Ob EU-Kommissar Michel Barnier die Finanzmärkte mit den im letzten Monat beschlossenen Maßnahmen zu zähmen weiß, wird sich zeigen. In einem Gespräch mit dem „Tageblatt“ beschreibt er, weshalb das neue EU-Regelwerk Europa auf die Beine hilft. Und warum Luxemburg als einer der „Hauptfinanzstandorte überhaupt“ davon profitieren könnte. Oder sollte.
" class="infobox_img" />EU-Kommissar Michel Barnier spricht Klartext. (Bild: dpa)
Wenn man Michel Barnier gegenübersitzt, denkt man an vieles: an den politischen UMP-Berater Nicolas Sarkozys, den ehemaligen französischen Außenminister, den „Gaullisten“, aber auch an den Liebhaber olympischer Sportarten, der seine Erfahrungen in der Regionalpolitik in nationale Netzwerke zu übersetzen wusste, um schließlich einen der zentralen Posten der Europäischen Kommission zu bekleiden. 2010 ist Barnier Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen geworden. Er hat seitdem durchaus mutige Vorhaben vorangetrieben.
Während man seinem politischen Mutterschiff, der Europäischen Kommission, eine knallharte Austeritätspolitik vorwerfen kann, ist das mit Barnier so eine Sache. Aussage Nummer 1: „Ich weiß, dass viele Menschen unter der aktuellen Situation in Europa leiden. Aber wer ist dafür verantwortlich? Das sind nicht Europa oder Brüssel. (…) Es sind jene Regierungen, die seit 20 oder 30 Jahren mehr Geld ausgegeben haben, als sie besaßen.“
Die Versäumnisse vergangener Jahre
Will man hier ansetzen und daran erinnern, dass Europas Banken verschiedene Regierungen ins Verderben gestürzt haben und die EU-Troika mit ihrer Austeritätspolitik die Abwärtsspirale verstärkt hat, weist Barnier auf die Versäumnisse vergangener Jahre hin.
Aussage Nummer 2: „Die Finanzkrise ist aus den USA zu uns herübergeschwappt, verstärkte unsere eigenen finanziellen Probleme und führte in den vergangen vier Jahren zu Wachstumsschwierigkeiten“. Sie sei durch unverantwortliches Verhalten verschiedener Bankiers, die geglaubt hätten, sich alles erlauben zu können, ausgelöst worden. Ja, es habe das nötige Regelwerk gefehlt. Man sei aber dabei, diese Probleme zu bereinigen, so Barnier. In diesem Spannungsfeld aus Einsicht, dass nicht nur die Regierungen an der misslichen Lage der EU schuld sind, und dem gleichzeitigen Festhalten an einer knallharten Sanierung der Haushalte ist Barnier einzuordnen.
Während des Gesprächs weist er auf die Vorteile der Sozialen Marktwirtschaft hin. Durch die kürzlich beschlossenen und die geplanten Regulierungsmaßnahmen versuche die Kommission „die Finanzmärkte wieder in den Dienst der Realwirtschaft zu stellen“, unterstreicht Barnier.
Die Frage der Bankenunion
Bleibt die Frage nach der künftigen Bankenunion. Wer den deutschen Diskurs verfolgt hat, weiß, dass Berlin streckenweise gezaudert hat. Man trifft einen Nerv bei dem ansonsten sehr gelassenen und angenehmen Gesprächspartner, der aber weiterhin ruhig bleibt. Er habe nach dem EU-Gipfel vom 28./29. Juni 2012 alle Entscheidungen der Staatschefs vollständig umsetzen können. „Wir sind vor Weihnachten bezüglich der Bankenunion einstimmig zu einer Einigung gekommen“, betont Barnier. Dabei habe Deutschland eine wichtige Rolle gespielt. Aber auch Luxemburg. „Wir konnten auf die Unterstützung von Wolfgang Schäuble und Luc Frieden zählen“, bemerkt Barnier in einem Nebensatz. Selbst die Nachfrage, dass wegen der deutschen Position eine direkte Kontrolle der Sparkassen durch die EZB ausgeschlossen worden sei, verwirft Barnier: „Es war nie das Ziel, alle 6000 Banken der Eurozone von Frankfurt aus zu kontrollieren. Das habe ich nie gefordert.“
Mittlerweile ist die Bankenunion neben einer verstärkten Kontrolle der Ratingagenturen beschlossene Sache. Auch hier findet Barnier klare Worte. Die neuen Regulationsgesetze erlaubten es Luxemburg, sich „nunmehr in einem gesünderen und stärkeren Regulationsrahmen zu entwickeln“. Die Botschaft ist eindeutig, betont Barnier doch, dass er dies in Luxemburg sage, einem der Hauptfinanzstandorte überhaupt.
Weitere Details zum Gespräch finden sie in der gedruckten Freitagausgabe des Tageblatts.
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