LuxLeaks: Es geht in eine weitere Runde

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Mitte Januar hatte der Kassationsgerichtshof entschieden, das Urteil aus zweiter Instanz gegen den ehemaligen PricewaterhouseCoopers-Angestellten Antoine Deltour zu „kassieren“. Dieser muss sich am Dienstag ein weiteres Mal vor den Richtern verantworten.

Antoine Deltour und Raphaël Halet, beide ehemalige Angestellte von PricewaterhouseCoopers (PwC), wurden im sogenannten LuxLeaks-Berufungsprozess am 15. März 2017 verurteilt: Deltour zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung sowie zu einer Geldstrafe von 1.500 Euro und Halet zu einer Geldbuße von 1.000 Euro. Der Journalist Edouard Perrin wurde freigesprochen. Am Dienstag wird der Prozess erneut vor dem Berufungsgericht verhandelt, weil der Kassationsgerichtshof entschieden hatte, das Urteil gegen Antoine Deltour aufzuheben. Gegen die Geldbuße von 1.000 Euro von Raphaël Halet wurde hingegen nicht Einspruch erhoben. Letzterer muss sich somit nicht erneut vor den Richtern verantworten.

Das Urteil war in der ersten Berufung milder als in erster Instanz ausgefallen. In zweiter Instanz wurden Antoine Deltour zu zwölf und Raphaël Halet zu neun Monaten Haft verurteilt. Beide Strafen waren zur Bewährung ausgesetzt.

Freispruch für Perrin

Der Journalist Edouard Perrin wurde damals ebenfalls freigesprochen. Im Strafantrag in zweiter Instanz wurde nur gegen Deltour eine Haftstrafe von sechs Monaten auf Bewährung gefordert. Die zwei Verteidiger von Antoine Deltour zeigten sich Mitte März 2017 nur teilweise zufrieden. Wegen Diebstahls, „fraude informatique“ und „blanchiment-détention“ wurde Deltour verurteilt. Der Vorwurf der Verletzung des Berufsgeheimnisses wurde nicht dazugezählt. „Wichtig ist, dass Deltour alle Bedingungen erfüllt, um als Whistleblower anerkannt zu werden. Dies ist ein Schritt in die richtige Richtung“, betonte der Verteidiger des Angeklagten, Me William Bourdon.

Me Philippe Penning, ebenfalls Anwalt von Deltour, sah das Urteil auch positiv. „Deltour als Whistleblower anzuerkennen, war richtig. Warum er trotzdem wegen Diebstahls verurteilt wurde, kann ich mir nicht erklären“, so Me Penning damals. Dennoch entschieden sich die beiden Anwälte dafür, in Kassation zu gehen. Es war eigentlich eine Überraschung, dass das Urteil von Deltour „kassiert“ wurde. Kurz nach der Verkündung verließ dieser den Sitzungssaal und lachte. Sofort telefonierte er mit seinem Pariser Anwalt Me William Bourdon, um ihm die freudige Nachricht mitzuteilen.

„Ich bin nicht überrascht“

„Ich bin nicht überrascht. Ich hatte vollstes Vertrauen in die Justiz und ich hatte gute Argumente, um diesen Kampf zu gewinnen. Dies ist ein eindeutiger Beweis, dass das Berufungsgericht das Gesetz falsch angewandt hat. Nun geht es ein weiteres Mal vor das Berufungsgericht mit anderen Richtern“, hatte sich Deltour dem Tageblatt gegenüber erleichtert gezeigt, nachdem die Kassationsrichter ihr Urteil vorgelesen hatten. Sein Rechtsanwalt Me Philippe Penning erklärte, das Ziel vor dem Kassationsgerichtshof sei somit erreicht worden.

Raphaël Halet wurde in zweiter Instanz zu einer Geldstrafe verurteilt. Laut richterlichem Beschluss würde er nicht alle Kriterien erfüllen, um als Whistleblower anerkannt zu werden. Trotzdem ist Halet über das Urteil erleichtert. „Ich bin glücklich darüber, dass am Ende nur eine Geldstrafe übrig bleibt. Und trotzdem hätte ich auch vom Vorwurf des Diebstahls freigesprochen werden müssen. Ich habe schließlich im Dienst der Allgemeinheit gehandelt“, erklärte er damals. Nach Auffassung der Verteidiger von Deltour und Halet wäre ein Freispruch auf der ganzen Linie die einzig richtige Entscheidung gewesen.

