Seit sie als Kandidatin für das Vizepräsidium im Wahlkampf 2008 in Interviews einen desaströsen Eindruck hinterließ, praktiziert Sarah Palin vorwiegend Einweg-Kommunikation, via Facebook und Twitter oder als Kommentatorin auf „Fox News“. Nach dem Anschlag vom Samstag in Tucson, bei dem sechs Menschen starben und die demokratische Kongressabgeordnete Gabrielle Giffords lebensgefährlich verletzt wurde, war dies nicht anders.
Eine kurze Beileidsbekundung auf Facebook, ein E-Mail an Fernsehmoderator und Tea-Party-Mitstreiter Glenn Beck mit selbstmitleidigem Unterton – mehr war bislang von der ehemaligen Gouverneurin von Alaska nicht zu vernehmen. Anfragen von Medien werden von ihr und ihrem kleinen Beraterkreis ignoriert. Das Abtauchen einer Politikerin, die ansonsten zu allem und jedem ihren Senf dazugibt, stößt in den USA auf zunehmende Kritik. Zwar gibt es keine Anhaltspunkte für einen Link zwischen Palin und dem mutmaßlichen Attentäter Jared Loughner, dennoch hat das Aushängeschild der Tea Party Erklärungsbedarf.
Als Präsidentin geeignet?
Das betrifft vor allem die Landkarte, die Sarah Palin im letzten Frühjahr ins Internet gestellt hat und auf der 20 demokratische Kongresswahlkreise mit einem Fadenkreuz markiert wurden, darunter jener von Gabrielle Giffords. Die Demokratin zeigte sich darüber besorgt und warnte vor den „Konsequenzen“ einer solchen Handlung. Die Palin-Beraterin Rebecca Mansour versuchte in einer konservativen Radio-Talkshow abzuwiegeln: Die Markierungen auf der Karte seien „nie, nie als Fadenkreuze“ gedacht gewesen und „kein Verweis auf Waffen“. Dennoch wurde die Karte noch am Samstag aus dem Internet entfernt.
Palins anhaltendes Schweigen zu dieser Kontroverse lässt auch die Frage nach ihren Führungsqualitäten aufkommen, gilt sie doch als mögliche Kandidatin bei der Präsidentschaftswahl 2012. Diese Perspektive löst angesichts ihrer großen Popularität bei der rechtskonservativen Basis beim Establishment der Republikaner Besorgnis aus. „Man findet dort niemanden, der ihre Nomination wünscht, denn alle wissen, dass sie gegen Barack Obama eine erdrutschartige Niederlage erleiden würde“, sagte der Politikprofessor Larry Sabato von der Universität Virginia gegenüber dem britischen „Guardian“.
„Palin muss Gefühle zeigen“
„Palin verpasst eine Gelegenheit zu beweisen, dass sie eine Führungsperson auf einem höheren Niveau sein kann, als man ihr bislang zugetraut hat“, kritisierte der republikanische Stratege Todd Harris in der „Washington Post“. Zwei prominente frühere Mitarbeiter von George W. Bush forderten die Ex-Gouverneurin auf, aus dem Schneckenhaus zu kommen. Sie müsse „echten Kummer“ und „ernsthaftes Mitgefühl“ zeigen und sich der Debatte mit ihren Kritikern stellen, sagte der Redenschreiber David Frum.
Auch Bushs ehemaliger Pressesprecher Ari Fleischer verlangte, Sarah Palin müsse den Menschen ihr Herz und ihre Gefühle zeigen. „Facebook und Twitter übertragen keine Emotionen“, sagte Fleischer der „New York Times“. Für einige Kommentatoren ist ihre politische Karriere an einem kritischen Punkt angelangt. So schrieb die Website „Politico“ am Montag, Palin müsse sich bald entscheiden,“ob sie Ronald Reagan oder Rush Limbaugh sein will“ – wie der verehrte Ex-Präsident oder der rechte Radiomoderator mit dem Hang zu Hassrhetorik.
Notorisch unterschätzt
Allerdings wird Sarah Palin notorisch unterschätzt, weshalb andere Beobachter warnen, sie voreilig abzuschreiben. Schon in einer Woche würden die Leute wieder über die Arbeitslosigkeit, die Staatsverschuldung und den Ölpreis diskutieren und nicht mehr über die Schiesserei in Tucson, sagte der Politikprofessor Mark Blyth von der Universität Brown dem „Guardian“: „Wird diese Geschichte Sarah Palin versenken? Wahrscheinlich nicht.“
De Maart

Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können