Zäher Beginn für „nationalen Dialog“

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Stell dir vor, die Regierung lädt zum Dialog und keiner geht hin. Jahrelang hatte die syrische Opposition darauf gewartet, von der Führung um Präsident Assad angehört zu werden. Doch jetzt will sie nicht mehr.

Vier Monate nach Beginn der Proteste in Syrien hat die Regierung einen Gesprächskanal mit der Opposition eröffnet. Doch die bekannten Oppositionellen blieben dem ersten Treffen zu dem von Präsident Baschar al-Assad initiierten „nationalen Dialog“ am Sonntag in Damaskus fern. Sie wollen nicht diskutieren, während auf Demonstranten geschossen wird. Außerdem werfen sie der Führung vor, sie ignoriere die Motivation der Demonstranten, die für Meinungsfreiheit und Menschenrechte kämpften.

Die Außenbeauftragte der EU, Catherine Ashton, erklärte, die Unterdrückung mache die Reformversprechen des Regimes unglaubwürdig. „Gewalttätige Repression und Dialog passen nicht zusammen“, erklärte Ashton in der Nacht zum Samstag. Die Regierung müsse unabhängige Beobachter, Hilfsorganisationen und Medien zulassen.

„Pluralistisch, demokratisch“

Den Vorsitz bei dem Dialog-Treffen in Damaskus, das zunächst für zwei Tage angesetzt war, hatte Vizepräsident Faruk al-Scharaa. Al-Scharaa sagte, auch die Exil-Oppositionellen könnten an dem Reformdialog teilnehmen, wenn sie dies wünschten. Ziel der Gespräche sei es, aus Syrien einen „pluralistischen, demokratischen Staat“ zu machen.

Der Parlamentsabgeordnete Mohammed Habasch forderte die Abschaffung eines Gesetzes, das die Todesstrafe für Mitglieder der Muslimbruderschaft vorsieht. Er kritisierte zudem, dass „Tausende ohne Prozess in den Gefängnissen sitzen“. Habasch bezeichnet sich selbst als gemäßigter Islamist, steht aber der Baath-Partei von Präsident Assad nahe.

Scharfe Kritik

Auch ein unabhängiger Teilnehmer des Dialogs, Tajjib Tisini, übte scharfe Kritik. Es sei falsch, dass diese Konferenz begonnen habe, „während noch auf syrische Zivilisten geschossen wird, in der Stadt Hama, in Homs und an anderen Orten“, sagte er.

Die syrische Regierung bestellte am Sonntag die Botschafter der USA und Frankreichs ein, um gegen ihren „unerlaubten Besuch“ in der Stadt Hama zu protestieren. Die beiden Diplomaten waren am vergangenen Donnerstag für zwei Tage in die Protesthochburg gefahren, wo sie von demonstrierenden Regimegegnern freundlich empfangen wurden. Anschließend hatten sie erklärt, sie hätten dort keine Saboteure oder „bewaffnete Banden“ vorgefunden, wie von der syrischen Regierung behauptet worden war.

Nach Angaben von Menschenrechtlern sind bei den blutigen Unruhen in Syrien schon mehr als 1750 Menschen getötet worden, darunter etwa 350 Angehörige der Sicherheitskräfte. Allein am vergangenen Freitag sollen landesweit 200 Demonstranten festgenommen worden sein, darunter der Theaterregisseur Osama Ghanim. Die Demonstranten fordern den Rücktritt des Präsidenten und einen Machtverzicht der arabisch-sozialistischen Baath-Partei, die das Land seit 1963 regiert.