Corona und seine FolgenSozialamt in Fels stellt sich auf die Zeit nach der Krise ein

Corona und seine Folgen / Sozialamt in Fels stellt sich auf die Zeit nach der Krise ein
Im Schatten der Burg kehrt so langsam wieder der Alltag in Fels ein. Im Sozialamt aber stellen sich die Mitarbeiter auf die Zeit nach der Krise ein. Foto: Editpress/Eric Hamus

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Wenn einem das Wasser bis zum Hals steht, hilft in der Regel das „Office social commun“. Vor allem in Krisenzeiten kommt auf die Luxemburger Sozialämter viel Arbeit zu. Allerdings befinden sich diese zurzeit in Abwartehaltung, wie der Besuch bei der Einrichtung in Fels zeigt.

Donnerstagmorgen in Fels. Im Schatten der Burg schlängelt sich der Durchgangsverkehr durch den Ortskern, vor dem Postamt werden stapelweise Pakete entladen, an der Haltestelle warten Passagiere auf die nächste Verbindung nach Diekirch. Auf dem Bürgersteig unterhalten sich zwei Personen im Blaumann, während entlang der Hauptstraße wieder alle Parkplätze belegt sind. Alltägliche Szenen im Burgstädtchen, wären da nicht die Schutzmasken auf den Gesichtern der Passanten.

Auch in Fels übt die Gesellschaft dieser Tage den Drahtseilakt zwischen Ausnahmezustand und Normalität. Nach fast zwei Monaten in Quasi-Quarantäne versuchen die Bürger, mit dem neuen Alltag klarzukommen. Schrittweise nähern auch sie sich wieder einem normalen Tagesablauf, wenn auch Schutzmasken und Barriere-Gesten ständig an die im Hintergrund lauernde Gefahr erinnern.

Auch wenn am Montag die Ausgangsbeschränkungen verschwinden und Geschäfte wieder eröffnen, bleibt die Zukunft in vielerlei Hinsichten noch ungewiss. So werden erst die kommenden Wochen zeigen, welche Auswirkungen die Krise auf die Gesellschaft hat. Fest aber steht, dass Corona nicht spurlos an ihr vorbeiziehen wird. Das weiß auch Dr. Carlo Steffes, Präsident des lokalen „Office social commun“.

„Natürlich haben wir uns bereits den Kopf darüber zerbrochen, was als Nächstes auf uns zukommt“, betont der Vorsitzende des Sozialamts. Neben Fels sind auch noch die Ernztalgemeinde, Heffingen, Fischbach, Nommern und Waldbillig beteiligt, sodass die Einrichtung rund 10.800 Einwohnern dient. Dass die Krise auch in den sechs Gemeinden ihre Spuren hinterlassen wird, liegt für Steffes auf der Hand. Welche Auswirkungen aber genau auf die Einwohner zukommen, können er, die Mitglieder des Verwaltungsrats und die vier Mitarbeiter des Sozialamts noch nicht abschätzen.

Wohnungssorgen

„Viele kleine Unternehmen mussten schließen, andere stehen kurz vor der Insolvenz. Angestellte müssen um ihren Arbeitsplatz bangen“, fasst Steffes zusammen. Man könne demnach davon ausgehen, dass das Sozialamt künftig mit schwierigeren Fällen konfrontiert werde. Etwa was die finanzielle Lage vieler Familien angeht oder deren Wohnsituation. Schon in normalen Zeiten wohnten zwei von drei Antragstellern nur auf Miete.

Viele davon seien neben ihrem Gehalt noch auf weitere Stützen angewiesen, um über die Runden zu kommen. Wie etwa Familienbeihilfen, „Revis“ oder Mietzuschüsse. „Dazu kommt, dass Menschen, die beim Sozialamt Unterstützung beantragen, meist mit mehreren Problemen gleichzeitig konfrontiert sind“, erklärt Steffes. An erster Stelle handele es sich dabei um finanzielle Sorgen. „Wenn man dann aber etwas nachhakt, kommen meist noch andere Probleme zutage, etwa auf der Arbeit, mit den Verwaltungen oder mit der Gesundheit. Außerdem tragen manche eine Schuldenlast mit sich herum.“

„Demnach scheint klar, dass neben dem Einkommen vor allem die Wohnsituation zur größten Herausforderung nach der Krise heranwachsen könnte“, mutmaßt der Vorsitzende des Verwaltungsrats. So verfügt das Sozialamt über etliche Instrumente, um den Bürgern in Not helfen zu können. Etwa mit Gutscheinen für Arzt oder Apotheke, dem Zugang zum Sozialladen oder staatlichen Zuschüssen.

