Zivilisten fliehen vor Kämpfen in Syrien

Zivilisten fliehen vor Kämpfen in Syrien
(dpa)

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Im syrischen Aleppo greifen Regimetruppen weiter Aufständische an, über den Fortgang der Kämpfe gibt es widersprüchliche Berichte. Klar ist: Hunderttausende Menschen sind in den vergangenen Tagen geflohen.

Syrische Regierungstruppen haben am Montag den dritten Tag in Folge Stellungen der Aufständischen in der nördlichen Metropole Aleppo angegriffen. Die Stadtbezirke Salaheddin und Al-Sukkari wurden bombardiert, in Salaheddin, Al-Issa und Athamija tobten darüber hinaus heftige Kämpfe am Boden, wie die Syrischen Menschenrechtsbeobachter in London mitteilten. Über erste mögliche Erfolge der Regimetruppen im südwestlichen Salaheddin kursierten widersprüchliche Berichte.

„Salaheddin wurde vollständig zurückgewonnen“, zitierte das staatliche syrische Fernsehen einen hochrangigen Militär. Die Aufständischen bestritten dies vehement. „Die Behauptung entbehrt jeder Grundlage“, sagte der örtliche Rebellenkommandeur Abu Omar al-Halebi der Deutschen Presse-Agentur. Die Regimetruppen hätten erneut versucht, Salaheddin mit Panzern anzugreifen, seien aber zurückgeschlagen worden.

„Assad-Regime am Ende“

Der amerikanische Verteidigungsminister Leon Panetta sieht in der Offensive gegen die syrische Wirtschaftsmetropole Aleppo den Anfang vom Ende des Regimes von Präsident Baschar Assad. Wenn die Angriffe mit Kampfhubschraubern und anderen schweren Waffen auf die eigene Bevölkerung fortgesetzt werden, werde sich dies als „Nagel im Sarg Assads erweisen“, sagte Panetta am Sonntag zum Beginn einer Nahostreise.

Bei den bevorstehenden Gesprächen in Tunesien, Ägypten, Israel und Jordanien werde er für einen Konsens darüber werben, dass der syrische Machthaber zurücktreten müsse und ein Übergang zur Demokratie in dem Land einzuleiten sei. Er werde auch seine Konsultationen darüber fortsetzen, dass die syrischen Chemiewaffen nicht in die falschen Hände fallen, erklärte Panetta.

Hunderttausende fliehen

Rund 200 000 Menschen sind nach Schätzungen von Rotem Kreuz und Rotem Halbmond in den vergangenen Tagen vor den schweren Kämpfe aus der syrischen Wirtschaftsmetropole Aleppo geflohen. Aber noch viele der knapp zwei Millionen Einwohner dürften sich in der Stadt aufhalten. „Niemand weiß, wie viele Menschen an Orten gefangen sind, an denen die Kämpfe weitergehen“, erklärte die UN-Nothilfekoordinatorin Valerie Amos am Sonntag in New York. Sie forderte die Truppen des Regimes von Präsident Baschar al-Assad und die Aufständischen auf, Zivilisten zu verschonen und Helfern sicheren Zugang zu gewähren.

Die Regierungstruppen hatten am Wochenende eine Offensive gegen die Aufständischen in Aleppo begonnen. Unterstützt von Kampfflugzeugen, Hubschraubern und schwerer Artillerie rückten Panzer und Soldaten gegen Stellungen der oppositionellen Freien Syrischen Armee (FSA) vor. Die Syrischen Menschenrechtsbeobachter in London sprachen von den schwersten Kämpfen seit Beginn der Revolte gegen Assad im März 2011. Größere Gebietsgewinne blieben bis zum Sonntag aber aus.

Kein Regimewechsel

Dennoch zeigte sich das Regime zuversichtlich, die Rebellen zu vertreiben. „Sie wurden in Damaskus besiegt und sie werden in Aleppo besiegt werden“, sagte der syrische Außenminister Walid al-Muallim am Sonntag bei einem Besuch in der iranischen Hauptstadt Teheran. Zugleich sprach er von einer globalen Verschwörung gegen sein Land, mit Israel als „Drahtzieher und führendem Provokateur“.

Der iranische Außenminister Ali Akbar Salehi pflichtete seinem Gast bei. Die ausländischen Unterstützer der Rebellen, darunter Saudi-Arabien, Katar und die Türkei, sollten nicht naiv sein und glauben, dass ein Regimewechsel in Syrien einfach zu erreichen sei. Der Iran ist der treueste Unterstützer des Assad-Regimes.

Übergangsregierung außerhalb Syrien

Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Nabil al-Arabi, bezeichnete das Blutvergießen in Syrien als Kriegsverbrechen. „Was in Syrien stattfindet, vor allem in der Stadt Aleppo, ist gleichbedeutend mit Kriegsverbrechen“, zitierte ihn die ägyptische Nachrichtenagentur Mena. Landesweit kamen am Sonntag nach Angaben von Aktivisten in Syrien 95 Menschen ums Leben, die meisten von ihnen in Aleppo, den Vororten von Damaskus und in der südlichen Provinz Daraa, wo in der Ortschaft Scheich Meskin mindestens 30 Menschen hingemetzelt worden sein sollen. Ihre Leichen seien verbrannt worden, berichteten Aktivisten. Eine unabhängige Überprüfung der Angaben war nicht möglich.

Unterdessen kündigte der oppositionelle Syrische Nationalrat Gespräche zur Bildung einer Übergangsregierung an. Ein erstes Treffen sei für diesen Dienstag in Kairo geplant, sagte Nationalratsmitglied Halit Hoca der Deutschen Presse-Agentur in Istanbul. Ziel sei es, außerhalb Syriens eine Regierung zu bilden in Opposition zu dem Regime von Präsident Baschar al-Assad.

Kugelhagel in Aleppo

Die Regimetruppen griffen die FSA-Stellungen das ganze Wochenende über in mehreren Bezirken Aleppos an. Dabei kamen auch Raketenwerfer und von Hubschraubern abgesetzte Luftlandetruppen zum Einsatz. Das staatliche syrische Fernsehen sprach von einer großangelegten „Operation zur Säuberung Aleppos von bewaffneten terroristischen Gruppen“.

FSA-Kommandos waren vor etwas mehr als einer Woche erstmals in Aleppo eingerückt. Die Geschäftsmetropole im Norden Syriens ist nur 50 Kilometer von der türkischen Grenze entfernt. Die Aufständischen hatten mehrere Stadtbezirke, aber auch das Gebiet bis zur türkischen Grenze unter ihre Kontrolle gebracht. Wegen der strategischen Bedeutung der Großstadt liegt dem Regime in Damaskus viel daran, die Rebellen von dort zu vertreiben. In den vergangenen Tagen hatte es Tausende Soldaten aus anderen Landesteilen zusammengezogen und vor Aleppo in Stellung gebracht.