„Very impressing“ raunt ein Tourist in gebrochenem Englisch der Dame am Kassenhäuschen unweit der Gëlle Fra zu. Er hat gerade die über 300 Stufen der Petruss-Kasematten hinter sich gebracht. Hätte er die im Jahr 1644 von spanischen Ingenieuren erbauten Anlagen im Rahmen einer Führung besucht, so hätte er noch die 132 Stufen der „Österreichischen Treppe“ mitnehmen können, die bis ganz runter ins Petruss-Tal führt. So endet die Tour bei der Originalkanone aus preußischer Zeit.
Im Überblick
Kasematten (aus dem griechischen „chasma(ta) – „Spalte“, „Erdkluft“) sind gegen Beschuss gesicherte Gewölbe im Inneren eines Baukörpers, angelegt zu Verteidigungszwecken oder auch, um Truppen und Material zu beherbergen
Die ersten Kasematten in Luxemburg wurden 1644 unter den Spaniern angelegt, später durch Festungsbauer Vauban und dann durch die Österreicher auf 23 km ausgebaut. Bei der Schleifung der Festung wurde die Länge auf 17 km reduziert.
Bock-Kasematten: 1745 durch österreichische Ingenieure erbaut, Fläche 110 m2, Hauptkasematte 110 m lang, 7 m breit.
Geöffnet: 1. März bis 31. Oktober (10.00 bis 17.00 Uhr), Eingang: Montée de ClausenPetruss-Kasematten: 1644 von spanischen Ingenieuren erbaut, bei einer Führung sind 450 Stufen zu überwinden: Geöffnet: Oster-, Pfingst- und Sommerferien (11.00 bis 16.00 Uhr)
Eintritt: 3 Euro (Gruppe ab 10 Leuten: 2,80 Euro, Kinder unter 12 Jahren: 2,50 Euro) – Führungen auf Anfrage
Info: Luxembourg City Tourist Office
Place Guillaume II
www.lcto.lu
Tel.: 22 28 09
E-Mail: [email protected]Quelle: lcto
Die Petruss-Kasematten (1903 endgültig geschlossen und 1933 wieder geöffnet) sind in der Regel nur in den Ferien geöffnet (Ostern, Pfingsten, Sommer). Sie sind zwar zum ziellosen Umherstreifen nicht so geeignet wie die Bock-Kasematten, aber auch hier findet man die eine oder andere Besonderheit. Etwa den Spruch „Den Sand nicht vergessen“, der auf eine Ziegelmauer gekritzelt wurde, mit der die Spanier sicher nichts mehr zu tun hatten. Hintergrund ist, dass die Kasematten im Zweiten Weltkrieg auch als Bombenschutzkeller benutzt wurden. Als Toiletten dienten Behelfskonstruktionen. Aber fließendes Wasser gab es keines. Den Rest kann man sich denken.
Bogenschützen und Pilzzüchter
Nachdem die Verteidigungsanlagen ihren Zweck erfüllt hatten, die meisten Eingänge verschlossen worden waren und die Schießscharten zugemauert (1867), sollte es noch etwas dauern, bis die unterirdischen Gänge zur Touristenattraktion wurden. In der Zwischenzeit nutzten u.a. Bogenschützen Teile der Anlage zu Übungszwecken und ein findiger Gärtner entdeckte, dass sich die feuchten Gänge hervorragend zur Pilzzucht eigneten. Tempi passati. Heute strömen jährlich Tausende von Touristen durch die ehemaligen Verteidigungsanlagen. 2009 waren es laut LCTO 27.264.
Mehr als doppelt so viele streiften durch die Bock-Kasematten (2009: 62.268). Sie sind größer und auch alleine ganz gut zu bewältigen. Aber auch hier gilt: Wer Herzbeschwerden hat oder unter Klaustrophobie leidet, sollte das Ganze dann doch lieber bleiben lassen. Denn wenn gerade keine Schießscharten wunderbare Aussichten auf Alzettetal oder Kirchberg freigeben, bleibt nur der nackte Fels, der sich um einen zu schmiegen scheint. Und enge Wendeltreppen gibt es mehr als genug. Aber immer wieder durchbricht das Sonnenlicht, das durch die vergrößerten Schießscharten fällt, die Dunkelheit und verrät die besten Aussichtspunkte für Panoramabilder, die sich so sonst nur in den Hochglanzprospekten finden.
„Ganz schön alleine“
Dabei ist man als Besucher – je nach Tageszeit – hier ganz schön alleine. Und wenn nicht gerade Touristenscharen durch die engen Gänge wuseln, muss man schon einiges an Vorstellungskraft aufbringen, um sich das Treiben vorzustellen, das hier früher herrschte. Denn neben den Verteidigern der Festung, die hier mit Ausrüstung und Pferden Unterschlupf fanden, gab es auch allerlei Versorgungseinrichtungen wie Küchen, Bäckereien, Schlachtbänke u.ä. Und schließlich hatte sich hier auch der habsburgische Feldmarschall von Bender eingerichtet, als die Festung von den Franzosen belagert wurde.
Schlafzimmer, Büro und Vorzimmer weist der Prospekt des LCTO aus, von denen natürlich nur mehr die Umrisse übrig geblieben sind. Aber von Bender hatte sich nicht wegen der phänomenalen Aussicht hier einquartiert. Es galt, während der monatelangen Belagerung von 1794-95 vor den Angriffen der Franzosen geschützt zu sein.
Besonders beeindruckend ist der enge Minengang, der dank der Renovierungsarbeiten von 2008-2009 wieder in seiner ganzen bedrückenden Pracht von den Besuchern bewundert werden kann. Er wurde angelegt, um im Notfall einen Teil des Bockfelsens wegsprengen zu können. Nach dem Minengang geht es wieder etwas ausladender zu. Über die „Batterie du Grund“ erreicht man über eine letzte Wendeltreppe, die von Österreichern im Jahr 1735 errichtete Schlossbrücke. Und wer dann auf der Corniche ein letztes Mal die wunderbare Aussicht genießt, hat eine ziemlich genaue Ahnung von dem, was unter der Stadt so alles im Felsen liegt. Und eine ungefähre davon, wie es dort mal zugegangen sein dürfte.
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