Mittwoch19. November 2025

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„Kunstwerke sind nie unschuldig“

„Kunstwerke sind nie unschuldig“
(Ifinzi)

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Der Belgier Wim Delvoye stellt seine Werke ab Samstag im Mudam aus. Für ihn war die Entscheidung Künstler zu werden, "eine Entscheidung für die Beschäftigung mit der Welt".

Wim Delvoye ist kein Unbekannter in Luxemburg. Er ist vielmehr mittlerweile ein gern gesehener Gast mit seinen Installationen, die immer provozieren und immer mit einem Augenzwinkern entworfen wurden. Seine Werke sind ab Samstag im Mudam zu sehen – pünktlich zur Zehn-Jahres Feier wird die Ausstellung eröffnet.

Seine Werke gehören zur Sammlung der großherzoglichen Familie, das „Musée national“ hat Werke von ihm in der Sammlung, seine „Chapelle“, die zur Eröffnung des Mudams 2006 kreierte Installation, ist ins Inventar des Mudam eingegangen. Der 1965 geborene Belgier hat viele Verbindungen nach Luxemburg, auch wenn er sich eher als „Europäer“ oder vielleicht besser „Weltenbummler“ sieht. Wim Delvoye reist viel.

Das Bezeichnende an seiner Kunst ist die Verbindung von dekorativen Elementen mit Alltagsgegenständen. Sei es die Karosserie eines Maserati, die mit Ornamenten aus der Kultur des Nahen Ostens versilbert ist, seien es die 18 Gasflaschen, wie sie jeder Camper kennt, auf denen die typischen, tiefblauen Dekore des Delfter Porzellans prangen. Die Kunst „made in Delft“ ist ein Aushängeschild holländischer Handwerkskunst des 17. Jahrhunderts. Oder die riesigen Lkw-Reifen, deren Profil zur Hälfte in Schnitzereien mit filigranen Motivkombinationen aus China verwandelt sind. So wie sich in allen seinen Werken eine augenzwinkernde Kritik an den gängigen Wertesystemen der Konsumgesellschaft findet, soll auch dies eine sein. Nicht nur alte europäische Handwerkskunst wird heute nach Fernost ausgelagert – viele andere Produktionsschritte auch.

„Ich behalte das Zweifeln bei“

Seine tätowierten, nach ihrem Tod ausgestopften Schweine verweisen auf die Tatsache, wie ähnlich sich Mensch und Schwein sind und wie notwendig es deshalb ist, über die Würde der Tiere nachzudenken.
Seine Werke entstehen, wie er sagt „intuitiv“. Sie sind oft fertig, ohne dass es je ein Szenario oder ein Konzept gegeben hat. „Ich behalte das Zweifeln bei“, sagt er, „dann bleibt man offen für Experimente“. Belehren, predigen oder erklären, wie so mancher Kollege von ihm es in seiner Kunst tut, liegt ihm fern. Die Ironie an der Geschichte ist: Wim Delvoye wird oft als Konzeptkünstler bezeichnet. „Die Entscheidung Künstler zu werden war schon eine Entscheidung für die Beschäftigung mit der Welt“, sagt er, „Kunstwerke sind nie unschuldig“.

Das einzige Werk, das eine eher konzeptuelle Herangehensweise vermuten lässt, ist gleichzeitig eines seiner bekanntesten. „Cloaca“ heißt die riesige Maschine, die den menschlichen Verdauungsvorgang simuliert. Sie produziert den menschlichen Exkrementen verblüffend ähnliche „Produkte“. Alle acht Maschinen wurden 2007 auf der Langen Nacht der Museen in Luxemburg in zwei Museen der Stadt Luxemburg ausgestellt.
Wim Delvoye will die Maschinen als „Porträt“ verstanden wissen. Ausgehend von dem dem heiligen Augustinus zugeschrieben Satz „zwischen Kot und Urin werden wir geboren“, reduziert die Cloaca das menschliche Dasein auf die Trivialität ihrer Körperlichkeit. Menschen mit großem Ego werden diesen vorgehaltenen Spiegel nicht mögen. Ihnen bleibt Delvoyes Humor.