Mittwoch5. November 2025

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„Wir Volendamer arbeiten hart“

„Wir Volendamer arbeiten hart“

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Wie Unzufriedenheit und Regulierung viele in Wilders’ Arme treiben - eine Tageblatt-Reportage aus dem niederländischen Fischerdorf Volendam.

Bei der Führung durch das Museum im kleinen Fischerort Volendam wird schnell klar, wieso viele Dorfbewohner unzufrieden sind. Viele Traditionen, die einst den Ort prägten, sind Regulierungen aus Brüssel zum Opfer gefallen.

„Erdogan nennt uns Nazis und die Zeitungen berichten über uns, als wären wir ein Dorf voller Rassisten“, klagt Wim Keizer (82). Er ist Präsident des Volendam-Museums. Keizer hat mich zu einer Führung durch das Heimatmuseum des kleinen Fischerdorfes, das nördlich von Amsterdam liegt, eingeladen. Früher war Keizer Lokalpolitiker im Ort. Nun ist sein ganzer Stolz das Museum. Er zeigt mir die traditionellen Trachten, wie sie vor 100 Jahren getragen wurden. Dann sagt er: „Maler aus aller Welt kamen nach Volendam.“ Keizer zeigt mir restaurierte Bilder von französischen, belgischen und deutschen Malern. „Das hier wurde 1977 aus New York wieder zurück nach Volendam gebracht.“

„Und nun nennt er uns Nazis …“

„Unser Ort hat eine 200-jährige Geschichte. Wir haben hunderte Missionare nach Afrika geschickt, die dort Kirchen, Krankenhäuser und Schulen gebaut haben. Immer haben wir den Menschen geholfen und die Armen unterstützt. Und nun so was. Erdogan ist ein Hitler, ein Stalin. Und er nennt uns Nazis, weil wir seine Minister nicht hereinlassen. Sie wollen ja nur Werbung für Erdogan machen. Unser Premier Mark Rutte hat richtig gehandelt, indem er sie abgewiesen hat. Damals im Krieg haben die deutschen Nazis Rotterdam zerbombt und 220.000 Menschen umgebracht. Und nun kommt Erdogan daher und sagt, die Rotterdamer seien Nazis.“ Keizer schüttelt den Kopf. „Und die Franzosen lassen den türkischen Außenminister in Metz, nahe der luxemburgischen Grenze, auftreten. Das ist verrückt. Das ist nicht gut für Europa.“

Wir laufen an einer Miniatur-Windmühle vorbei, davor eine Vase mit künstlichen Tulpen, darüber hängen niederländische Flaggen. Ich bitte Keizer, vor dem Motiv für ein Foto zu posieren. Für die Zeitung. „Ja, die Medien“, seufzt er. „Sie schreiben, dass das ganze Dorf Wilders wählt. Es gibt viele Wilders-Anhänger hier. Aber uns Volendamer mit einem Hitler-Bärtchen in der Presse abzudrucken, das geht dann doch zu weit. Die Holländer wählen Wilders aus Protest. Sie sind unzufrieden mit Brüssel. Und Wilders sagt, was in Brüssel nicht klappt. Er sagt das, was die Leute hier denken. Und was andere Politiker denken, es aber weder sagen noch tun. Auch andere Parteien sind davon überzeugt, dass die Immigration schwierig ist. Die Regierung müsste den Menschen in der Straße zuhören. Es geht nicht um das Verbot des Islams. Es geht eigentlich um Brüssel. Letztes Jahr kam Mona Keizer von der konservativen CDA zur Ausstellungseröffnung ins Museum. Sie ist Volendamerin und die Nummer zwei der CDA in Holland. Sie setzt sich für die Armen ein. Ihre Politik ist sehr sozial. Sie muss man wählen.“ – „Keizer?“, frage ich verwundert. „Ja, sie ist verwandt mit mir.“

Gottesfiguren, Rockbands und Krabben

Wir laufen an zahlreichen Gottesfiguren vorbei. Das Dorf sei römisch-katholisch, erklärt mir der Präsident. Der Nachbarort Marken sei dagegen evangelisch. Etwas weiter zeigt er mir Bilder mehrerer Rockbands. „Die Volendamer sind sehr musikalisch. Wir singen alle.“ Die Musiker reihen sich in die Tradition der vielen Künstler ein, allen voran jene der Maler, die Volendam besuchten. An einer anderen Wand hängen alte Schwarz-Weiß-Bilder vom Hafen. „Wir Volendamer arbeiten hart. Sie strengen sich an für ihr Geld und besitzen alle ein Eigenheim. Die Volendamer akzeptieren es nicht, wenn Immigranten hierherkommen, nicht arbeiten und von der Sozialhilfe leben. Auf ihre Kosten. Wer einwandert und sich an die Regeln hält, darf bleiben, so die Meinung hier. Wer aber kriminell ist oder sich an den Frauen vergeht, soll zurückgehen.“

Keizer zeigt mir Wachsfiguren, die Krabben aus großen Behältern umfüllen. „1980 war es hier vorbei mit den Krabben. Brüssel hat es verboten. Die Volendamer haben gut verdient daran. Als wir die Krabben nicht mehr fangen durften, haben wir das Know-how nach Marokko gebracht. Damit hat Volendam ein Exempel für die ganze Welt statuiert. Denn das ist die Lösung. Wir müssen die Arbeit nach Afrika bringen. Denn wir können nicht Millionen Afrikaner hier aufnehmen. Wir müssen in Afrika helfen. Die Volendamer Missionare tun das seit über 100 Jahren. Sehen Sie sich Calais an. 40.000 Afrikaner haben dort auf eine Überfahrt nach Großbritannien gehofft. Das ist die Ursache für den Brexit. Und Wilders will das Gleiche mit den Niederlanden tun. Aber das passiert nicht.“

„Auch das hat Brüssel uns verboten“

Auf einem Fernsehbildschirm läuft ein Video, auf dem die traditionelle Zubereitung von geräucherten Aalen erklärt wird. „Damals haben wir die Aale im Ijsselmeer gefangen. Heute ist das Geschichte. Es war eine große Tradition in diesem Ort. Doch auch das hat Brüssel uns verboten.“

Im hintersten Raum des Museums zeigt Keizer mir das wohl schönste Zimmer. Alle vier Wände sind mit Zigarrenbanderolen beklebt. „Wir haben hier Banderolen aus 265 verschiedenen Fabriken.“
Die Motive reichen vom Brüsseler Manneken Pis über die Freiheitsstatue in den Vereinigten Staaten bis hin zum Kölner Dom und dem Vatikan. „Es sind 11 Millionen Stück“, sagt Keizer. „Wir sind das einzige Museum weltweit, das eine solche Kollektion hat. Damit wollen wir eine weitere Tradition aus Volendam hervorheben. Damals hat jeder Zigarren geraucht.“