Sonntag9. November 2025

Demaart De Maart

„In der Schweiz habe ich kaum solche Gegner“

„In der Schweiz habe ich kaum solche Gegner“

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

Das Schauspielhaus war am Mittwochabend rappelvoll. Die Zuschauer waren gekommen, um nach dem Nazivergleich den Schlagabtausch zwischen Blocher und Juncker zu sehen.

Eigentlich war die Frage des Abends: „Wie weiter mit der europäischen Einigung?“ Bereits bei der Begrüssung durch Moderator Lukas Bärfuss wurde jedoch klar, dass der Fokus der Veranstaltung mit SVP-Chefstratege Christoph Blocher und dem luxemburgischen Premierminister Jean-Claude Juncker nach den jüngsten Äußerungen der beiden in den Medien vom ursprünglich geplanten abweichen würde. Das Zürcher Schauspielhaus und „Die Zeit“ glaubten an die Kraft der Argumente, sagte Autor Bärfuss, der die Diskussion zusammen mit dem deutschen „Zeit“-Journalisten Peer Teuwsen moderierte: „Wir glauben aber ganz gewiss nicht an die Diffamierung des politischen Gegners, an Unterstellungen und ebenso wenig an unpassende Vergleiche.“.

Der deutliche Seitenhieb ging an die Adresse Christoph Blochers, der Aussagen Junckers in einem „Zeit“-Interview in die Nähe von Adolf Hitlers Rhetorik gerückt hatte. Juncker hatte in Bezug zur Schweiz gesagt, es bleibe „ein geostrategisches Unding, dass wir diesen weißen Fleck auf der europäischen Landkarte haben“. Das Publikum wartete dementsprechend gespannt darauf, ob die beiden Kontrahenten beim persönlichen Aufeinandertreffen über den Nazivergleich sprechen würden. Viele waren extra deswegen gekommen. Zahlreiche weitere hätten sich das Streitgespräch ebenfalls gern angesehen, fanden im seit Tagen ausverkauften Pfauen jedoch keinen Platz mehr.

„Empfindlich“

Schließlich – keine zehn Minuten nach Beginn der Veranstaltung – war es Blocher, der von sich aus das Thema anschnitt: „Wir möchten estimiert werden, dass wir ein selbstständiger Staat sind und nicht ein geostrategisches Unding. Da wird es uns weh und bange.“ Die Römer hätten schon ein Großreich gewollt und da sei die Schweiz im Weg gewesen, Karl der Große, die Habsburger, die Preußen, Napoleon und auch das Dritte Reich. „Da sind wir empfindlich“, so Blocher.

Juncker hielt dagegen, Blocher habe die Dinge ein bisschen unkorrekt reflektiert: „Ich habe, wie ich fand – aber so irrt man sich – ein sehr positives Interview zur Schweiz geben.“ Er habe das Schweizer Demokratiemodell bis in den siebten Himmel gelobt. Vergleichbare Sprüche seien ihm von Herrn Hitler nicht bekannt. Den Wunsch, dass die Schweiz der EU beitreten würde, habe er aus Liebe zur Schweiz geäußert. „Aber Liebeserklärungen versteht man im ersten Augenblick selten“, sagte Juncker und hatte damit die Lacher auf seiner Seite.

Mit dem 56-jährigen Luxemburger bot Blocher ein Politiker paroli, der dem alt Bundesrat rhetorisch in nichts nachstand. Später an einer Medienkonferenz nach dem Streitgespräch räumte Blocher auf Anfrage von 20 Minuten Online ein, dass es ihm Spaß gemacht habe, mit solch einem starken Gegner zu streiten: „Ich gebe zu, in der Schweiz habe ich nicht viele solche Gegner.“ Mit sauberer Argumentation aber auch pointierten Aussagen gelang es Juncker immer wieder das Publikum auf seine Seite zu ziehen. Dabei verzichtete er auch nicht darauf, in offenen Wunden zu stochern: „Ich bin seit 28 Jahre Mitglied der Regierung, das schafft nicht jeder.“ Der abgewählte Bundesrat nahm es mit Humor. Er habe über 20 Jahre gegen die EU gekämpft. „Das macht mir auch keiner nach“, so Blocher.

Running Gags und keine Annährung

Die Stimmung war in Anbetrachte des vorgängigen medialen Schlagabtauschs der beiden Politiker sowieso recht ausgelassen. Juncker sagte nach dem Streitgespräch, er habe Blocher weniger konfrontativ erlebt, als er erwartet hätte: „Er war jedenfalls freundlicher, als wenn ich nicht da bin.“ Zwischenzeitlich schien es gar, als würden zwei alte Bekannte auf der Bühne die Klinge kreuzen. Neben Running Gags, die sich immer wieder um „Undinge“, Hitlervergleiche, Regierungsdauer und Teilnahmen an internationalen Konferenzen drehten, wurde aber deutlich zementiert, dass in Fragen zur EU und zu multinationalen Organisationen zwischen den beiden keine Annährung stattfinden wird. Während der EU-Politiker Juncker zugleich Kritiker aber auch vehementer Verteidiger solcher Organisationen ist, lehnt Blocher diese ab, weil sie unüberblickbar und dadurch weniger erfolgreich seien.

Die Ausgangsfrage, wie es mit der europäischen Einigung weitergehen soll, blieb am Ende zwar unbeantwortet. Das Kriegsbeil zwischen Blocher und Juncker wegen des Hitlervergleichs scheint dafür begraben worden zu sein.