Linker Wahlsieger hat keine Mehrheit

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(AFP)

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Laut dem am Dienstag veröffentlichten Endergebnis gewinnt beim Wahlkrimi Mitte-Links im Senat zu knapp, um allein eine Regierung bilden zu können. Beppe Grillos Protestpartei kann einen Erfolg verbuchen.

Die auch international mit Spannung verfolgten Wahlen in Italien haben kein eindeutiges Ergebnis gebracht. Nach dem am frühen Dienstagmorgen veröffentlichten vorläufigen Endergebnis – noch ohne die definitiven Ergebnisse der rund drei Millionen Auslandsitaliener – gewann die Linke unter Spitzenkandidat Pier Luigi Bersani zwar in beiden Kammern. Doch erreichte das Mitte-Links-Bündnis nur im Abgeordnetenhaus die absolute Mehrheit, nicht aber im Senat. Den einzig wirklichen Erfolg erzielte die antipolitische Protestpartei des Komikers Beppe Grillo. Die Märkte reagierten nervös auf den unklaren Wahlausgang.

Im Abgeordnetenhaus sicherte sich Bersanis Bündnis 29,5 Prozent der Wählerstimmen. Damit gewann es mit nur 0,4 Punkten Vorsprung vor dem Mitte-Rechts-Bündis des früheren Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi den Mehrheitsbonus von 340 der 630 Sitze. Berlusconis Bündnis lag bei 29,1 Prozent und 124 Mandaten. Der scheidende Premier Mario Monti holte mit seinem Bündnis der Mitte 10,5 Prozent der Wählerstimmen und 45 Mandate. Die erst 2009 gegründete Protestpartei des Komikers Beppe Grillo zog hingegen mit 25,5 Prozent überraschend erfolgreich als drittstärkste Kraft ins Abgeordnetenhaus. Sie stellt dort 108 Parlamentarier.

Keine Eindeutige Mehrheit im Senat

Größter Unsicherheitsfaktor blieb bis zuletzt die zweite Kammer, der Senat. Nach einem spannenden Kopf-an-Kopf-Rennen kam Bersani mit seinem Bündnis hier auf 31,6 Prozent der Stimmen und 120 Sitze vor Berlusconi mit 30,7 Prozent der Stimmen und 115 Sitzen. Monti – Bersanis möglicher Partner, um eine regierbare Situation herzustellen – kam auf 9,1 Prozent der Stimmen und 16 Senatoren. Zu wenig, um zusammen der Linken die absolute Mehrheit von 158 Sitzen zu erreichen. Grillos «Fünf Sterne»-Bewegung gewann 23,8 Prozent der Stimmen und 58 Senatssitze.

Schon vor Bekanntgabe der Ergebnisse reklamierten sowohl Mitte-Rechts als auch Mitte-Links den Wahlsieg im Senat für sich. Während Bersanis PD das von ihr geführte Bündnis zum Sieger der Parlamentswahlen erklärte, forderte Mitte-Rechts, die Wahl als „Unentschieden“ auszugeben. „Das Mitte-Links-Bündnis hat im Abgeordnetenhaus gewonnen und liegt mit 365.000 Stimmen im Senat vorn“, hieß es aus der Pressestelle der PD. Angelino Alfano, Parteichef von Berlusconis PDL-Partei, hielt dagegen, der Vorsprung des Mitte-Links-Bündnisses im Abgeordnetenhaus sei zu knapp, um als Sieg zu gelten.

Vertrackte Lage

Die Wahlsieger zeigten sich denn auch recht besorgt. „Dies ist eine Grenzsituation, wie sie unser Land noch nie erlebt hat“, sagte PD-Vize Letta. „Eine Krise, die gelebt und überwunden werden will.“ Man möge dennoch nicht sofort an Neuwahlen denken. „Es ist ohne Zweifel der Gewinner in der ersten Parlamentskammer, der die Pflicht hat, dem Staatspräsidenten zuerst Vorschläge zur Regierungsbildung zu machen“, sagte Letta.

Der erfolgreichste Absolvent des Urnengangs, der Komiker Grillo, erklärte sich in einem Kommentar am Telefon im italienischen RAI-Fernsehen. „Wir sind heute das wahre Hindernis. Ohne uns geht es nicht mehr“, freute sich der 64-jährige Lockenkopf aus Genua. „Wenn sie uns folgen wollen, gut, wenn nicht, wird es einen harten Kampf geben“. Die Spitzenkandidaten Bersani und Berlusconi erklärte Grillio für „finiti – erledigt“.

Der scheidende Regierungschef Monti gab dem Wahlergebnis seines Bündnisses der Zentrumsparteien die Note „befriedigend“. Der unabhängige Fernsehsender La7 hatte zuvor kommentiert, angesichts dieser Zahlen seien nur zwei Szenarien möglich. Der im Mai scheidende Staatspräsident Giorgio Napolitano könne als letzte Amtshandlung nur noch „einer großen Koalition die Aufgabe erteilen, das Wahlrecht umzuschreiben, um Neuwahlen unter besseren Bedingungen durchzuführen oder aber die Wahlen als ergebnislos deklarieren“.

Wahlbeteiligung geht zurück

Die Wahlen waren leicht vorgezogen worden, nachdem Monti im Dezember nach 13 Monaten als Regierungschef zurückgetreten war. Rund 50 Millionen Italiener waren am Sonntag und Montag aufgerufen, ein neues Parlament zu bestimmen. Bei der Wahl ging es um 630 Sitze im Abgeordnetenhaus und 315 im Senat. Die Wahlbeteiligung war mit zirka 75 Prozent rund fünf Prozentpunkte niedriger als 2008.

Die Wahlen wurden auch im Ausland gespannt verfolgt. Italien ist die drittgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone. Unregierbarkeit könnte in dem Krisenland unberechenbare Folgen haben und einen Zusammenbruch des Landes könnten Euro und EU nicht verkraften. Die anhaltende Rezession, ein hoher Schuldenstand, vor allem unter den jungen Menschen dramatische Arbeitslosigkeit und Probleme wie Mafia und grassierende Korruption machen politische Stabilität mehr denn je unabdingbar. Doch ob das Land eine solche aus dem kippeligen Wahlergebnis wird stricken können, blieb in der Nacht nach der Wahl noch offen.