Sonntag19. Oktober 2025

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Schwere Vorwürfe gegen den Piloten

Schwere Vorwürfe gegen den Piloten
(Unfallbericht)

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Wie war der Gemütszustand der Piloten vor dem Aufprall am 6. November 2002? Aufschluss darüber sollen überarbeitete Aufzeichnungen geben, die am Dienstag vor Gericht vorgespielt wurden.

Die Sitzung am Dienstag begann mit einem Einwand des Rechtsbeistands des angeklagten Piloten, Claude Poeckes. Er versuchte das Abspielen der Bänder zu verhindern. Es sei kein offizielles Beweisstück. Hier würden die persönlichen Rechte seines Mandanten verletzt, so der Anwalt. Richter Klein widersprach dem. Es handele sich nicht um einen Beweis in einer Strafsache, sondern um eine Demonstration im Rahmen einer Zivilklage. Me Urbany, auf dessen Initiative die tontechnisch überarbeiteten Bänder abgespielt werden, habe das Recht die Aufnahme in öffentlicher Sitzung vorzuspielen. Der Staatsanwalt bestätigte die Aussagen des Richters. Es ginge einzig und allein um die Wahrheitsfindung, so die einleitende Bemerkung Urbanys.

Der Crash sei eine Mischung zwischen dem Fehlen einer zusätzlichen Sicherung des Schubhebels in der Fokker 50 und einer Reihe von menschlichen Fehlern während des Fluges. Alle Angeklagten seien schuldig, betonte Urbany. Sie alle hätten nicht das Notwendige getan, um die Katastrophe zu verhindern und als „bon père de famille“ gehandelt.

Pilot war sich seiner Verantwortung nicht bewusst

Der Pilot sei sich seiner Verantwortung nicht bewusst gewesen, sonst hätte er sich an die vorgeschriebenen Prozeduren gehalten. Die Fokker hätte genauso gut auf Häuser stürzen können, dramatisierte der Anwalt. Der Versuch, die Schuld auf einen technischen Defekt zu schieben und durch einen „Experten- Zeugen“ zu untermauern, sei glücklicherweise kläglich gescheitert.
Dann attackierte der Anwalt die für die Technik Verantwortlichen der Luxair. Durch ihr Verhalten sich gegenseitig die Verantwortung zuzuschieben hätten sie das Unfallrisiko erheblich erhöht.

Auch die Direktoren der Luxair sind in den Augen des Anwalts schuldig. Sie brachten es nicht fertig, ihr Unternehmen so zu organisieren, dass solche Fehler nicht passieren konnten. Die Struktur bei Luxair sei ein Opfer ihrer „Verkrustung“ gewesen, nach 30 Jahren unter derselben Führung. 2000 wurde ein internes Audit bei der Fluggesellschaft durchgeführt. Dabei kam heraus, dass die Firma ein „Saftladen“ war, so der wütende Anwalt. Die Prüfer regten unter anderem die Einstellung von mindestens drei Diplom-Ingenieuren sowie eine grundlegende Restrukturierung des Ingeneering und der Wartung an. Jean- Donat Calmes und Christian Heinzmann könnten wegen ihrer kurzen Zeit an der Spitze der Luxair nicht auf dem Laufenden über alle Probleme gewesen sein, bemerkte Urbany.

Die Aufzeichungen

Der Anwalt eines Nebenklägers spielte erst am Ende seiner ausführlichen Ausführungen, sozusagen als „krönenden Abschluss“, die Auszüge des C.V.R (Cockpit Voice Recorder) ab.

Auf den Aufzeichnungen ist zu hören, wie etwa 30 Minuten vor dem Crash Informationen über die minimale Sicht angefordert werden. Man hat sie darüber informiert, dass nicht nur die Sicht schlecht ist, sondern auch, dass keine Änderung zu erwarten sei. Poeckes ist enttäuscht.

