Im Studio von „Nea TV“ wirkt Jean-Claude Reinhard fröhlich, voller Tatendrang. Der Lokalsender hat ihn eingeladen um über sein innovatives Boutique-Hotel zu sprechen, das er in kürzester Zeit zum Erfolg geführt hat. Das war vor ziemlich genau einem Jahr. Wenn er jetzt zurück blickt, kommt es ihm wie eine Ewigkeit vor. Vor acht Jahren reist Jean-Claude Reinhard aus Esch/Alzette das erste Mal nach Kreta. Das einfache Leben auf der sonnigen Insel und die herzlichen Griechen wachsen ihm sofort ans Herz.
" class="infobox_img" />Jean-Claude Reinhard diesen Juni im Krankenhaus
Erste Anzeichen der heutigen Krise bleiben dem erfahrenen Projektmanager damals keineswegs verborgen, allerdings sieht er diese vielmehr als Ansporn denn als Hindernis. Mit neuen Ideen möchte er den Einwohnern bei der Umsetzung ihrer Projekte in der Tourismusbranche helfen und die Kassen wieder zum klingeln bringen.
Nach einer dreijährigen Vorbereitungsphase kehrt Jean-Claude dem nass-kalten Luxemburg endgültig den Rücken und zieht nach Chania, die zweitgrößte Stadt auf Kreta. Er arbeitet bis zu 21 Stunden am Tag, verhilft Hotels und Geschäften der Einheimischen zu neuem Erfolg. Doch das Leben auf der Überholspur hat seinen Preis: Vor zwei Jahren muss er wegen starker Schmerzen in die Notaufnahme, die Diagnose ist jedoch nicht eindeutig und er macht weiter wie gewohnt.
Der Anfang vom Ende
Mit Hilfe eines israelischen Investoren gelingt es ihm sogar, etwas Eigenes aufbauen – das „Ambassadors Residence Boutique Hotel“, das ihn für die Zukunft absichern soll. Jedoch sollte sein „Baby“, das „Ambassadors“, der Anfang vom Ende sein. Im September 2014 landet Jean-Claude erneut wegen einer heftigen Schmerzkrise in die Notaufnahme. Dort muss er erfahren, dass man unter anderem Metastasen an der Bauchspeicheldrüse gefunden. Da der Hotelinvestor die versprochene Krankenversicherung bisher nicht abgeschlossen hat, muss der Projektmanager die Behandlung aus eigner Tasche zahlen.
Damit aber nicht genug. Nachdem der Auswanderer wieder einigermaßen auf den Beinen ist, wird er von den israelischen Investoren abgesägt: „Mein Vertrag ist nach griechischem Gesetz nicht einklagbar, und so wurde ich – wie mein Anwalt es formuliert – ausgepresst wie eine Limone, und verlor mein gesamtes Lebensprojekt.“ Es folgen ein Nervenzusammenbruch und unbehandelte Schmerzkrisen. „Da ich meinen letzten Euro über den Winter für die Bezahlung des Personals ausgegeben hatte, da sie alle Familien haben, fand ich mich Ende diesen Januars ohne finanzielle Mittel wieder. Ich versuchte gleich eine neue Arbeit zu finden – angesichts der aktuellen Lage in Griechenland, erfolglos“, so der verzweifelte Luxemburger.
Sozialer Abstieg
Mittlerweile ist Jean-Claude vom Sozialamt abhängig und lebt in der ständigen Angst, auf der Straße zu landen. Da er sich in den guten Zeiten in Chania viele Freunde gemacht hat, unterstützen ihn diese jetzt, wo sie nur können, obwohl die Krise ihnen selbst zum Teil schwer zugetragen hat. Für die medizinische Notversorgung hat das Sozialamt ihn an die Organisation „Médecins du Monde“ verwiesen, die eine Praxis in Chania hat.
Als er sich seiner ausweglosen Situation bewusst wird, beginnt er nach jedem Strohhalm zu greifen: „Irgendwann fiel mir ein, dass ich 32 Jahre lang in Luxemburg regelmäßig Sozialabgaben gezahlt habe. Wenn man mir dieses Geld auszahlen würde, dann könnte ich mir die medizinischen Eingriffe leisten.“ Er beginnt Anfang Juni, Hilferufe per E-Mail an die Ministerien und verschiedene Institutionen in Luxemburg zu schicken, die Dokumente für seine Invalidenrente und einen Diagnosebericht von „Médecins du Monde“ im Anhang. Eine deutsche Ärztin äußert in letzterem Schreiben den Verdacht auf Bauchspeicheldrüsenkrebs und rät dringend zur Entfernung der chronisch entzündeten Gallenblase.
Kampf mit den Behörden
Erst nachdem er seine Unterlagen mehrmals an die CNAP schickt und explizit erwähnt, dass ihm die Zeit davon läuft, erklärte man ihm schriftlich und später auch in einem persönlichen Telefongespräch, dass man nichts für ihn tun könne, so lange Griechenland ihm keine Invalidenrente zuspreche. „Die griechische Invalidenrente kann ich jedoch vergessen, da ich – wie so ziemlich jeder hier – selten mehrere Monate am Stück ‚offiziell‘ beauftragt wurde“, gesteht der Manager, der bei seinen eigenen Angestellten dagegen immer darauf geachtet habe, dass sie ordentliche Verträge und eine Krankenversicherung bekommen.
„Ich kann nicht mehr“, schreibt er uns aus Griechenland. Den dreiwöchigen Krankenhausaufenthalt, den er gerade hinter sich hat, zahlt die Stadt Chania, „alle für die Operationen nötigen Tests können aber nur gemacht werden, wenn ich versichert bin oder eben cash zahle, da ich ja zurzeit nicht interniert bin. Werden die Metastasen nicht bald entfernt, dann bleibt mir noch ungefähr ein Jahr.“
Rückkehr nach Luxemburg?
Eine Gewerkschaft aus Luxemburg rät Jean-Claude in einem Schreiben deshalb zu einer schnellstmöglichen Rückkehr nach Luxemburg, wo er seine Ansprüche auf Arbeitslosengeld und eine umfassende medizinische Behandlung geltend machen kann. Es bleibt allerdings das Problem, dass er seine Rückführung aus eigener Tasche bezahlen muss und für seine Verwandten eine schwere finanzielle Belastung wäre. Hierfür hat Luxemburg wiederum eine Lösung: Eine Wohnung im Obdachlosenheim.
„Ich frage mich mittlerweile, was es mir eigentlich bringt, wenn ich nach Luxemburg zurückkehre“, meint der schwerkranke Auswanderer. „Die Ärzte hier in Griechenland sind wunderbar, auch wenn sie mit spärlichem Inventar auskommen müssen. Wenn sich die Diagnose ‚Bauchspeicheldrüsenkrebs‘ bestätigt, dann ist es sowieso vorbei. Ich würde mir in dem Fall wirklich wünschen, dass man mir einfach nur einen Teil meiner Rente zukommen lässt, damit ich meine verbleibenden Tage in Friede in meiner selbstgewählten Heimat verbringen kann. Wenn ich tot bin, fallen meine angesparten Einzahlungen zurück an den Staat, wie mir die CNAP eröffnet hat – dieses ständige Herumreiten auf den Gesetzen kommt mir gerade vor, als ob man nur darauf warten würde.“
De Maart
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