Laurent Wauquiez legt nach

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Der französische Oppositionspolitiker Laurent Wauquiez hat seine Angriffe auf Luxemburg am Dienstag wiederholt und ausgeweitet. Luxemburg sei ein Finanzparadies, sagte er.

Im Morgenmagazin des französischen Fernsehsenders „France2“ sagte Wauquiez, er habe grundsätzlich nichts gegen Luxemburg. Aber: Das Land sei ein Finanzparadies. Nur wenn es sich ändere könne es Mitglied eines Kerneuropa von sechs Staaten sein. Wauquiez wiederholte seine These, dass es ein Fehler gewesen sei, die Europäische Union auf 28 Staaten auszuweiten. Die Kulturen und die wirtschaftlichen Gegebenheiten seien zu unterschiedlich. Man müsse daher zu einem Kern-Europa finden mit umgebenden Staaten. Wauquiez hatte diesen Gedanken in der vergangenen Woche bereits geäußert und dabei ebenfalls Luxemburg von dem Kerngebilde ausgeschlossen. Der französische Oppositionspolitiker wiederholte am Dienstag im französischen Fernsehen, dass Luxemburg ein Land sei, das überwiegend von Finanzen bestimmt sei und keine eigene Wirtschaft besäße.

Wauquiez ging in dem Fernseh-Interview auf „France2“ noch einen Schritt weiter. Er stellte die freie Bewegung der EU Bürger innerhalb der Grenzen der Europäischen Union in Frage. Die Binnengrenzen müssten wieder eingeführt werden. Das Abkommen von Schengen müsse außer Kraft gesetzt werden. Es sei ein Misserfolg. Als Grund bezeichnete Wauquiez die unterschiedliche Entwicklung in den Ländern der Europäischen Union. Deutschland sei auf Grund seiner alternden Bevölkerung auf Arbeiter aus dem Ausland und auf Immigration angewiesen. Frankreich verfüge über eine Entwicklung der Bevölkerung, die dies nicht nötig mache. Er plädierte für ein kleines Kern-Europa, in dem die Regierungen in unverbindlicher Runde die anstehenden Probleme lösen sollten.

Zunehmende Ablehnung Europas

Der der bürgerlichen Bewegung UMP angehörende Politiker macht seine Äußerungen im beginnenden Europa-Wahlkampf in Frankreich. Er stellte sich dabei auf Seite derer, die das Europa der Römischen Verträge ablehnen. In Frankreich macht sich eine zunehmende Ablehnung Europas deutlich, die im bürgerlichen Lager mit Laurent Wauquiez offensichtlich ihren Sprecher gefunden hat. Wauquiez nutzt dabei auch Thesen der rechtspopulistischen Vereinigung Front National. Die Präsidentin der Bewegung, Marine le Pen, verlangt die Schließung der französischen Grenzen oder auch den Austritt Frankreichs aus der Gemeinschaftswährung Euro. So weit geht Wauquiez noch nicht, die Aufhebung des Schengen Abkommens aber ist eben auch eine Forderung der Rechtspopulisten. Ein Driften von UMP Politikern in Richtung Rechtsradikalität war bereits im französischen Präsidentschaftswahlkampf 2011/2012 zu beobachten. In der Schlussphase des Wahlkampfs näherte sich Präsident Sarkozy im Sicherheitsbereich Thesen an, wie sie ähnlich auch vom Front National vertreten wurden. Ein Verhalten, das damals von der französischen Presse stark kommentiert und auch kritisiert wurde.

Wauquiez äußert seine anti-Luxemburg Vorstellungen im Zusammenhang mit einer zunehmenden Antipathie gegen Rumänen und hier insbesondere mit dem „fahrenden Volk“, das sich in Camps an den Stadträndern niederlässt. Die so genannten „Roms“ gehen dabei nicht zimperlich vor und sind auch kein Phänomen, das sich nur auf Paris bezieht. In der Bucht des Mont St. Michel, eine der am stärksten besuchten Touristen-Attraktionen Frankreichs, belegen sie regelmäßig die Pferderennbahn und eröffnen eine regelrechte Camping-Stadt, was zu einer deutlichen Ablehnung durch die Bevölkerung führt. In Paris hat die Polizeipräfektur verfügt, dass Bettler aus den feinen Vierteln der Stadt zu entfernen sind. Begründet wird das damit dass das Betteln von Familien gewerbsmäßig organisiert werde.

„Roms“ und polnische Klempner

Die „Roms“ stehen heute – vor den Europawahlen am 25. Mai – als Argument der politischen Auseinandersetzung im Raum, wie vor einigen Jahren die Furcht vor 196 polnischen Klempnern in Frankreich. Die Furcht vor billigen Facharbeitern aus Polen hatte damals unter anderem als Argument dazu gedient, um den Vertrag von Lissabon in einer Volksabstimung abzulehnen. Staatspräsident Sarkozy ließ ihn später durch die Assemblée Nationale ratifizieren.

Wauquiez schwimmt damit auf einer Welle gegen Immigranten. Frankreich hat seit dem Algerienkrieg und der Unabhängigkeit Algeriens den Zustrom von Nordafrikanern und von Afrikanern nicht verkraftet und bis heute kein Integrationsmodell gefunden. Wauquiez mischt daraus einen anti-europäischen Cocktail bei dem der Zustrom von Ost-Europäern und auch Luxemburg nur ein Vorwand sind. Wauquiez schwimmt aber auch auf einer Welle, die an Größe zunimmt. Seine Vorstellungen von Europa gehen darauf hinaus, dass Frankreich sich auf sich selbst besinnen und wieder souveräner handeln muss. Das geht nur, indem Europa einen anderen Rahmen – ohne Luxemburg und mit einem souveränen Frankreich – findet. Der Unterschied zu den Rechtspopulisten besteht darin, dass Wauqiez nicht ablehnt, sondern einen Vorschlag macht, der Luxemburg ausschließt, Europa schwächt und so Frankreich stärkt. Wo die Rechtspopulisten ablehnen, stellt sich Wauquiez als Erneuerer dar.

Die Positionen des französischen Politikers sind nicht nur in Luxemburg scharf kritisiert worden. Auch lothringische Politiker insbesondere des Zentrums und der Liberalen weisen sie zurück und verweisen auf die Interdependenz zwischen Frankreich und Luxemburg und insbesondere darauf, dass in Luxemburg bis zu 100.000 Lothringer ihre Arbeit finden.

(Helmut Wyrwich / Tageblatt.lu)