„Schwächeres Land“: Obama mit scharfer Russland-Kritik

„Schwächeres Land“: Obama mit scharfer Russland-Kritik
(AP/Pablo Martinez Monsivais)

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Nach den Vorwürfen, Russland habe die US-Präsidentenwahl beeinflusst, verschärfen die USA massiv den Ton. Präsident Barack Obama macht aus seiner Abneigung keinen Hehl mehr - und er adressiert Wladimir Putin persönlich.

Die USA verschärfen vor dem Hintergrund der Vorwürfe einer massivem russischen Beeinflussung der Präsidentenwahl deutlich den Ton. „Russland ist für die Angriffe auf die demokratische Partei verantwortlich“, sagte Obama am Freitag in Washington vor Medien. Dies werde von Erkenntnissen der Geheimdienste gestützt. Obama beschuldigte „oberste Stellen“ und sagte, es gebe wenig, was in Russland ohne Präsident Wladimir Putin geschehe.

Auch Vorwürfe wegen Syrien

Auch was den Krieg in Syrien angeht, gab es scharfe Kritik von Barack Obama. Der
US-Präsident warf der syrischen Regierung, Russland und dem Iran Verbrechen an Zivilisten in Aleppo vor. Die drei Verbündeten im syrischen Bürgerkrieg hätten unschuldige Zivilisten umzingelt, belagert und ausgehungert, sagte Obama am Freitag in Washington. Weitere Zivilisten seien hingerichtet, Mitarbeiter von Hilfsorganisationen und Mediziner bewusst zum Ziel von Militärangriffen gemacht worden.

Obama sagte, Syrien, Russland und Iran hätten Blut an den Händen. Ganze Stadtviertel lägen in Schutt und Staub. Die Welt sei im Entsetzen vereint.

Zugleich verteidigte der in fünf Wochen aus dem Amt scheidende US-Präsident seine Syrienpolitik. Es gebe in dieser Situation kein „billiges“ Eingreifen. Wenn die USA hätten intervenieren wollen, dann mit aller Kraft und allen Mitteln. (dpa)

Die US-Regierung beschuldigt Russland seit längerem, hinter Angriffen auf Computersysteme politischer Organisationen und Institutionen in den USA zu stehen und sich so in den Wahlkampf eingemischt zu haben.
Obama sagte, er habe Putin im September am Rande des G20-Gipfels in China persönlich aufgefordert, die Angriffe einzustellen. Er habe ihm gesagt, dass es andernfalls sehr ernste Konsequenzen geben werde.

Vor der Wahl zurückgehalten

Putins außenpolitischer Berater Juri Uschakow sagte am Freitag bei einem Besuch Putins in Tokio der Agentur Interfax zufolge, schon damals habe Putin die Anschuldigungen dementiert. Putins Sprecher Dmitri Peskow betonte, die USA sollten entweder mit den Anschuldigungen aufhören oder Beweise vorlegen.

Obama sagte, er hoffe, dass sein Nachfolger Donald Trump die Besorgnis über die Einflussnahme eines fremden Landes teile. Er selbst habe sich mit noch klareren Hinweisen vor der Wahl zurückgehalten, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, seinerseits Einfluss auf den 8. November nehmen zu wollen. Geheimdiensten und Strafverfolgung sei es so möglich gewesen, ohne politischen Einfluss ihre Arbeit zu machen, sagte Obama.

Trump hat die bisherigen Erkenntnisse und Vorhalte der Geheimdienste zu Russland und der Wahl bislang rundweg abgetan.

„Russland kann uns nicht ändern“

Obama sagte: „Russland kann uns nicht ändern. Es ist ein kleineres Land, es ist ein schwächeres Land. Die Wirtschaft produziert nichts, was irgendjemand kaufen möchte.“ Er warnte: „Aber Russland kann uns beeinflussen, wenn wir vergessen, wer wir sind. Wenn wir uns von unseren Werten verabschieden.“ – „Warum haben so viele Amerikaner Vertrauen in Putin, den ehemaligen Chef des Geheimdienstes KGB? Wie konnten wir soweit kommen?“, fragte Obama. „Ronald Reagan würde sich im Grabe umdrehen.“

Man müsse sich fragen, in welchem Zustand das politische System sei, wenn eine so wichtige Wahl von solchen Cyberangriffen dermaßen beeinflussbar sei, sagte Obama. Das Thema der gehackten Daten habe die Berichterstattung vor der Wahl dominiert. „Ihr habt über alles berichtet. Es war wie eine Obsession.“ Die demokratische Bewerberin Hillary Clinton sei nicht fair behandelt worden.

Auch Clinton äussert sich

Die Vorwürfe einer Beeinflussung der US-Präsidentenwahl werden nach Angaben der Washington Post auch von FBI-Direktor James Comey und dem nationalen Geheimdienstdirekttor James Clapper geteilt. Die Bundespolizei hatte sich den Geheimdiensterkenntnissen bisher nicht öffentlich angeschlossen.

Clinton selbst bewertete in ihrer ersten Äußerung zu diesem Thema die angeblichen russischen Versuche als Angriff auf die Vereinigten Staaten. „Das war nicht nur eine Attacke gegen mich und meinen Wahlkampf“, sagte Clinton nach Angaben der New York Times bei einer Veranstaltung in New York. Putin habe sich mit den Angriffen persönlich an ihr rächen wollen. Russland versuche, mit seinen Cyberangriffen auf Einrichtungen der US-Demokraten die Demokratie an sich und die Sicherheit des Landes zu unterminieren, sagte Clinton.

Endgültiger Bericht noch vor Trumps Amtsantritt?

Zuvor hatte Obama Russland bereits deutlich wie nie Vergeltung angekündigt. Wenn eine ausländische Regierung versuche, den Wahlkampf zu manipulieren, müssten die USA handeln, sagte Obama dem Sender National Public Radio. „Und das werden wir – zu einer Zeit und an einem Ort unserer Wahl. Manches davon könnte offen geschehen und publik gemacht werden, manches nicht.“

Der scheidende US-Präsident sagte in dem am Freitag ausgestrahlten Interview, er habe sich zum Ziel gesetzt, einen endgültigen Bericht des Weißen Hauses zu den Hackerangriffen noch vor Trumps Amtseinführung am 20. Januar vorzulegen. Diese Absicht wiederholte Obama in seiner Abschlusspressekonferenz 2016. Danach reiste er nach Hawaii, wo er die Weihnachtszeit verbringen wird.