Der Verhandlungstag am Dienstag begann mit dem Plädoyer von Gilles Herrmann, Vertreter der Staatsanwaltschaft, der seinen Strafantrag vortrug. Dabei sprach er die Notlage der CHL-Mannschaft an, die bei einer unsicheren Sachlage schnell handeln musste. Doch hatten die Experten auch die „präventive“ Verantwortung der Ärzte angesprochen, die bei einer Abgabe von Diprivan bei Kleinkindern gefordert ist.
Diese Abgabe von Diprivan darf nur vom Notarzt, also vom „médecin réanimateur“ verschrieben werden, was in diesem Fall Marc S. betrifft, den ersten Arzt, der das Unfallopfer empfangen hat. Der Staatsanwalt nahm dabei die beschuldigten Krankenschwestern aus der Schusslinie, da sie sich an die medizinischen Anweisungen hielten.
Beim Prozess geht es um den Tod eines Kindes, das nach einem Unfall in das CHL eingeliefert worden war, dort nach einem Behandlungsfehler jedoch starb.
Schlechte Absprachen
Die Sedierung wegen einer IRM-Untersuchung am Montag aufrecht zu erhalten, sei absurd gewesen, was den Arzt auch zur Ergänzung seiner ersten Aussage bewegt habe, so Gilles Herrmann weiter. Auch andere Zeugen hatten eine Ruhigstellung des Kindes über das Wochenende als unnötig empfunden.
Dass das Kind mehr als 48 Stunden dem Propofol ausgesetzt war, ist also laut Staatsanwaltschaft dem wachhabenden Arzt Marc S. zuzuschreiben. Auch hätte er die am Montag übernehmenden Kollegen besser informieren müssen.
Zweimal Bewährung
Doch auch die weitere Behandlung durch Dr. Luc M. wirft laut dem Staatsanwalt deontologische Fragen auf, allein schon weil auch er den übernehmenden Kollegen Pascal St. nicht ausreichend über die Situation der kleinen Stéphanie informiert hatte.
Beim eigentlichen Strafantrag wurde für keinen der Angeklagten die Absicht zurückbehalten, der kleinen Stéphanie zu schaden. Auch stellte der Staatsanwalt fest, dass eine Autopsie keine weiteren Antworten geliefert hätte, da das Propofol-Infusionssyndrom als einzige Todesursache zurückbehalten wurde.
Zehn Freisprüche
Für den wachhabenden Notmediziner Marc S. forderte der Staatsanwalt wegen der initialen Entscheidung, das für die kausalen Ursachen des Todes der kleinen Stéphanie verantwortliche Diprivan einzusetzen und seine Kollegen nicht zu informieren, eine Haftstrafe von neun Monaten auf Bewährung und einer angemessenen Geldstrafe. Auch dem Lungenarzt Luc M. sprach die Staatsanwaltschaft Preskriptionsgewalt in dieser Affäre zu und forderte, nicht zuletzt weil er der Patientin jede Überlebenschance nahm, für ihn die gleiche Strafe.
Für den „médecin anesthésiste réanimateur“ Pascal St., die Notärztin Christiane L., die Kinderärztin Carola De B., den Neurologen Christian N. und die Krankenschwestern Nathalie St., Jacqueline K., Marie H., Marianne W. und Vanessa R. forderte er einen Freispruch.
Das Urteil wird am 28. Juni gesprochen.
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