Sonntag9. November 2025

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Schweigeminute für Anschlagsopfer

Schweigeminute für Anschlagsopfer
(dpa)

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Mit einer Schweigeminute gedachte Norwegen der Opfer der Terroranschläge. Der Attentäter soll einem Haftrichter vorgeführt werden. Laut Polizei war keine weitere Person beteiligt.

Dass es sich um einen Einzeltäter handelte, sagte die zuständige Polizeijuristin Carol Sandby der Online-Zeitung „VG Nett“.

Der 32-Jährige hatte in Verhören nach den beiden Anschlägen vom Freitag mit mindestens 93 Toten, erklärt, dass er seine Motive vor dem Haftrichter darlegen wolle. Dafür wünsche er Öffentlichkeit. In seinem sogenannten „Manifest“ im Internet hatte Breivik geschrieben, dass er die Zeit nach einer möglichen Festnahme als „Propagandaphase“ nutzen wolle. Nach den Ermittlungen handelte der Massenmörder wahrscheinlich als Einzeltäter. Neun Jahre lang soll er seine Taten geplant haben. Die Polizei äußerte sich am Sonntagabend zurückhaltend zum Motiv. Sie stieß im Internet auf eine 1500 Seiten lange Hassschrift des Mannes.

Gedenkminute für Opfer

In ganz Norwegen wurde der überwiegend jugendlichen Opfer des beispiellosen Verbrechens um 12.00 Uhr mit einer Schweigeminute gedacht. Überall in dem skandinavischen Land ließem die knapp fünf Millionen Bürger die Arbeit ruhen. Alle Eisenbahnzüge wurden zum Halten gebracht, in der Hauptstadt Oslo ruhte auch der Straßenverkehr.

„Zum Gedenken an die Opfer aus den Osloer Regierungsgebäuden und von Utøya erkläre ich eine Minute nationale Stille“, sagte Stoltenberg vor der Aula der Osloer Universität. Nach der Schweigeminute trugen sich die Mitglieder der Königsfamilie als erste in ein ausgelegtes Kondolenzbuch ein. Bei regnerischem Wetter versammelten auf dem Vorplatz tausende Menschen.

Erschreckende Details

Mehr als zwei Tage nach dem Massaker auf der Fjordinsel Utøya mit mindestens 86 Toten und der Bombenexplosion in Oslo mit mindestens sieben Todesopfern kommen weiter immer neue schreckliche Details an die Öffentlichkeit. Der Chirurg Colin Poole vom Ringerike-Krankenhaus in Hønefoss gab an, dass der Attentäter offenbar spezielle Munition eingesetzt habe, um maximale Schäden bei seinen Opfern hervorzurufen. Poole sagte der Zeitung „Dagbladet“ nach der Behandlung von 16 Opfern in seinem Krankenhaus: „Ich habe nie zuvor diesen Typ von Schusswunden gesehen.“ Die Projektile hätten sich offenbar in den Körpern der Getroffenen stark fragmentiert und seien nicht wieder ausgetreten.

Der 32-Jährige hat am Freitag auf der Fjordinsel Utøya mindestens 86 Teilnehmer eines sozialdemokratischen Jugendlagers getötet. Kurz vorher starben mindestens sieben Menschen durch eine von dem Rechtsradikalen platzierte Autobombe im Osloer Regierungsviertel. Nach den Ermittlungen handelte der Massenmörder wahrscheinlich als Einzeltäter.

„Christlicher Fundamentalist“

Der von den Behörden als „christlicher Fundamentalist“ eingestufte Mann richtete auf einer winzigen Ferieninsel nahe Oslo ein grauenhaftes Blutbad unter rund 700 jungen Leuten an. Er erschoss auf einem fröhlichen Jugendtreffen gegen Intoleranz und für ein friedliches Miteinander mindestens 86 Teilnehmer oder trieb sie im Wasser in den Tod. „Jeder lief um sein Leben und hat versucht, wegzuschwimmen“, sagte Camp-Organisator Adrian Pracon (21), der das Blutbad mit einer Schussverletzung überlebte.

