Präsident wird direkt gewählt

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Die Tschechen können ihren Präsidenten erstmals direkt wählen - ohne Umweg über das Parlament. Zwei Favoriten buhlen um die Nachfolge des EU-Kritikers Vaclav Klaus. Den etablierten Parteien droht ein Fiasko.

Das Rennen um die tschechische Präsidentschaft geht in den heißen Endspurt. Der Bürgerliche Jan Fischer ist einer der großen Favoriten der Meinungsforscher in dieser historisch ersten Direktwahl des Staatsoberhaupts.

Von Haus aus ein blasser Zahlen-Experte, blickte das Konterfei des 62-Jährigen jüngst überraschend mit Gewehr und in Militäruniform von Plakatwänden. „Er war in der kommunistischen Partei“, prangte es dem Wähler entgegen.

Emporung bei Fischer

Fischer zeigte sich empört und verurteilte diese „unfaire“ Provokation. Bis dahin hatte sein früheres KSC-Parteibuch kaum eine Rolle gespielt. Es ist ein wunder Punkt in seinem Lebenslauf. Vor der voraussichtlich ersten von zwei Runden der Präsidentenwahl am 11. und 12. Januar wird mit härteren Bandagen gekämpft. Der Mathematiker trat 1980 der Partei bei. Er habe sich um Frau und Kinder kümmern müssen, sagte Fischer der Zeitung «Pravo».

„Die politische Szene muss grundlegend verändert werden», verspricht Fischer in seinem aktuellen Wahlspot. Er verlangt die Rückkehr zu „Anständigkeit, Professionalität und mehr Achtung der Bürger“. Das kommt bei den Tschechen gut an, die nach vielen Korruptionsskandalen von den Parteien enttäuscht sind.

25-Prozent-Hürde

Der linke Ex-Regierungschef Milos Zeman (68) und Jan Fischer erreichen laut der Agentur ppm factum jeweils eine Zustimmung von 25 Prozent. Die Bewerber der großen Parteien können davon nur träumen. Eine Prager Zeitung beschrieb den Kandidaten der regierenden ODS so: „Premysl Sobotka hat erkannt, dass seine Chancen gering sind und es wenig bringt, mit 69 Jahren vergeblich außer Atem zu geraten.“ Auch für den Fürsten und Außenminister Karel Schwarzenberg (75) ist die unbeliebte Sparpolitik der Regierung zu einer Belastung geworden.

Der tschechische Präsident erfüllt für viele die Rolle des Vaters der Nation, hat aber auch einige wenige handfeste Kompetenzen. So ernennt er die Minister und beruft den Nationalbank-Rat. Für den vom EU-Skeptiker Vaclav Klaus gewählten Bankgouverneur Miroslav Singer ist die Euro-Einführung – wenig überraschend – keine Priorität.

Politikverdrossenheit

In Zeiten der allgemeinen Politikverdrossenheit kommt nicht nur dem Wahlfavoriten Fischer zugute, dass er sich einst als „Menschen ohne jegliche weiteren politischen Ambitionen“ beschrieben hatte. Auch sein schärfster Kontrahent wollte mit der Parteienpolitik zeitweise nichts mehr zu schaffen haben. Vor zehn Jahren zog sich Milos Zeman in die Provinz zurück, um dort „Bäume zu umarmen“.

Nun feiert der Liebhaber des nationalen Kräuterlikörs Becherovka ein Comeback. Zeman nimmt selten ein Blatt vor den Mund. Als „fünfte Kolonne Hitlers“ diffamierte er einst die Sudetendeutschen. «In der tschechischen Politik bewegen sich nur Amateure», urteilt der Provokateur nun in einem Radiospot. „Der Agrarminister kann Weizen nicht von Roggen unterscheiden.“ Zeman will sich einmischen.

Neun Kandidaten gegen die Korruption

Alle neun Kandidaten eint das Versprechen, gegen die Korruption anzukämpfen. Doch nicht jeder geht mit gutem Beispiel voran. Die Organisation Transparency International (TI) hat die Finanzierung der Wahlkampagnen bewertet. Die beste Note für Transparenz erhält Fischer. Die hinteren Plätze teilen sich Zeman und die EU-Kritikerin und Fernsehmoderatorin Jana Bobosikova. Prager Medien sagen Zeman undurchsichtige Verbindungen zu russischen Firmen nach.

Wenn es nach dem Willen tschechischer Schüler ginge, hätte ein intellektueller Außenseiter die besten Aussichten. Ihr Favorit ist der Komponist und Theaterprofessor Vladimir Franz, der für seine spektakuläre Ganzkörper-Tätowierung bekannt ist. In einer Umfrage unter 61 500 Schülern hatte Franz eine Beliebtheit von 41 Prozent.

Ihren Präsidenten kennen die Schüler vor allem vom Foto an der Wand, das in fast jedem Klassenzimmer neben der Kreidetafel hängt. Der Handel für Schulbedarf hat schon jetzt auf die anstehende Wahl reagiert: Das großformatige Bild des scheidenden Präsidenten Klaus ist zum Sonderpreis von 51 Kronen (2 Euro) zu haben.