Nach der Todesfahrt eines Lastwagens auf einem Berliner Weihnachtsmarkt deutet vieles auf einen Terroranschlag hin. Die Polizei sprach am Morgen nach der Tat von einem „vermutlich terroristischen Anschlag“ – einen Unfall schlossen die Ermittler aus. Der deutsche Bundesinnenminister Thomas de Maizière hatte bereits in der Nacht gesagt: „Ich möchte im Moment noch nicht das Wort Anschlag in den Mund nehmen, obwohl viel dafür spricht.“
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) deutet die Todesfahrt eines Lastwagens auf den Weihnachtmarkt in Berlin als Terroranschlag. „Wir müssen nach jetzigem Stand von einem terroristischen Anschlag ausgehen“, sagte sie am Dienstag in Berlin. Sie äußerte sich tief erschüttert. „Das ist ein sehr schwerer Tag“, sagte die Politikerin nach der Bluttat mit mindestens 12 Toten vom Vorabend. Sie denke in diesen Stunden zuallererst an die Toten und die mehr als 40 Verletzten. Ein ganzes Land sei in Trauer vereint.
„Hart bestrafen“
Merkel kündigte ein hartes Vorgehen des Rechtsstaats an. Die Tat werde aufgeklärt werden, „in jedem Detail, und sie wird bestraft werden, so hart es unsere Gesetze verlangen“. Noch wisse man vieles über die Tat nicht mit der nötigen Gewissheit. Es wäre besonders schwer zu ertragen, „wenn sich bestätigen würde, dass ein Mensch diese Tat begangen hat, der in Deutschland um Schutz und Asyl gebeten hat“.
Merkel fügte hinzu, sie sei in Gedanken auch bei Ermittlern, Rettungskräften, Polizisten, Feuerwehrleuten, Ärzten und Sanitätern. Ihnen dankte die Kanzlerin „von Herzen für ihren schweren Einsatz“.
„Kraft finden für das Leben“
Sie betonte zudem: „Wir wollen nicht damit leben, dass uns die Angst vor dem Bösen lähmt.“ Auf Weihnachtsmärkte werde man nicht verzichten. „Auch wenn es in diesen Stunden schwerfällt: Wir werden die Kraft finden für das Leben, wie wir es in Deutschland leben wollen: frei, miteinander und offen“, so Merkel.
Der am Montagabend auf der Flucht festgenommene mutmaßliche Lkw-Fahrer stammt nach Informationen des RBB-Inforadios und der Deutschen Presse-Agentur aus Pakistan. Er soll dem Sender zufolge am 31. Dezember 2015 in Passau nach Deutschland eingereist sein. Nach dpa-Informationen kam der Mann wohl im Februar als Flüchtling über die Balkanroute nach Deutschland. Er soll mehrere Identitäten genutzt haben. Der Verdächtige wurde am Dienstagmorgen verhört. Die genaue Identifizierung gestalte sich schwierig, weil er mehrere Namen benutzt haben soll. Der für den Staatsschutz zuständige Generalbundesanwalt in Karlsruhe übernahm die Ermittlungen.
Lkw auf Baustelle gestohlen
Der dunkle Lastwagen mit polnischem Kennzeichen fuhr laut Polizei gegen 20.00 Uhr auf einer Strecke von 50 bis 80 Metern über den Markt und zerstörte dabei mehrere Buden. Mindestens zwölf Menschen starben – darunter ein Pole, der auf dem Beifahrersitz saß. Der Lkw gehörte einer polnischen Spedition, wie deren Eigentümer Ariel Zurawski dem polnischen Sender TVN 24 sagte. Der Fahrer, sein Cousin, sei seit etwa 16.00 Uhr am Montag nicht mehr zu erreichen gewesen. „Ihm muss etwas angetan worden sein.“ Die Berliner Polizei teilte mit, es bestehe der Verdacht, dass der Sattelschlepper in Polen von einer Baustelle gestohlen worden sei.
Auch der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck äußerte sich tief betroffen: „Das ist ein schlimmer Abend für Berlin und unser Land, der mich wie zahllose Menschen sehr bestürzt.“ Ähnlich äußerten sich Frankreichs Präsident François Hollande, Italiens Ministerpräsident Paolo Gentiloni und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker.
Erinnerungen an Nizza werden wach
Der mutmaßliche Anschlag ruft Erinnerungen an die Terrorattacke von Nizza im Juli wach: Dort waren 86 Menschen ums Leben gekommen, als ein Mann mit einem Lastwagen über die Uferpromenade der Mittelmeermetropole fuhr. Für den Anschlag hatte die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) die Verantwortung übernommen.
Der mutmaßliche Täter des Berliner Anschlags konnte nach einem Medienbericht dank des couragierten Einsatzes eines Augenzeugen gefasst werden. Der Zeuge sei dem flüchtenden Lastwagenfahrer gefolgt und habe dabei ständig über Handy die Notrufzentrale über die Position des Mannes informiert, sagte Polizeisprecher Winfrid Wenzel laut „Welt/N24“. Nach etwa zwei Kilometern Verfolgungsjagd habe schließlich die Besatzung eines Streifenwagens den Mann an der Siegessäule gestoppt. Mit Hilfe des Zeugen sei es möglich gewesen, den Verdächtigen zu fassen, sagte Wenzel.
„Mehr Wachsamkeit und Präsenz zeigen“
Am frühen Morgen durchsuchte die Polizei einen Hangar auf dem früheren Berliner Flughafen Tempelhof. Dort befindet sich Berlins größte Flüchtlingsunterkunft. Es gab keine Festnahmen.
Die Weihnachtsmärkte in Deutschkand sollen weiter stattfinden. Die Innenminister von Bund und Ländern sprachen sich am Vormittag gegen eine Absage aus. Dies teilte das Bundesinnenministerium nach einer Telefonkonferenz der Ressortchefs mit. Mehrere Bundesländer überdenken ihre Sicherheitskonzepte. „Es wird alles getan um die bestmögliche Sicherheit im Land zu gewährleisten“, sagte Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich der dpa. „Wir müssen jetzt noch mehr Wachsamkeit und Präsenz zeigen“, sagte der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) zu WDR5. Der Innenausschuss des Bundestags will am Mittwoch in einer Sondersitzung beraten, hieß es aus Koalitionskreisen.
Ermittlungen laufen auf Hochtouren
Das Bundeskriminalamt (BKA) übernahm im Auftrag des Generalbundesanwalts die Ermittlungen. „Der Generalbundesanwalt beim BGH hat ein Strafverfahren eingeleitet und das BKA mit den Ermittlungen beauftragt“, teilten die Wiesbadener Behörde auf Twitter mit. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hatte noch am Vorabend darüber informiert, dass die Bundesanwaltschaft den Fall übernommen hat. Sie ist für Straftaten zuständig, die die innere Sicherheit der Bundesrepublik betreffen, insbesondere Terrorismus.
Der Lastwagen könnte polnischen Medien zufolge am Montagnachmittag in Berlin entführt worden sein. GPS-Daten hätten gezeigt, dass der Wagen ab etwa 16 Uhr mehrmals gestartet worden sei, berichtete der Sender TVN24 unter Berufung auf die betroffene polnische Spedition bei Gryfino in der Nähe von Stettin. Dabei könnte es sich um Versuche eines mutmaßlichen Entführers gehandelt haben, den LKW zu steuern, vermuteten polnische Medien. Gegen 19.45 Uhr habe der Wagen seinen Standort in Berlin endgültig verlassen, hieß es.
		    		
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