Eine Stunde lang schoss der Attentäter mit einem Schnellfeuergewehr gezielt auf die zunehmend panischen Jugendlichen, die weder von der Insel Utøya fliehen noch auf schnelle Hilfe hoffen konnten. „Es sah aus, als habe er Spaß“, sagte Augenzeuge Magnus Stenseth (18). Viele versuchten, sich zu verstecken oder die 700 Meter bis zum rettenden Ufer durch das kalte Wasser zu schwimmen.

Einzeltäter festgenommen

Eine Anti-Terror-Einheit konnte erst kein geeignetes Boot auftreiben. Als die Polizei endlich auf der Insel eintraf, ließ sich Breivik ohne Gegenwehr festnehmen. Obwohl er bereits seit gut einer Stunde um sich geschossen hatte, verfügte er zu dem Zeitpunkt „noch über große Mengen Munition“. Das teilte Ermittlungschef Sveinung Sponheim am Sonntag in Oslo mit. Mit ihrem „schnellen und kompetenten Eingreifen“ habe die Polizei einen noch weit schlimmeren Ausgang des Massakers verhindert, hieß es weiter seitens der Polizei.

Vor dem Massaker hatte der 32-jährige Norweger im etwa 40 Kilometer entfernten Oslo mit einer selbstgebauten Autobombe Teile der Innenstadt in eine Trümmerlandschaft verwandelt. Mindestens sieben Menschen wurden durch die Wucht der Explosion und Trümmer getötet. Das Büro von Ministerpräsident Stoltenberg wurde völlig verwüstet. Möglicherweise sollte die Explosion die Polizei ablenken.

„Notwendiges Massaker“

In einem Geständnis bezeichnete Breivik seine Taten als „grausam, aber notwendig“. Keine drei Stunden vor dem ersten Anschlag hatte er ein wirres „Manifest“ im Internet abgeschlossen: „Ich glaube, dies wird mein letzter Eintrag sein.“ Er wolle Europa vor „Marxismus und Islamisierung“ retten. In dem Text stufte er „multikulturelle“ Kräfte als Feinde ein. Er beschrieb den Bau einer Bombe, erwähnte auch die Jugendorganisation, die das Inselcamp organisiert hat. Niemandem habe er von seinen Plänen erzählt. Der Mann hat weder Frau noch Kinder. „Er sagt, dass er allein gehandelt hat. Das müssen wir jetzt sehr genau überprüfen“, erklärte Sponheim.

Seit dem Frühjahr hatte Breivik sechs Tonnen Kunstdünger zusammengekauft, der zur Herstellung von Bomben geeignet war. Der Hobbyschütze hatte über Netzwerke im Internet Kontakte in die rechte Szene. Er soll nun auf seinen Geisteszustand untersucht werden. „Es ist ausgesprochen schwer für mich, eine vernünftige Zusammenfassung von dem zu geben, was er in dem Verhör gesagt hat“, so Verteidiger Geir Lippestad in örtlichen Medien.

Weltweite Bestürzung

Die Beamten fürchteten, dass noch weitere Todesopfer entdeckt werden könnten. Rund um Utøya suchten Spezialisten am Sonntag nach mindestens vier Vermissten.

Die internationale Gemeinschaft zeigte sich erschüttert von den Anschlägen. Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Barack Obama verurteilten die Tat ebenso wie die Vereinten Nationen und die Europäische Union. Papst Benedikt XVI. warnte vor der Logik des Bösen. Für die Ermordung friedlicher Bürger gebe es keine Rechtfertigung, schrieb Kremlchef Dmitri Medwedew. Auch Luxemburgs Premier-Minister Jean-Claude Junker kondolierte in einem Brief, wo er die Terroranschläge als „barbarisch und unmenschlich“ verurteilte.