerstört ihr dies alles?“. Er sei „schmerzhaft berührt“, von dem, was in Tunesien geschehe, sagt er am Samstagabend im libyschen Fernsehen weiter. „Tunesien hat sich jetzt in ein Land verwandelt, das von Banden regiert wird“, kritisierte Gaddafi, der selbst seit 40 Jahren an der Macht ist.
Ex-Präsident Ben Ali hatte das Land 23 Jahre in autoritärer Herrschaft regiert und hinterließ Gewalt und Chaos. Auslöser seines Sturzes waren Massenproteste gegen Korruption und hohe Arbeitslosigkeit. Sie hatten sich in der vergangenen Woche zu einem Volksaufstand ausgeweitet.
De Maart

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