Kein Dolmetscher da… Prozess vertagt

Kein Dolmetscher da… Prozess vertagt
(Isabella Finzi)

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Ein Prozess wird vertagt. Der Grund: Es ist kein Dolmetscher im Haus. So geschehen bei der Verhandlung der Aktivisten, die die am 5. Juni 2014 bei einer Demo auf dem Kirchberg festgenommen worden waren.

Am Dienstag sollte am Bezirksgericht Luxemburg der Prozess gegen sechs Aktivisten verhandelt werden, die am 5. Juni 2014 bei einer Demonstration im Rahmen einer Tagung der EU-Innenminister auf dem Kirchberg festgenommen worden waren. Wegen eines fehlenden Dolmetschers entschied das Gericht aber, den Prozess auf April 2017 zu vertagen. Beim sogenannten „March for Freedom“ marschierten von Mai bis Juni 2014 rund 100 Aktivisten von Straßburg nach Brüssel, um gegen die Asyl- und Flüchtlingspolitik der EU und insbesondere gegen die europäische Agentur zur Überwachung der EU-Außengrenzen Frontex zu protestieren. Am 5. Juni 2014 machten die Demonstranten Halt in Luxemburg, wo die EU-Innenminister im Konferenzzentrum auf Kirchberg unter anderem über die Terrorgefahr und eine Verstärkung des Kampfes gegen illegale Immigration tagten. Offiziellen Angaben zufolge versuchten rund 60 Demonstranten die Konferenz zu stürmen. Es gelang ihnen, die Polizeisperren zu durchbrechen und ins Innere des Gebäudes zu gelangen.

Als die Polizei eingriff, kam es zu Auseinandersetzungen zwischen den Demonstranten und den Ordnungskräften. Laut Polizei hätten einige Aktivisten „Sprühmittel“ gegen Beamte benutzt, andere hätten mit Stangen zugeschlagen. Die Beamten sollen ihrerseits Hunde und Reizgas eingesetzt haben. Insgesamt 13 Personen wurden daraufhin festgenommen, im Laufe des Nachmittags aber wieder auf freien Fuß gesetzt.

Schwere Anschuldigungen

Gestern, zweieinhalb Jahre nach diesem Vorfall, waren sechs Personen vor dem Bezirksgericht Luxemburg vorgeladen. Ihnen wird u.a. bewaffnete Rebellion (Artikel 269 des „Code pénal“), Körperverletzung, Sachbeschädigung, Beamtenbeleidigung und Widerstand gegen die Staatsgewalt vorgeworfen.

Rund 20 Menschen waren gestern Morgen im Gerichtssaal erschienen, um die sechs Aktivisten zu unterstützen. Zwei der sechs Angeklagten waren dem Prozess, der unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen angesetzt war, ferngeblieben.

„Angriff auf politische Bewegung“

Noch bevor der Prozess richtig beginnen konnte, zog sich das Gericht zurück, weil die Staatsanwaltschaft keinen Dolmetscher bestellt hatte, der ins Arabische übersetzen konnte. Einer der Angeklagten stammt aus dem Tschad und verfügt nur über sehr rudimentäre Deutschkenntnisse.

Zudem erklärten sich lediglich zwei der klagenden Polizisten bereit, auf Deutsch auszusagen, alle anderen bestanden darauf, sich auf Luxemburgisch zu äußern. Nach einer längeren Beratungszeit entschied das Gericht daraufhin, den Prozess auf den 5. und 6. April 2017 zu vertagen.

Die Anwältin der Angeklagten, Me Laura Urbany, wurde zudem vom Richter dazu aufgefordert, neue Beweise bis spätestens einen Monat vor Prozessbeginn einzureichen.

Enttäuschung

Die Angeklagten zeigten sich dem Tageblatt gegenüber enttäuscht über die Vertagung. „Wir wären froh gewesen, wenn der Prozess heute nach zweieinhalb Jahren endlich einen Abschluss gefunden hätte“, bedauerte ein deutscher Staatsbürger. Eine Luxemburgerin, die ebenfalls auf der Anklagebank sitzt, verwies auf die Kosten der Anreise und der Unterbringung, die nun erneut aufgebracht werden müssen. Fünf der sechs Angeklagten sind Nicht-Luxemburger, darunter ein Pakistaner, ein Türke, ein Tschader und zwei Deutsche.

„Gleichzeitig erachte ich es als sehr wichtig, hierherzukommen, weil Vereinzelte auf der Anklagebank sitzen. Das ist ein klarer Ausdruck dessen, dass hier eine politische Bewegung angegriffen wird, in der Leute ihr Recht eingeklagt haben, die Außenpolitik der EU zu kritisieren“, erklärte die junge Frau abschließend.