Jetzt wird Munro 85 Jahre alt – und Fans, Kritiker und Kollegen hoffen auf einen Rücktritt vom Ruhestand.
Jahrzehntelang war Alice Munro nur echten Fans ein Begriff. Schriftstellerkollege Jonathan Franzen wunderte sich öffentlich darüber, „warum sie so schockierend weniger bekannt ist, als ihre hervorragenden Leistungen es verdienen würden“.
Literaturnobelpreis 2013
Dann bekam die kanadische Autorin 2013 den Literaturnobelpreis. Ihre Fans sahen sich bestätigt, alle anderen waren überrascht und Munro überwältigt. Wenige Monate zuvor hatte die Autorin, die an diesem Sonntag (10.7.) 85 Jahre alt wird, ihren Ruhestand verkündet.
„Ich werde wahrscheinlich nicht mehr schreiben“, hatte sie der kanadischen Zeitung „National Post“ gesagt. „Es ist nicht so, dass ich das Schreiben nicht geliebt habe, aber man kommt in eine Phase, wo man über sein Leben irgendwie anders denkt.“
„Dear Life“ die letzte Veröffentlichung
Möglicherweise enttäuschten Fans riet Munro, ihre alten Bücher noch einmal zu lesen. „Es gibt so viele davon.“ Der Kurzgeschichtenband „Dear Life“ werde ihr letzter sein – und bislang hat Munro ihre Ankündigung eingehalten.
Die zierliche Schriftstellerin gilt spätestens seit dem Literaturnobelpreis als Königin der Kurzgeschichte. Munro hat das Genre neu belebt, revolutioniert und perfektioniert und den Literaturnobelpreis als erste reine Kurzgeschichtenautorin bekommen.
Munro ist Spätstarterin
Schon immer habe sie Geschichten erfunden, sagt die 1931 als älteste von drei Geschwistern auf einer Silberfuchsfarm in dem kleinen Ort Wingham in der kanadischen Provinz Ontario geborene Schriftstellerin. „Ich hatte einen langen Schulweg und währenddessen habe ich mir Geschichten ausgedacht“. Inzwischen meistert Munro das Genre nach Ansicht des Nobelpreis-Komitees sowie vieler Kritiker und Kollegen wie kein anderer Autor.
Munro war Spätstarterin. Ihren ersten Erzählband veröffentlichte sie 1968 mit fast 40 Jahren. Die Zeit zum Schreiben rang die damalige Hausfrau und Mutter dem Alltag ab, setzte sich während des Kochens und während die Kinder schliefen oder in der Schule waren immer wieder an ihren kleinen Sekretär. „Ich hatte schlicht zu wenig Zeit für das Schreiben, keine Zeit für große Würfe. Zur Kurzgeschichte fand ich also aus sehr praktischen Gründen.“
Autorin gilt als scheu
Ihre Geschichten, selten länger als 30 Seiten, gleichen sich alle. Und immer sind sie nahe an Munros eigenem Leben, gespeist aus den Erfahrungen mit dem strengen, aber bücherverliebten Vater und der schwierigen Beziehung zur Parkinson-kranken Mutter. Es geht um Frauen, um Mütter und Töchter, im ostkanadischen Ontario, die erwachsen werden, sich verlieben und die schönen und tragischen Seiten des Lebens kennenlernen.
Die Autorin, die als scheu gilt und den Literaturbetrieb so gut es geht meidet, hat bis auf einen mehrjährigen Ausflug an die Westküste Kanadas ihr Leben in Ontario verbracht. Heute wohnt sie in dem 3.000-Einwohner-Städtchen Clinton. Munro hat drei Töchter, ihr zweiter Ehemann starb im April 2013 – wenige Monate vor der Nachricht vom Literaturnobelpreis.
Den hatte ihr Verleger ihr schon Jahre zuvor vorhergesagt. „Und ich wusste, wenn ich gewinne, wäre ich für eine halbe Stunde wahnsinnig glücklich, und danach würde ich denken: Was für eine Qual.“ Denn Glück ist kein Preis, ist die überzeugte Calvinistin sicher – „Glück ist harte Arbeit“.
De Maart

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