Poeckes will landen

Poeckes kündigt an, er wolle unbedingt landen, weil er aufs Klo müsse. Der Flug wird fortgesetzt. Der Flughafen von Frankfurt hat sie auf dem Radar. Co- Pilot Arend erzählt über seine Führerschein- Eskapaden. Er ist aber trotzdem konzentriert und antwortet sofort auf die Mitteilungen der Flugsicherung. Er informiert den Tower, dass man mit dem Landeanflug beginnen werde. Kein Hindernis in Sicht.

Arend sagt, jetzt müsse man etwas arbeiten. Sie fordern die Wetter-Infos an. Diese seien schlecht, sagt der Tower. „Scheiße“, so die Reaktion des Bordkommandanten. Arend bleibt ruhig und sagt lediglich, es sehe schlecht aus für eine Landung. Poeckes sagt dann, „Vater arbeitet mit allen Tricks“. Der Kopilot unterbricht den Piloten. Er will den Funk hören. Dieser sagt der Crew, es handele sich um einen Landeaanflug der Kategorie zwei (schlechte Sicht). Anschließend erklärt Poeckes, wie er trotz dichtem Nebel die Maschine runterbringen will. Er will eine Schleife fliegen und warten, bis dass die Sicht „fast 300“ ist. Arend ist skeptisch und sagt mehrmals „Hmm“. Poeckes will bis auf 275 warten. Arend warnt ihn jedoch, dass die Sicht lediglich bei 250 liegt und betont, dass es auch bei 275 beschissen aussieht. Danach ordnet Poeckes an, die Passagiere zu informieren. „Gar nichts muss ich. Du fliegst“, so die Antwort des Kopiloten. Man fragt sich, was man den Leuten erzählen soll. „Schlechte Sicht. Harte Landung… Weiß nicht“, so die Antwort des Kommandanten.

„Bla, bla, bla…“

Der Tower in Frankfurt ordnet an, weiter runterzugehen. Arend antwortet. Wieder fragt er, was er den Passagieren sagen soll. „Starker Nebel…. Bla, bla, bla“, kommt es von Poeckes. Er solle einfach irgendetwas sagen. Wenn es schief gehe, werde er selbst etwas sagen. Der Sinkflug geht weiter. Poeckes kündigt an, sie seien in etwa einer Viertelstunde da. „Bravo 4“ ist die gewünschte Docking-Station. Wieder wird nach dem Wetter gefragt. „250 Meter Sicht“ kommt es von Tower. Und es sei keine Änderung zu erwarten. Wenn die Lage sich nicht ändert, würden sie nach Saarbrücken umgeleitet. Unmut macht sich bei Poeckes breit. Er startet einen weiteren Versuch und fragt ob eine Cargolux demnächst abhebt. Man informiert ihn, dass in genau diesem Moment eine Cargolux startet. Claude Poeckes explodiert: „Ich gehe nicht nach Saarbrücken“. Er hört den Funk von Saarbrücken ab. Sicht von über 2000 Metern. Und das Wetter wird besser. Man könne dort landen. Der Radar von Frankfurt rät der Maschine, den Landeanflug zu stoppen und eine Schleife via Diekirch zu fliegen.
Poeckes antwortet dem Tower „ok“. Arend ist nicht im Cockpit. Zu diesem Zeitpunkt weiß der Kopilot noch immer nicht, was er den Passagieren sagen soll. „Aehh… Es ist nebelig…“

Das Flugzeug wird jetzt vom Tower aus Luxemburg übernommen. Der Kopilot informiert den Kontrollturm, man wurde nach Diekirch ausweichen. Der Tower bestätigt die ungenügenden Sichtverhältnisse für eine Landung. Andere Flieger müssten ebenfalls eine Schleife fliegen. Jetzt endlich erfolgt eine Durchsage an die Reisenden. Man müsse wegen des schlechten Wetters eine Warteschleife fliegen und man werde die Passagiere über das weitere Vorgehen auf dem Laufenden halten, so die Durchsage Arends.

Der Rest der Aufnahme, die letzten acht Minuten vor dem Crash, werden am Mittwoch angehört.