Mittwoch5. November 2025

Demaart De Maart

Nur Großbritannien bleibt draußen

Nur Großbritannien bleibt draußen
(dpa)

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

Es war eine schwierige Geburt, aber schlussendlich ziehen wohl 26 EU-Staaten bei einem neuen Kodex gegen zu viel Schulden mit. Statt einer Vertragsänderung gibt es einen zwischenstaatlichen Vertrag. Einige Länder warten jedoch auf die Zustimmung ihres Parlaments.

Beim Krisengipfel zur Eurorettung hat Großbritannien eine angestrebte Änderung der EU-Verträge für mehr Haushaltsdisziplin blockiert. Die von Deutschland und Frankreich gewünschte Einigung der 27 Mitgliedstaaten war am Freitagmorgen zunächst vom Tisch, berichteten Diplomaten nach stundenlanger nächtlicher Verhandlung der Staats- und Regierungschefs in Brüssel. Nun laufe es auf eine Lösung der 17 Eurostaaten hinaus; andere EU-Mitglieder sollen sich aber anschließen können. Im Ergebnis ziehen laut hochrangigen EU-Diplomaten 26 EU-Staaten bei einem neuen Kodex gegen zu viel Schulden mit. Neben den 17 Eurostaaten ziehen noch 9 Länder mit, die bisher den Euro noch nicht haben.

Die 17 Staats- und Regierungschefs der Euro-Gruppe haben ihre in der Nacht zum Freitag verbreitete Schlusserklärung am Mittag geändert. Demnach erklären Bulgarien, Dänemark, Lettland, Litauen, Polen und Rumänien nicht mehr ihre Absicht, dem neuen zwischenstaatlichen Vertrag für mehr Haushaltsdisziplin beizutreten. Statt dessen heißt es dort jetzt, diese Regierungen erklärten ebenso wie Ungarn, Tschechien und Schweden, sie könnten sich dem Vertrag nach Beratungen der nationalen Parlamente anschließen.

Berlin und Paris pochen auf eine Vertragsveränderung, um rechtsverbindliche Regeln zum Schutz der bedrohten Eurowährung festzuschreiben. Über eine gesetzlich verankerte Schuldengrenze in den Euromitgliedstaaten sowie ein härteres Vorgehen gegen Defizitsünder hatten sich die Spitzen im Laufe der Beratung grundsätzlich bereits geeinigt, wie aus dem Entwurf der Gipfelerklärung hervorging. Die entscheidende Frage – die vertragliche Ausgestaltung – hatten sie dabei zunächst aber ausgeklammert.

Vertrag für Haushaltskontrolle

Die 17 Euro-Länder werden die strikteren Regeln zur Haushaltskontrolle mit einem eigenständigen Vertrag statt einer EU-Vertragsänderung in die Tat umsetzen. „Wir hätten eine Vertragsänderung zu 27 bevorzugt, aber das war nicht möglich“, sagte Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy am Freitagmorgen nach dem ersten Tag des EU-Gipfels in Brüssel. Zuerst hieß es, dass neben Großbritannien auch Ungarn die Änderung des Vertrages von Lissabon nicht mittragen würde. Schweden und die Tschechische Republik müssten ihre Parlamente konsultieren.

Die EU-Staaten wollten nun binnen einer Woche prüfen, ob die Mittel des IWF von den EU-Ländern um 200 Milliarde Euro aufgestockt werden können. Der künftige Euro-Rettungsmechanismus ESM werde keine Banklizenz erhalten, fügte Sarkozy hinzu.