In vereinzelten Situationen aber sind auch dem Sozialamt die Hände gebunden: „Zum Beispiel wenn eine Familie über Nacht auf die Straße gesetzt wird“, sagt Dr. Steffes. Viele Möglichkeiten habe man nicht, um die Betroffenen unterzubringen. Über eigene Wohnungen verfügen weder das Sozialamt noch die sechs beteiligten Gemeinden. Die „Agence immobilière sociale“ hingegen ist überfordert: Die Warteliste beträgt nicht selten mehr als tausend Antragsteller. „Demnach ist es unmöglich, auf dieses Angebot zurückzugreifen.“

In Wartestellung

Dennoch wollen die Mitarbeiter des Sozialamts nicht den Teufel an die Wand malen. Aktuell hält sich die Zahl der Antragsteller noch in Grenzen. Ein Zulauf aufgrund der Corona-Krise ist den Aussagen der Sozialarbeiter zufolge nur bedingt festzustellen. Dennoch haben mittlerweile mehr Menschen mit Problemen zu kämpfen, die vor der Krise noch gerade so über die Runden kamen. „In manchen Familien wird die Lage durch die aktuellen Umstände verschärft“, bestätigt Sozialarbeiterin Carol Lang.

Auf der anderen Seite aber wurde der Besucherverkehr im Sozialamt selbst wegen der sanitären Maßnahmen eingestellt. Gespräche erfolgen derzeit nur über Telefon oder digitale Technologien. Müssen Dokumente ausgestellt oder unterschrieben werden, liefern die Mitarbeiter diese persönlich im Briefkasten ab. Außerdem sei auch die psychologische Wirkung nicht zu vernachlässigen, die die Präsenz der Kinder auf Eltern hat.

„Das ist ein Phänomen, das wir auch aus den Ferienzeiten kennen: Wenn die Kinder im Haus sind, zögern die Eltern, Behördengänge zu absolvieren, die sie persönlich betreffen“, erklärt Carol Lang. Auch sei es noch zu früh, um die Auswirkungen der Krise gründlich einschätzen zu können. „Deshalb ist es schwierig, jetzt schon präventive Maßnahmen zu ergreifen. Zuerst müssen wir abwarten, mit welchen Problemen die Menschen spezifisch konfrontiert werden.“

Nach der „Rentrée“ der Grundschulen werde das Bild wohl klarer ausfallen: „Wenn die Kinder wieder zur Schule gehen, fällt es manchen Elternteilen einfacher, Hilfe zu beantragen“, meint auch Assistentin Susanna Spaus. „Von daher ist es schon ein Vorteil, dass die Schulen wieder öffnen. Ansonsten könnte sich die Lage in manchen Familien noch verschlimmern.“

„Nicht zögern!“

Denn: Viele Antragsteller werden erst aktiv, wenn es fast schon zu spät ist. „Leider warten viele Menschen erst, bis ihnen das Wasser zum Hals steht. Weil es vielen schwerfällt, einzugestehen, dass sie Hilfe benötigen“, erklärt die Sozialarbeiterin. Deshalb auch der Aufruf an Betroffene, nicht zu zögern. „Hier wird niemand abgestempelt“, versprechen die Mitarbeiterinnen des Sozialamts. Sie alle sind an ein Berufsgeheimnis gebunden, jedes Dossier wird vertraulich bearbeitet.

Die Sozialarbeiterinnen behandeln jedes Dossier mit Fürsorge und Vertraulichkeit. Wie alle anderen Mitarbeiter des Sozialamts sind auch sie an das Berufsgeheimnis gebunden.
Die Sozialarbeiterinnen behandeln jedes Dossier mit Fürsorge und Vertraulichkeit. Wie alle anderen Mitarbeiter des Sozialamts sind auch sie an das Berufsgeheimnis gebunden. Foto: Editpress/Eric Hamus

Ansonsten aber habe die Krise kaum Auswirkungen auf die Arbeit des Sozialamts. Auch seien viele Abläufe vereinfacht worden, wie Susanna Spaus hinzufügt. So schauen die Behörden etwa durch die Finger, wenn beispielsweise nur das Foto eines wichtigen Dokuments statt des Originals oder einer beglaubigten Kopie mit eingereicht wird

Da im luxemburgischen Sozialsystem aber viele Stellen voneinander abhängig sind, gerät der Fluss bei nur einem Ausfall gerne ins Stocken. So konnten verschiedene Dossiers nicht bearbeitet werden, weil auch die Justiz in den vergangenen Wochen auf Sparflamme fahren musste. „Manche Anträge hängen zum Beispiel vom Urteil des ,Conseil arbitral‘ ab“, erklärt Carlo Steffes. In dem Fall mussten die Antragsteller auf ein späteres Datum vertröstet werden. Was in manchen Fällen aber ernste Folgen haben kann.

„Bleibt ein Urteil oder eine Entscheidung aus, kann der nächste Schritt nicht eingeleitet werden“, erklärt Sozialarbeiterin Lisa Hilges. In solchen Fällen müssten Antragsteller sogar auf ganze Zuschüsse verzichten. Im Sozialsystem greife nun eben ein Rad ins andere. In der Regel aber komme man voran. „Bei verschiedenen Stellen geht es besser, an anderen hapert es wiederum. Alles in allem aber läuft es angesichts der Umstände erstaunlich gut.“