Dienstag4. November 2025

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Italiens Problem heißt Berlusconi

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Jahrelang hat Silvio Berlusconi seine persönlichen Interessen verfolgt, statt Italien zu erneuern. Jetzt muss das Land dafür einen hohen Preis zahlen.

Er hat es wieder versucht: Letzte Woche schmuggelte Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi heimlich einen Passus in das Sparpaket, das derzeit vom Parlament behandelt wird. Er hätte es Unternehmen ermöglicht, gerichtlich verordnete Entschädigungszahlungen bis zum Vorliegen eines definitiven Urteils zurückzuhalten. Die Opposition vereitelte das Manöver, von dem selbst Berlusconis Gefolgsleute nichts bemerkt hatten.

Mit dem Gemeinwohl hatte diese Klausel nichts zu tun. Berlusconi hat einmal mehr versucht, ein Gesetz auf seine Bedürfnisse zuzuschneidern. Der Cavaliere wollte einem Mailänder Gericht zuvorkommen, das seine Holding Fininvest am Wochenende zur Zahlung von 560 Millionen Euro an das Unternehmen CIR verurteilte. Berlusconi soll den Rivalen beim Kauf des Verlagshauses Mondadori durch die Bestechung eines Richters übervorteilt haben.

Krankheit des niedrigen Wachstums

Seit der Medienunternehmer Silvio Berlusconi 1994 die italienische Politbühne betreten hat, verfolgt er in erster Linie ein Ziel: Sich und seine Vertrauten vor dem Zugriff der Justiz zu retten, die ihn wegen Bestechung, Steuerdelikten und anderen Vergehen im Visier hat. Die Zahl der Gesetze, die er mit mehr oder weniger Erfolg verabschieden liess, lässt sich kaum noch überblicken. Gleichzeitig leidet Italien unter chronischer Wachstumsschwäche, die Staatsverschuldung stieg auf 1,8 Billionen Euro oder 120 Prozent des Bruttoinlandprodukts.

Vor schmerzhaften Strukturreformen hat sich Berlusconi stets gedrückt. Und Italien liess sich lange blenden vom Glamour des vermeintlichen Vorzeige-Unternehmers, von seiner Potenz (der 74-jährige Berlusconi könne „an sechs Tagen pro Woche Sex haben“, trompetete sein Leibarzt erst kürzlich). Doch spätestens seit Bunga Bunga blättert der Lack. Selbst die Wirtschaft wird ungeduldig. Italien müsse „von der Krankheit des niedrigen Wachstums genesen“, mahnte etwa Emma Marcegaglia, die Chefin des Verbandes Confindustria.

Sparen erst nach 2013

Jetzt hat es Italien erwischt: Das Bel Paese ist in den Strudel der Schuldenkrise geraten und zur Zielscheibe von Spekulanten geworden. Dabei haben Berlusconi und sein Finanzminister Giulio Tremonti erst Anfang Juli versucht, mit einem Sparpaket von 47 Milliarden Euro die Märkte zu beruhigen. Allerdings sollen 80 Prozent erst nach Ende der Legislaturperiode im Frühjahr 2013 fällig werden. Dann will Berlusconi nicht mehr im Amt sein, wie er letzte Woche in einem Interview mit der linksliberalen Zeitung „La Repubblica“ erklärte.

Wirklich wehtun soll das Sparen den Italienern erst, wenn Silvio Berlusconi nicht mehr in der Verantwortung steht. Pierluigi Bersani, der Chef des oppositionellen Partito Democratico, bezeichnete das Paket denn auch als Farce. Italien werde damit vollkommen unglaubwürdig. So war es, die Finanzmärkte schluckten die Pille nicht. Wobei der Regierungschef die Krise mit einem Angriff auf seinen Finanzminister noch verschlimmerte.

Angriff auf Tremonti

Im Interview mit „La Repubblica“ schnödete Berlusconi, Tremonti halte „sich für ein Genie und alle anderen für Kretins“. Die Zeitung „Il Giornale“ aus dem Berlusconi-Konzern doppelte am letzten Freitag nach: Tremonti sei ein „Sozialist“, der die Pläne des Ministerpräsidenten, die Wirtschaft zu liberalisieren, ständig blockiert habe. Dabei geniesst Giulio Tremonti als eiserner Sparer das Vertrauen der Finanzwelt. „Berlusconi redet die italienische Wirtschaft in große Schwierigkeiten“, kommentierte der US-Wirtschaftssender CNBC auf seiner Website.

Mit dem Übergreifen der Euro-Krise auf Italien tauchte Berlusconi ab. Am Dienstag meldete er sich mit einem Appell an „die Einheit des Landes“ zu Wort. Fragt sich, wer ihm zuhört. Kaum jemand glaubt, dass er sich noch lange in seinem Amt halten kann. Sein größter Koalitionspartner, die Lega Nord, verliert zunehmend die Geduld mit ihm. „Es ist höchste Zeit, die Biographie des Cavaliere von jener der Nation zu trennen“, schrieb ein Kolumnist von „La Repubblica“. Weniger poetisch ausgedrückt: Berlusconi muss weg, und zwar rasch.