Deltour hat Dokumente nicht gebraucht

Im Berufungsprozess vom Dienstag geht es nun um Diebstahl. Normalerweise muss man bei einer Kündigung alle Schlüssel bei der Firma abgeben. Auch darf ein Angestellter beim Verlassen der Arbeitsstelle keine Zugangs- und sonstige Daten mit sich führen. Deltour aber wollte an seinem zweitletzten Tag einige Weiterbildungsdokumente mitnehmen.

Bei der Suche nach diesen Unterlagen stieß er auf die sogenannten Tax Rulings und kopierte diese laut seinem Rechtsanwalt auch gleich mit. Weil er diese Unterlagen „geklaut“ haben soll, muss sich Deltour nun ein weiteres Mal vor Gericht verantworten. „Hätte er ’nur‘ diese Dokumente mitgehen lassen, dann wäre es mit höchster Wahrscheinlichkeit kaum zu einem Prozess gekommen“, meinte Me Philippe Penning in einem Tageblatt-Interview. Zudem habe Deltour bisher noch keinen Gebrauch von diesen Dokumenten gemacht. Trotzdem drohen ihm eine Haftstrafe und eine Geldstrafe wegen Diebstahls.

Me Philippe Penning will am Dienstag idealerweise einen Freispruch beantragen. Eine weitere Möglichkeit wäre die Beantragung der sogenannten „suspension du prononcé“. Wenn sich die Richter hierauf einigen würden, würde Deltour zwar für schuldig erklärt, aber nicht bestraft werden.


Die fehlende Seite

Für Bernard Colin, den Verteidiger von Halet, stand fest, dass entgegen den Behauptungen von PwC und anderen die „Tax Rulings“ in Luxemburg keine gesetzliche Grundlage gehabt hätten. Colin berief sich hierbei auch auf den Bericht des damaligen LSAP-Abgeordneten und späteren Ministers Jeannot Krecké aus dem Jahr 1997. Die Seite, die nur in einer der beiden Versionen dieses Berichts enthalten gewesen sei, danach jedoch laut dem früheren Premierminister und jetzigen EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker dort gefehlt habe und erst 17 Jahre später wieder aufgetaucht sei, würde eben dies belegen.


„Tax Rulings“

„Tax Rulings“ sind sogenannte Steuervorbescheide, mit denen der Staat großen multinationalen Firmen niedrige Steuersätze garantiert. Die Praxis war ins Licht der Öffentlichkeit gerückt, nachdem Antoine Deltour an seinem zweitletzten Arbeitstag bei PwC rund 45.000 Seiten von Dokumenten kopiert hatte, die dann später von dem französischen Journalisten Edouard Perrin und einem internationalen Journalisten-Konsortium veröffentlicht wurden. Im Zuge der LuxLeaks-Affäre wurden Deltour und Perrin angeklagt, ebenso wie Raphaël Halet, der früher auch für PwC gearbeitet hat. Halet hatte mehrere Steuererklärungen an Perrin weitergeleitet, nachdem er dessen erste Sendung zu den Deltour-Dokumenten gesehen hatte. Deltour und Halet betonen beide, dass sie im allgemeinen Interesse gehandelt hätten und berufen sich auf den Schutz, der sogenannten Whistleblowern durch Artikel 10 der Europäischen Konvention für Menschenrechte zusteht.


Nach der Kassation

Deltours Verteidiger Me Philippe Penning zufolge soll der Fall aber nur „theoretisch“ neu behandelt werden. Der Kassationsgerichtshof steht über dem Berufungsgericht: Letzteres muss die Entscheidung der Kassationsrichter respektieren. Die Kassationsrichter haben entschieden, dass Deltour als Whistleblower anerkannt werden muss. Die Berufungsrichter müssen sich nun daran halten.


Die LuxLeaks-Akte

Die zwei ehemaligen Angestellten des Wirtschaftsprüfungs-Netzwerks PricewaterhouseCoopers Antoine Deltour und Raphaël Halet sollen geheime Daten aus dem Unternehmen in Luxemburg entwendet und an den Journalisten Edouard Perrin weitergegeben haben. Dabei ging es vor allem um die sogenannten „Tax Rulings“. Bernard Colin, der Anwalt von Halet, hat im LuxLeaks-Berufungsprozess erklärt, „Tax Rulings“ habe es in vielen Ländern gegeben, doch Luxemburg sei das einzige gewesen, in dem sie über keine gesetzliche Grundlage verfügten.