Großbirtanien blockiert

Während der Verhandlungen blockierte vor allem der Premier des Nicht-Eurolandes Großbritanniens, David Cameron. Seine Forderung, als Gegenleistung eine Ausstiegsklausel aus Finanzregulierungen der EU zu bekommen, sei nicht akzeptabel, ergänzte Sarkozy. Damit will Cameron den Londoner Finanzplatz schützen. Er verteidigte am Freitagmorgen seine Blockadehaltung beim EU-Krisengipfel: „Es war eine harte Entscheidung, aber die richtige“, sagte Cameron am Freitagmorgen. „Was geboten wird, ist nicht im Interesse Großbritanniens, deshalb habe ich nicht zugestimmt.“ Großbritanniens Außenminister William Hague stellte sich gegen Vorwürfe, sein Land spalte die EU und sei nun isoliert. „Das schließt uns nicht aus dem Club aus“, sagte er dem Sender BBC.

Berlin und Paris hatten vor dem Gipfel gedroht, notfalls nur mit den 17 Eurostaaten eine neue vertragliche Grundlage zu schaffen. Kanzlerin Merkel sagte, es müsse sich noch zeigen, ob „das 17 plus X oder alle 27 Länder gemeinsam machen“. Auch Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker nannte diese Lösung: „Ich wünschte mir eine Vertragsabänderung mit 27 EU-Staaten, falls das nicht machbar ist, dann eben mit 17“, sagte Juncker, der auch Luxemburger Premier ist.

Umstrittene Entscheidung

Ein solches Vorgehen mit zwei Geschwindigkeiten ist nicht nur politisch, sondern auch rechtlich umstritten. Es bedroht nach Ansicht von EU-Diplomaten den Zusammenhalt der gesamten Union. Zudem müssten die 17 Eurostaaten, wenn sie allein vorgehen, einen neuen Vertrag schaffen. Das könnte laut Experten zu zahlreichen rechtlichen Problemen führen, weil die Bestimmungen Regeln der EU-Verträge nicht widersprechen dürfen. Der britische Premier warnte davor: „Es gibt immer Gefahren, wenn man einen Vertrag innerhalb eines Vertrages schließt.“ Ungarn stand zuerst an der Seite Großbritanniens. Schweden und Tschechien hatten zuerst erklärt, die Parlamente zu dem neuen Vertrag anhören zu wollen.

Da eine Vertragsänderung mangels Einstimmigkeit nicht möglich gewesen sei, werde ein zwischenstaatlicher Vertrag abgeschlossen, erklärte EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy am Freitagmorgen in Brüssel. Dies könne schneller in die Tat umgesetzt werden als eine vollständige Vertragsänderung. „Geschwindigkeit ist nötig, um die Glaubwürdigkeit zu erhöhen“, sagte Van Rompuy. Es sei nicht ausgeschlossen, dass der Vertrag später angepasst werde.

Kommission handlungsfähig

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sagte, auch bei einem Vertrag nur eines Teils der EU-Staaten könne die EU-Kommission ihre Aufgaben bei der Überwachung der Haushaltsregeln erfüllen.

Van Rompuy betonte, die Euro-Zone habe ihre „Doktrin“ zur Beteiligung privater Gläubiger an der Rettung von Staaten deutlich geändert und richte sich künftig nach den Prinzipien des IWF. „Unser erstes Herangehen an die Gläubigerbeteiligung, das einen sehr negativen Effekt auf die Anleihemärkte hatte, ist jetzt offiziell vorbei“, sagte er. Dieses Verfahren soll nicht mehr für andere Länder angewendet werden, da es zur Verunsicherung der Märkte führte.

Keine Eingung um Eurobonds

Keine Einigung gab es in der Debatte um gemeinschaftliche europäische Anleihen, sogenannte Eurobonds. Van Rompuy, Barroso und Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker werden bis zum nächsten Juni einen Bericht dazu vorlegen.

Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, lobte die Vereinbarung. „Das ist ein sehr gutes Ergebnis für die Eurozone. Das kommt einem guten Haushaltspakt sehr nahe.“

Draghi macht einen verbindlichen Pakt zur Voraussetzung für ein weiteres Eingreifen der EZB auf den Märkten, beispielsweise beim Anleihenkauf von angeschlagenen Staaten wie Spanien und Italien.