Liebevoller Vater von drei Kindern – oder Gründungsmitglied einer berüchtigten Gang? Die Meinungen über Mark Duggan, 29, der am vergangenen Donnerstag bei einer Polizeikontrolle in Tottenham erschossen wurde, gehen weit auseinander. Informationen über den jungen Mann, dessen Tod schwere Unruhen in ganz England ausgelöst haben, sind sehr spärlich.
Die britischen Medien zeigen den Schwarzen aus dem Armenviertel im Norden Londons mehrheitlich als Gangster und Drogendealer. Sie zitieren Polizeiangaben, wonach Mark Duggan ein „Major Player“ der „Star Gang“ und den Sicherheitsbehörden bestens bekannt war.
Familienvater, Taxifahrer — Drogenkurier?
Freunde und Verwandte hingegen wehren sich gegen dieses negative Bild des Getöteten: „Mark war ein guter Mensch“, sagte ein Verwandter dem „Guardian“, als er Blumen im Vorgarten der trauernden Familie niederlegte. «Er war ein Familienmensch!» Eine Schwester erklärte: „Er war doch nicht so blöd, auf die Polizei zu schiessen. Das ist einfach lächerlich.“
Mark Duggan hätte am 15. September seinen 30. Geburtstag gefeiert. Er war Vater von drei Kindern – Kemani (10 Jahre), Kajaun (7 Jahre) und Kahliya (18 Monate) – und regelmässiger Benutzer von Taxis: Zwei bis dreimal pro Woche fuhr er im Cab nach Walthamstow und Edmonton. War Mark Duggan ein Drogenkurier? Auf der Strasse jedenfalls kannte man ihn unter dem Übernamen „Starrish Mark“: ein Name, der ihn laut „Independent“ in die Nähe krimineller jamaikanischer Gruppen in London bringt.
Wer hat zuerst geschossen?
Am Abend seines Todes war Duggan Ziel einer großen Operation der Sondereinheit Trident gewesen, die in Großbritannien für Schusswaffendelikte in der schwarzen Community zuständig ist. Sie observierte den jungen Familienvater schon seit längerem und wollte ihn kontrollieren. Minuten vor seinem Tod bemerkte er, dass ihm die Polizei folgt. In seiner letzten SMS an seine Verlobte schrieb Mark Duggan: „Die Bundespolizei verfolgt mich.“ Wenig später ist er tot. Getötet durch einen einzelnen Schuss in die Brust.
Wie ist es zu dem fatalen Schußwechsel gekommen, bei dem auch ein Polizist schwer verletzt wurde? War Mark Duggan bewaffnet gewesen, als er von der Polizei angehalten wurde? Hat er als Erster das Feuer eröffnet, wie die Polizei behauptet? Ganz Grossbritannien fragt sich, was am Donnerstag um 18.15 Uhr in Tottenham genau passiert ist. Die genauen Umstände soll eine unabhängige Untersuchungskommission klären.
Unbestritten ist inzwischen, dass Mark Duggan tatsächlich eine Schußwaffe bei sich getragen hat. Offenbar handelt es sich dabei um eine Art Signalpistole, wie sie auch an Sportanlässen verwendet werden. Allerdings war sie so modifiziert, dass sie fünf tödliche Kugeln abfeuern konnte.
„Er ist kein Gangster. Er ist nicht so!“
„Mark ist ein guter Vater gewesen“, sagte Semone Wilson, Mark Duggans Verlobte zum „Guardian“. Er habe seine Kinder über alles geliebt. Dass er eine Waffe hatte, habe sie nicht gewusst. Doch selbst wenn — ihr Liebster wäre eher weggelaufen, als zu schiessen. „Mark war ein Runner.“ Das Paar wollte bald heiraten und von Tottenham wegziehen, um mit den drei Kindern ein neues Leben anzufangen. „Er ist kein Gangster. Er kennt keine Gangster oder Gangs. Er ist nicht so!“, so Semone Wilson.
Die Polizei wiederum wehrt sich gegen den Vorwurf, ohne Anlass einen Unschuldigen erschossen zu haben: „Wir würden keine Zeit mit einem Überwachungsteam und Sondereinheiten vergeuden, wenn er ein kleiner Fisch gewesen wäre. Dafür haben wir schlicht keine Ressourcen“, gab ein Polizist zu bedenken.
Tatsächlich zeigte sich Mark Duggan auf Facebook in einem T-Shirt der „Star Gang“, die mit anderen Londoner Untergrundgruppen befreundet sein soll. Auf mehreren Fotos ist er in Gangsterpose zu sehen. Selbst „The Voice“, England führende Zeitschrift für Schwarze, bringt Duggan und seinen besten Freund Kelvin Easton, der im März in einem Nachtclub erstochen wurde, mit der „Star Gang“ in Verbindungen.
De Maart

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