Mit 40 ist noch lange nicht Schluss

Mit 40 ist noch lange nicht Schluss
(Hervé Montaigu)

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Die Atomanlage Cattenom bereitet sich auf einen wesentlich längeren Lebenszyklus als die geplanten 40 Jahre vor.

Französische Atomreaktoren sind ursprünglich auf eine Laufzeit von 40 Jahren ausgelegt. Danach sollten sie abgeschaltet und abgebaut werden. Die Wirklichkeit sieht jedoch anders aus.

Der Block 1 des Kernkraftwerks Cattenom darf weitere zehn Jahre arbeiten. Von Mai bis Oktober vergangenen Jahres war er abgeschaltet. Täglich waren 3.500 Experten damit beschäftigt, ihn auf Herz und Nieren zu prüfen und alles zu reparieren, was auch nur als geringste Unregelmäßigkeit erscheinen mochte. Block 1 unterzog sich der Zehnjahresrevision.

Zahlreiche Erneuerung an Reaktor

In Cattenom ist man stolz. 18.000 verschiedene Arbeiten wurden in den sechs Monaten des Stillstands ausgeführt. Der Kommandostand des Reaktors wurde erneuert. Das Reaktorgebäude hat eine neue Außenhaut erhalten. Und die Sicherheitsmargen wurden für Fälle großer Hitze und für Stürme erhöht. Block 1 wurde nach Aussagen des neuen Direktors der Anlage, Thierry Rosso, auf den Stand der Technik gebracht. Und gleichzeitig auch auf neue Umwelteinflüsse vorbereitet.

Im Prinzip sollte das industrielle Leben des ersten Reaktors im Jahr 2027 beendet sein. Aber der französische Energiegigant EDF geht längst davon aus, dass seine Reaktoren eine längere Lebenszeit als 40 Jahre haben werden. Von 50, sogar 60 Jahren ist die Rede in Frankreich.

Das Kernkraftwerk an der luxemburgisch-deutschen Grenze im Dorf Cattenom ist derzeit der größte Investor im „Département Moselle“. Die Zehnjahresrevision brachte Investitionen von 100 Millionen Euro mit sich. Dabei belässt es EDF derzeit nicht. Im gerade begonnenen Jahr 2017 ist eine Teilrevision des zweiten Reaktors im Februar erfolgt. Im vierten Reaktorblock wird im Sommer ein Drittel der Brennstäbe erneuert. Hinzu kommt die Erfüllung der „post-Fukushima“-Vorschriften, die die atomare Sicherheitsbehörde dem Energie-Unternehmen für Cattenom auferlegt hatte.

Vorbereiten auf das Schlimmste

Ein wesentlicher Punkt der Sicherheit von Cattenom ist die Einrichtung von gigantischen Dieselmotoren, die außerhalb der Anlage gebaut werden. Bis Ende 2018 muss jeder Reaktor über ein solches Reserveaggregat verfügen. Sollte es zu einem Zwischenfall kommen, der die gesamte Stromversorgung eines Reaktors lahmlegt, dann muss ein Dieselaggregat „der letzten Rettung“ zur Verfügung stehen. Es hat lange gedauert, bis EDF eine Erkenntnis aus einer Stabsübung zur Jahrhundertwende unter dem Druck von Fukushima nun umsetzt.

Zur Jahrhundertwende hatte die Leitung der Anlage in einer realen und in einer Stabsübung angenommen, dass es zu einem Unfall mit radioaktiven Auswurf gekommen wäre. Dabei ist das Dorf Cattenom völlig stillgelegt worden. Niemand durfte Wohnungen und Häuser verlassen.

Gleichzeitig übte die Leitung der Anlage in einem besonderen, für „Unfallzwecke“ gebauten Bunker, wie der „Unfall“ zu bekämpfen sei. Der größte annehmbare Unfall (GAU) wurde bei der Stabsübung nur deswegen vermieden, weil im letzten Augenblick noch eine Energiequelle gefunden wurde, die so in der Realität aber nicht vorhanden war. Derzeit werden für jeden Reaktorblock die Gebäude für den jeweiligen externen Dieselmotor der „letzten Rettung“ errichtet. Das Dieselaggregat für Reaktor drei ist im Februar eingebaut worden.

Stilllegung fast aussichtslos

Die Bemühungen in Deutschland und in Luxemburg, das Kernkraftwerk Cattenom stilllegen zu lassen, haben wenig Aussicht auf Erfolg. Die Anlage ist wirtschaftlich zu mächtig, als dass Frankreich sich von ihr trennen würde. Das Gezerre um die Stilllegung von Fessenheim zeigt, dass sich Frankreich mit der Stilllegung von Atomkraftwerken sehr schwertut. In Cattenom arbeiten 1.350 Nuklearspezialisten, Kontroll-Ingenieure und Arbeiter.

Neben den Sonderinvestitionen für „post-Fukushima“ und die Revision vergibt Cattenom Aufträge alleine für Wartungs- und Reparaturarbeiten in Höhe von 172 Millionen Euro. Auf die 104 Millionen Euro Steuern werden auch weder das „Département Moselle“ noch die umliegenden Gemeinden verzichten wollen. Die Stilllegung auch nur eines der vier Reaktoren hätte wirtschaftliche Auswirkungen, die kein Politiker in Frankreich verantworten wird.

Solarenergie preiswerter
Bleibt die Produktion von Strom: Die vier Atom-Meiler (jeder mit einer Kapazität von 1.200 Megawatt) produzierten im vergangenen Jahr 31,2 Milliarden Kilowattstunden. Das entspricht 75 Prozent des Stromverbrauchs in der neuen Region „Grand Est“ und acht Prozent der Produktion in Frankreich. Im vergangenen Winter litt das Land trotz seiner 58 Atomkraftwerke unter Strommangel. Cattenom unter diesen Umständen stillzulegen, ist eine Hoffnung, die ohne Nahrung ist.

Unter den Kandidaten im Wahlkampf um die französische Präsidentschaft geht nur der Linksaußen, Jean-Luc Mélenchon (ohne Siegchancen), so weit, die Abschaltung der Kraftwerke zu verlangen und auf alternative Energien zu setzen. Günstig ist die Kernenergie in Frankreich nicht mehr. Die Solarenergie ist derzeit in Frankreich preiswerter als die Kernenergie, ergaben Abfragen bei Energiekonzernen.