Premierminister stellt Vertrauensfrage

Premierminister stellt Vertrauensfrage
(AFP/Kenzo Tribouillard)

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Der französische Premierminister Manuel Valls hat in der Nationalversammlung in Paris die Vertrauensfrage in Verbindung mit einem Reformgesetz gestellt.

Im Juli 2014 hat der damalige Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg in Frankreich ein Reformgesetz zur Liberalisierung der Wirtschaft vorgestellt. Sein Nachfolger, Emmanuel Macron, kämpfte 435 Debattenstunden in der Nationalversammlung um die Durchsetzung des Gesetzes. Am 16. Juni, fast ein Jahr nach der Einbringung des Gesetzes in die Nationalversammlung, machte der französische Premierminister es zum Gesetz indem er in der zweiten Lesung – wie schon in der ersten – nach fast tumultartigen Szenen die Vertrauensfrage stellte.

Die Opposition, die den Plenarsaal verlassen hatte, stellte umgehend einen Misstrauensantrag, der allerdings keine Erfolgschance hat. Wirtschaftsminister Macron musste sich währen der Plenarsitzung vorhalten lassen, dass er gar nicht gewählt sei. Abweichler in der Fraktion der Sozialisten und die Kommunisten sowie die Linksaußen warfen Premierminister Valls vor, die Demokratie zu schädigen und das Parlament zu missachten. Regierungschef Valls und Minister Macron hielten dagegen, dass man 2.000 Änderungen an dem ursprünglichen Gesetz, die in der Mehrheit aus dem Parlament kamen, eingefügt hätte. „Irgendwann reicht es“, sagte Macron.

Schwierige Reformen

Die wesentlichen Punkte an dem 200 Artikel umfassenden Gesetz sind die Einführung von Fernbuslinien (Link) nach deutschem Muster das Aufbrechen der Monopole von Notaren, die Einführung von zwölf Sonntagen, an denen gearbeitet werden darf, oder auch die Begrenzung von Abfindungen auf maximal zwölf Monatsgehälter bei Entlassungen aus mittelständischen Firmen. Insgesamt handelt es sich um ein Minimal-Liberalisierungsgesetz.

Wie schwierig allerdings Reformen überhaupt in Frankreich sind, zeigte sich daran, dass alleine über die Einführung von zwölf Sonntagen, an denen die Geschäfte geöffnet sein dürfen, wochenlang gestritten wurde. Am Dienstag Nachmittag stand die Person des Wirtschaftsministers im Mittelpunkt der Diskussionen. Emmanuel Macron, ehemaliger Partner im Bankhaus Lazard, steht für alles, was im sozialistischen Lager wenig oder nicht gemocht wird. Er macht die Reformpolitik des Premierminister in der Wirtschaft. Er steht für die Angebots-Wirtschaft6süpolitik des Staatspräsidenten, er gilt als Sozial-Liberaler. Der etwa 40köpfige Flügel der Abweichler in der sozialistischen Fraktion in der Nationalversammlung lehnt ihn rundum ab.

„Persona non grata“

Macron war von der sozialistischen Parteiführung darauf hingewiesen worden , dass man ihn auf dem Parteitag Anfang Juni in Poitiers nicht sehen wolle. Macron war in der Rede des Premierministers ausgespart worden, obwohl Manuel Valls in ihr sonst jeden Minister seiner Regierung erwähnte. Macron, der so genannte Sozial Liberale gilt in weiten Teilen der Sozialisten als „persona non grata“.

Dem französischen Premierminister Manuel Valls geht es nicht besser. Er muss ohne Mehrheit regieren. Denn die Abweichler in der Fraktion sind die archaischen Sozialisten, die ihm klar gemacht haben, dass er entweder auf ihre linke Seite rückt oder ohne sie arbeiten muss. Das Tragische ist, dass die konservativen Republikaner das Gesetz durchaus unterstützen, genauso wie die Zentristen. Im Parlament aber lassen sie Valls gnadenlos durchfallen. Sie wollen sehen, wie er mit dem archaischen Partzeiflügel klar kommt.

Artikel aushebeln

Valls kommt mit diesem Parteiflügel gar nicht mehr klar. Er redet nicht mehr mit ihm. Er redet auch nicht mehr mit den Linken und nicht mehr mit den Kommunisten. Valls nutzt jetzt die Mechanismen der 5. Republik. Sie geben ihm die Möglichkeit sich direkt an die Öffentlichkeit zu wenden und mit der öffentlichen Meinung zu regieren. Die französische Nationalversammlung hat nicht im entferntesten die Souveränität eines deutschen Bundestages.

Der Präsident kann sie jederzeit auflösen und der Premierminister kann sie jederzeit mit der Erwähnung des Artikels 49-3 aushebeln. Der frühere Premierminister Michel Rocard hat mangels Mehrheit nur mit diesem Artikel regiert.
Der Artikel geriet in die im Jahre 1958 verabschiedete Verfassung, weil Charles de Gaulle die Wirren der parlamentarischen vierten Republik im Kopf hatte. Er erlaubte Frankreich zwar eine Nationalversammlung, gab ihr aber nur eine von ihm abhängige Souveränität, die mit diesem Artikel ausgehebelt werden kann.

Premierminister Manuel Valls setzte seine neue Strategie noch am selben Abend um. Nach der Parlamentsdebatte kündigten die Medien an, dass er noch am selben Abend zu einem langen Interview auf dem ersten Fernsehkanal TF1 zu sehen und zu hören sein würde.

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