Nachbarin belastet Pistorius schwer

Nachbarin belastet Pistorius schwer
(AP)

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Der Mordprozess gegen den Sportstar Oscar Pistorius hat mit einem harten Schlagabtausch begonnen. Gleich die erste Zeugin der Anklage widersprach am Montag Pistorius.

Pistorius gab in Pretoria zu, seine Freundin Reeva Steenkamp vor gut einem Jahr aus Angst vor einem Einbrecher erschossen zu haben. Er habe aber nicht vorher mit ihr gestritten. Unter gewaltigem Medienrummel betrat der an beiden Unterschenkeln amputierte Athlet im dunklen Anzug und mit gesenktem Kopf den Gerichtssaal. Nach der Verlesung der Anklage – neben der „illegalen und vorsätzlichen Tötung“ seiner Freundin in der Nacht zum Valentinstag 2013 wird ihm das Tragen und der Einsatz verbotener Waffen vorgeworfen – bat Richterin Thokozile Masipa Pistorius um eine Stellungnahme. Der 27-Jährige antwortete mit schwacher Stimme: „Nicht schuldig.“

Die in den Zeugenstand gerufene Nachbarin Michelle Burger berichtete anschließend, sie habe in der fraglichen Nacht eine Frau um Hilfe schreien hören und kurz darauf vier Schüsse. Sie und ihr Mann seien kurz nach drei Uhr morgens „von den schrecklichen Schreien einer Frau geweckt worden“, sagte die Universitätsdozentin.

Schüsse gehört

Wenig später habe sie wieder Schreie gehört. „Es war schlimmer als vorher. Sie war sehr verängstigt“, sagte Burger, deren Mann ebenfalls auf der Zeugenliste steht. „Ich wusste, dass etwas Schreckliches passieren würde.“ Danach habe sie vier Schüsse gehört; nach dem ersten Schuss habe es eine Pause gegeben, die weiteren drei seien dann schnell gefolgt, fügte Burger hinzu. Dies entspricht der Zahl der Schüsse, die Pistorius auf seine Freundin abfeuerte.

Das Schlafzimmer der Burgers ist genau 177 Meter von dem Haus Pistorius‘ entfernt. Die Verteidigung äußerte Zweifel an Burgers Glaubwürdigkeit. Ihr Mann habe von „fünf oder sechs Schüssen“ berichtet, sagte Anwalt Barry Roux. „Ich spreche nicht im Namen meines Mannes“, antwortete die Zeugin, die gleichwohl versicherte, ihr Mann sei „ehrlich“.

„Liebevolle Beziehung“

In einer von seinem Anwalt Kenny Oldwage verlesenen Erklärung bekannte Pistorius erneut, dass er die tödlichen Schüsse auf seine Freundin abgegeben habe, dies sei aber ein „tragischer Unfall“ gewesen. „Ich dachte, Reeva sei noch im Bett“, erklärte der Angeklagte. „Wir waren in einer liebevollen Beziehung.“

In der ersten Reihe des Zuschauerraums saßen unter anderen sein Bruder Carl und seine Schwester Aimée sowie die Mutter von Reeva Steenkamp, June. Diese hatte zuvor erklärt, sie könne sich vorstellen, Pistorius zu verzeihen.“Ich werde bereit sein, ihm zu vergeben“, sagte June Steenkamp der Zeitung „The Star“. „Aber zuvor will ich ihn zwingen, mich anzublicken, damit er den Kummer und den Schmerz sieht, die er mir bereitet hat“, sagte die 67-Jährige.

Der Prozess soll am Dienstagmorgen fortgesetzt werden. Wegen des riesigen öffentlichen Interesses soll er zeitweise live im Fernsehen und Radio übertragen werden. In Pretoria sind hunderte in- und ausländische Journalisten, um über den spektakulären Fall zu berichten. Pistorius droht im Fall eines Schuldspruchs eine Haftstrafe von bis zu 25 Jahren.