Dienstag11. November 2025

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Wussten die Passagiere vom Absturz?

Wussten die Passagiere vom Absturz?
(Christophe Olinger)

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Der Luxair-Anwalt Me Guy Loesch und der Präsident der Strafkammer Prosper Klein diskutierten am Donnerstag über den sogenannten "moralischen Schaden".

Am Donnerstag schloss Me Guy Loesch sein Plädoyer ab. Er vertritt alle Angeklagten der Luxair, bis auf den Piloten, bei der Schadensersatzklage. Am Mittwoch hatte der Anwalt erklärt, dass weitere Entschädigungsansprüche hinfällig seien, weil die Familien der Opfer schon von der Fluggesellschaft nach dem Crash entschädigt worden seien und weil laut Konvention von Warschau ein Strafgericht in Flugunfallprozessen für finanzielle Entschädigungen nicht kompetent sei. Diese Aussage stieß bei den Anwälten der Nebenklage jedoch auf nur wenig Verständnis.

Der Anwalt der Luxair betonte, dass die Schadensersatzklage sich laut Konvention von Warschau nur auf die Angehörigen der Passagiere und nicht auf die Familien des getöteten Bordpersonals anwenden könne. Letztere seien durch die Sozialversicherungen abgedeckt. Der Präsident der Strafkammer, Prosper Klein, entgegnete, dass man sich in diesem Zusammenhang auch eingehend über unterschriebene Berufs- und Zusatzversicherungspolicen informieren müsse.

Der „moralische“ Schaden

Anschließend diskutierten Guy Loesch und Prosper Klein über den sogenannten „moralischen Schaden“. Der Anwalt war der Meinung, dass in diesem Zusammenhang keine erschwerenden Umstände geltend gemacht werden können, weil zum Beispiel die Familien relativ schnell Klarheit über den Zustand ihres Familienmitglieds hatten. Der Richter betonte aber, dass man dies Fall für Fall analysieren müsse.

Eine andere Frage beschäftigte ebenfalls das Gericht. Wussten die Passagiere, dass man crashen würde? Hatten sie vor dem Aufschlag eine Ahnung? „Unwahrscheinlich“, sagte der Anwalt, der aber Probleme hatte, das Gericht zu überzeugen.

Familien haben bereits Geld erhalten

Der Anwalt der Luxair versuchte Fall für Fall zu erklären, warum einige der Schadensersatzklagen nicht zulässig seien. Meistens wurde argumentiert, dass die Familien schon Geld erhalten hätten. Dann wurden bei den materiellen Entschädigungsanfragen fehlende Quittungen bemängelt. In einem Fall wurde ein Erbproblem aufgeworfen. Dann war Me Loesch der Auffassung, dass im Falle wo eine Zahlung vorgenommen werden muss, die Angehörigen der Opfer aber schon einen Betrag erhalten haben, die Höhe der Entschädigung neu berechnet werden müsse. Der Verteidiger wiederholte regelmäßig während seinen Ausführungen, dass man den Familien der Opfer ihre Entschädigung nicht vorenthalten wolle. Es handle sich lediglich um juristische Fragen.

Im Fall der ehemaligen Lebenspartnerin des Kopiloten und der Familie der Flugbegleiterin sei die Unfallversicherung in der Pflicht, weil es sich um einen Arbeitsunfall handele, so Loesch, der bei verschiedenen Opfern unterschriebene Schadensersatzverzichte vorlegte. Die Angehörigen der Flugbegleiterin haben indes noch kein Geld erhalten.

Keine Invalidenrente für Poeckes

Was die Nebenklage der Rentenkasse anbelangt, komme auch die Unfallversicherung zum Tragen. Sie übernehme in jedem Fall die Witwen- und Halbwaisenrenten. Loesch sieht keinen Grund, mehr Rechte geltend zu machen, als die, die vom Gesetz vorgesehen sind. Der Anwalt ist auch der Meinung, dass der Anspruch des Piloten, Claude Poeckes, auf eine Invalidenrente nicht fundiert ist. Deshalb habe er ihn auch nicht verteidigt, was die Zivilklagen anbelangt.

Auf die Plädoyers folgten die sogenannten „Repliken“. Die Anwälte haben dann die Möglichkeit auf das Gehörte und Gelesene zu reagieren. Me Weinacht, Vertreter der Rentenkasse, betonte, dass man die Verfassung verletze indem man der Rentenkasse nicht erlaube, einen Teil ihrer Dienstleistungen im Rahmen des Prozesses zurück zu fordern. Das Grundgesetz sieht die Gleichstellung aller Menschen und Institutionen vor dem Gesetz vor. Claude Poeckes wurde von der Rentenkasse aufgefordert, im Falle einer Verurteilung einen Teil seiner Invalidenrente zurück zu zahlen.

„Poeckes Schuldverschiebung inakzeptabel“

Bei den Antworten auf die Plädoyers der Verteidiger störten sich mehrere Anwälte der Nebenklage daran, dass die Chefs versucht hatten, ihre Mitschuld durch Aufgaben- und Verantwortungstransfers auf ihre Kollegen oder Untergebenen zu übertragen. Als inakzeptabel wurde auch die Tatsache gewertet, dass Claude Poeckes seine offensichtliche Schuld nicht akzeptiere und sie trotz erdrückender Beweislast immer noch bei den Anderen suche. Der Unglückspilot macht eine technische Panne und die unklaren Angaben des Towers für den Crash verantwortlich.

Die Anwälte der Nebenklage versuchten auch durch das Zitieren verschiedener Konventionen, Gesetze und Jurisprudenzen zu überzeugen, dass ein Strafgericht sehr wohl für jegliche Schadensersatzforderungen, auch im Bereich der Flugunfälle, kompetent sei. Von der Regelung seien auch die sogenannten „Préposés“ (Chefs) betroffen. Der für die Schadensersatzklagen verantwortliche Luxair- Anwalt hatte dies in seinem Plädoyer bezweifelt und sich auf die Konvention von Warschau berufen.

Am 6. November 2002 fiel bei Niederanven eine Fokker 50 der Luxair runter. 20 Menschen starben. Nur der Pilot und ein Passagier überlebten den Crash. Seit dem 9. Oktober stehen sieben Personen vor Gericht, darunter drei Ex- Generaldirektoren, ein technischer Direktor, zwei Techniker und der Pilot der Unglücksmaschine.